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Energy & Natural Resources

Aktuelle Entwicklungen im Energiemarkt

Dr. Alexander Budzinski Dr. Alexander Budzinski

Im Mai 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, haben wir an dieser Stelle bereits einen Beitrag zum kurzfristigen Einfluss der Pandemie auf den Energiesektor veröffentlicht. Insbesondere vor dem Hintergrund der Ungewissheit bezüglich der Dauer sowie des Ausmaßes der Pandemie waren Prognosen über ihre kurz- und mittelfristigen Auswirkungen jedoch mit erheblicher Unsicherheit behaftet und im Rückblick wohl auch zu optimistisch. Für die erste Jahreshälfte 2020 konnte seinerzeit ein Rückgang der Preise für fossile Energieträger beobachtet werden, insbesondere aufgrund der einschneidenden Maßnahmen in Wirtschaft und Gesellschaft.

Seit Beginn der Corona-Pandemie sind mittlerweile zwei Jahre vergangen. Durch umfangreiche Konjunkturprogramme und Soforthilfen ist ein langfristiges Einbrechen der Weltwirtschaft bislang ausgeblieben. Nachfolgend wollen wir erneut einen Überblick über die Preisentwicklung fossiler Energieträger sowie von CO2-Zertifikaten geben und richten dabei den Blick auch wieder in die Zukunft, die neben der Pandemie und den zunehmenden Auswirkungen politischer Maßnahmen gegen den Klimawandel leider und vor allem auch durch den Krieg in der Ukraine beeinflusst wird.

Die Preisentwicklung der fossilen Energieträger dient als Indikator für die Entwicklung der weltweiten Konjunktur, da hohe Energiepreise die Produktionskosten von Volkswirtschaften erhöhen.

Abbildung 1: Entwicklung Terminpreise für Erdöl (Brent Crude Future Dez-2022)

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Quelle: Eigene Darstellung Grant Thornton mit Datenmaterial von S&P Capital IQ

Aufgrund der Bedeutung des Preises für den Energieträger Erdöl auf die weltweite Konjunktur wird dessen Preisentwicklung besonders aufmerksam verfolgt. Seit Anfang Juli 2021 hat sich der Preis der Sorte Brent von rund  40 Euro bbl (brent barrel) auf rund  80 Euro bbl verdoppelt.

Diese Entwicklung des Ölpreises im Betrachtungszeitraum ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Grundsätzlich hat die Erholung der Weltwirtschaft im Jahr 2021 zu einer größeren Nachfrage nach Öl im Vergleich zu 2020 geführt. Zugleich haben die OPEC+ Länder das Ölangebot derart verknappt, dass ein Angebotsdefizit entstand und somit die weltweiten Öllagerbestände schrumpften. Zuletzt blieben Investitionen in die Förderung neuer Ölquellen größtenteils aus.

Die Erholung des wirtschaftlichen Lebens im Jahr 2021 zeigt sich auch in der Entwicklung der weiteren fossilen Energieträger Steinkohle und Erdgas in der zweiten Jahreshälfte 2021. So sind die Erdgaspreise im Jahr 2021 um rund 60 Prozent gestiegen auf 3,23 Euro/Millionen Btu (British thermal unit) während die Preise für Kohle im selben Zeitraum um 74 Prozent zulegten auf einen Preis von 98,04 Euro/t.

Wird die Kohlepreisentwicklung im Jahresverlauf 2021 detaillierter betrachtet, so ist zunächst bis Mitte September ein bereits dynamischer Anstieg zu beobachten, bevor der akute Kohlemangel in China, der ausgelöst wurde durch die postpandemische wirtschaftliche Erholung sowie eine dürrebedingt geringere Stromproduktion aus dortigen Wasserkraftwerken, die Preisrallye extrem angeheizt hat. Zwischenzeitlich wurden Höchstpreise von über 230 Euro/t erzielt. So extrem der Preisanstieg im September erfolgte, so dramatisch brach der Steinkohlepreis Mitte Oktober 2021 auf ein Niveau von 103 Euro/t ein, nachdem die chinesische Regierung in der Preisgestaltung der heimischen Produzenten intervenierte.

