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Vergaberecht

Verlängerung von laufenden Dienstleistungsverträgen

Der Beitrag wurde verfasst von Maxim Horvath, Partner, Rechtsanwalt der Raue Partnerschaft von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen mbB

Vertragsverlängerung von laufenden Dienstleistungsverträgen: Wesentliche Auftragsänderung oder nicht?

Vor dem Hintergrund komplexer Vergabeverfahren und dem Wunsch nach Planungssicherheit kommt dem Instrument der Vertragsverlängerung in der vergaberechtlichen Praxis eine hohe Bedeutung zu. Doch birgt dieses Instrument für Auftraggeber zum Teil ungeahnte Fallstricke…

Gegenstand von Nachprüfungsverfahren ist regelmäßig die Frage, ob anstelle einer ausgeübten Vertragsverlängerung der Auftrag nicht (zwingend) vom Auftraggeber neu auszuschreiben ist. Diese Entscheidung ist stets im Einzelfall zu prüfen und hängt maßgeblich von der Art der vertraglich vereinbarten Verlängerungsoption ab; aber auch von der jeweiligen Vertragsart selbst.

Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig hatte in einer jüngeren Entscheidung (Beschluss vom 9. Dezember 2021 – Aktenzeichen 54 Verg 8/21) über eine (bereits einmal ausgeübte) Verlängerungsoption in einem Dienstleistungsvertrag zu entscheiden. Die Parteien hatten folgende Verlängerungsoption vereinbart:

„Der Vertrag verlängert sich automatisch um 2 Jahre, wenn er nicht 12 Monate vor Ablauf der Vertragslaufzeit gekündigt wird.“

Nach ständiger Rechtsprechung kann die bloße Verlängerung eines bestehenden, befristeten Vertrags grundsätzlich einen öffentlichen Auftrag darstellen, weil sie in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen einem Neuabschluss gleichsteht. Das gilt indes nicht, wenn die Verlängerung bereits – etwa in Form einer Verlängerungsklausel – im Ursprungsvertrag angelegt war und ausgeübt werden kann.

Streitgegenständlich war somit die Frage, ob es sich um eine einmalige Verlängerungsoption oder um eine mehrmalige („Revolvierende“) Verlängerungsoption handelt. Da die Auftraggeberin die Verlängerungsoption bereits einmal ausgeübt hat, hätte sie den Auftrag gegebenenfalls neu ausschreiben müssen.

Das OLG Schleswig ist nach Auslegung der Verlängerungsoption und unter Berücksichtigung der übrigen Vergabeunterlagen von einer einmaligen Verlängerbarkeit des Vertrags um zwei Jahre ausgegangen und hat in der Folge eine Auftragsänderung und damit die Neuausschreibungspflicht bejaht. Ergänzend hat das OLG Schleswig festgestellt, dass es für die Annahme einer Auftragsänderung keiner ausdrücklichen Vereinbarung bedürfe, wenn sich die Absicht zur Entgegennahme weiterer Dienstleistungen über das Laufzeitende hinaus nach außen manifestiere (zum Beispiel durch eine Absichtserklärung). Ein Vergleich mit der Entscheidung des OLG Rostock (Beschluss vom 17. Februar 2016, Aktenzeichen 17 Verg 4/15) lässt vermuten, dass nur die Ergänzung um das Wort „jeweils“ eine andere Bewertung nach sich gezogen hätte. Das zeigt, welche Bedeutung der konkreten Formulierung im Einzelfall zukommt.

Praxishinweise

Öffentliche Auftraggeber sind gehalten, bei der Erstellung der Vergabe- und Vertragsunterlagen von Dienstleistungsaufträgen sorgfältig die verschiedenen Optionen einer Vertragsverlängerung (einmal/mehrmalig) abzuwägen und – je nach Entscheidung – klar und eindeutig zu formulieren. So werden Rechtssicherheit und Transparenz geschaffen.

Auch wenn die Entscheidung des OLG Schleswig sich nicht zur allgemeinen Zulässigkeit wiederkehrender Verlängerungsoptionen verhält, wird auf folgende – für Dienstleistungsverträge geltende – Grundsätze hingewiesen:

  • Das europäische Vergaberecht steht der Vergabe von unbefristeten Dienstleistungsaufträgen nicht entgegen, auch wenn eine Vergabe auf unbestimmte Dauer grundsätzlich der Systematik und den Zielen des europäischen Vergaberechts zuwiderläuft.
  • Die laufende Weiterführung von unbefristeten Dienstleistungsverträgen trotz einer vertraglichen Kündigungsmöglichkeit ist grundsätzlich zulässig, wenn eine automatische Verlängerungsoption im Ursprungsvertrag angelegt ist.
  • Im (bloßen) Unterlassen einer Kündigung liegt keine Neuvergabe eines Auftrags; dadurch wird keine wesentliche Auftragsänderung während der Vertragslaufzeit begründet.

Damit stellt sich – einmal weitergedacht – die Frage, ob und falls ja, inwieweit diese Grundsätze auch bei anderen Vertragsarten Anwendung finden, insbesondere Vertragsarten, für die gesetzliche Höchstfristen (etwa Rahmenverträge) gelten. Ausführungen hierzu würden den Rahmen dieses Beitrags sprengen; daher – in der gebotenen Kürze – nur so viel:
Das OLG Rostock (Beschluss vom 17. Februar 2016, Aktenzeichen 17 Verg 4/15) hat angedeutet, dass unter dem (allgemeinen) Gesichtspunkt einer unzulässig langen Gesamtlaufzeit des Vertrags, also  bei Überschreiten der gesetzlich festgelegten Höchstdauer von Verträgen durch automatische Vertragsverlängerung, eine Unwirksamkeit der Vertragsverlängerung beziehungsweise ein Anspruch auf Kündigung in Betracht kommt.