Neben der zwischenzeitlichen Entspannung bei den Kohlepreisen, deutete die Entwicklung beim Gaspreis zum Jahresende in 2021 – bedingt durch einen milden Winter – zunächst auf eine Normalisierung der Preise zum Jahresende hin.

Ausgelöst durch die sich stetig verschärfenden Aggressionen Russlands gegenüber der Ukraine im Januar und Februar und dem Beginn des Krieges am 24. Februar zeigten die Preise aller fossilen Energieträger einen nochmals deutlichen Anstieg auf die aktuellen Hochstände. Maßgeblich begründet liegt dies insbesondere in den umfangreichen Sanktionen zahlreicher Länder und Wirtschaftsmächte gegenüber Russland und der nun wohl aufzugebenden Stellung Russlands als bedeutender Rohstofflieferant, insbesondere für Erdgas (Preisanstieg seit März 2021: +101%) und Steinkohle (+401%).

Abbildung 2: Entwicklung Terminpreise für Erdöl, Steinkohle und Erdgas

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Quelle: Eigene Darstellung Grant Thornton mit Datenmaterial von S&P Capital IQ

Einhergehend mit der Erholung der Wirtschaft ist demgegenüber auch der Preis für CO2-Zertifikate seit dem Frühsommer 2020 kontinuierlich gestiegen. Die wieder anziehende Produktivität der Unternehmen und der damit einhergehende stärkere Verbrauch von Erdöl, Kohle und Erdgas und somit die angestiegene Inverkehrbringung von CO2 stellen aber nur einen Teil der Gründe für den Anstieg des CO2-Preises in den vergangenen Monaten dar. Daneben sind insbesondere Erwartungen an einen ehrgeizigeren langfristigen klimapolitischen Rahmen und die Situation auf dem europäischen Gasmarkt (geringe Speicherstände, hohe Preise) als starke Einflussfaktoren auf den CO2-Preis zu nennen.

Abbildung 3: Entwicklung Preis für CO2-Zertifikate (ICE ECX Emission Dez-2022)

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Quelle: Eigene Darstellung Grant Thornton mit Datenmaterial von S&P Capital IQ

Der Preisanstieg setzte sich, einhergehend mit steigenden Gaspreisen, zunächst im Jahr 2022 fort, bis es Anfang März dieses Jahres zu einem Preiseinbruch von rund 28 Prozent kam. Ursache hierfür dürften vor allem kurzfristige Reaktionen auf den Krieg in der Ukraine sein und die damit verbundene Erwartung, dass die Nachfrage nach CO2 -Zertifikaten aufgrund kurzfristig sinkenden CO2-Verbrauchs ebenfalls sinkt. Zudem scheinen Investoren ihre Zertifikats-Positionen zu verringern, um ihre Liquidität zu erhöhen beziehungsweise um an anderer Stelle erlittene Verluste auszugleichen.

Insgesamt lässt sich mit der Erholung der Weltwirtschaft sowie durch geopolitische Entwicklungen seit Sommer 2021 ein rasanter Anstieg des Preisniveaus von Öl, Kohle und Gas beobachten. Diese Preisrallye wird durch den von Russland geführten Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen und erwarteten Herausforderungen für die deutsche Energieversorgung noch verschärft.

In Deutschland wurde die Energiebranche als Teil der Daseinsvorsorge in der Ausnahmesituation nach dem „Corona-Schock“ im März 2020 als weitgehend stabil wahrgenommen. Gleichzeitig sehen sich die nationalen und internationalen Energiemärkte weiterhin mit erheblichen Unsicherheiten konfrontiert. Die grundsätzliche Abhängigkeit und Herkunft von Erdöl, Erdgas und Steinkohle aus Russland wird aktuell deutlich in Frage gestellt, was zu einer großen Unsicherheit über die Dauer und Intensität der Nachwirkungen dieser Ausnahmesituation für die Energiebranche im Speziellen führt. Die Branche wird deutliche Auswirkungen einer nochmals beschleunigten Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern auf die Geschäftsmodelle spüren, insbesondere auch mit Blick auf Gas und Gasinfrastruktur. Angesichts der großen Herausforderungen für die Energiebranche, empfiehlt sich mehr denn je eine vorausschauende Unternehmensstrategie, um auf sich ständig ändernde externe Einflüsse schnell und angemessen reagieren zu können.