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Verrechnungspreise

Herausforderungen, Risiken und Chancen in der Corona-Krise

Der Beitrag wurde verfasst von Christoph Ludwig und Katharina Crößmann. Christoph Ludwig ist Partner in der Transfer Pricing Service Line bei Warth & Klein Grant Thornton. Dr. Katharina Crößmann ist Manager in der Transfer Pricing Service Line bei Warth & Klein Grant Thornton.

OEMs und Zulieferer der Automobilindustrie sind massiv von der aktuellen wirtschaftlichen Rezession betroffen. Die Produktion steht still oder ist zumindest stark zurückgefahren. Allein für Deutschland wird mit einem Rückgang der produzierten Fahrzeuge von etwa 25% in 2020 gerechnet. Zudem zeigen die weltweiten Absatzzahlen in April und Mai Rückgänge zwischen etwa 30 und 45%  im Vergleich zum Vorjahr. Gerade in der Automobilindustrie mit ihren nach der Implementierung relativ starren Wertschöpfungsketten sind die gelebten Verrechnungspreissysteme vieler Konzerne schlicht nicht darauf ausgelegt, die eingetretenen Verwerfungen angemessen abzubilden. Eine kurzfristige, sorgfältige Überprüfung, ob und inwieweit die unter dem gelebten Verrechnungspreissystem erzielten lokalen Ergebnisse tatsächlich fremdüblich sind oder kurzfristige Anpassungen erfordern, ist somit dringend empfohlen.

Vergütung von Routinefunktionen

In der Automobilindustrie herrschen Verrechnungspreissysteme vor, die letztlich auf dem Gedanken eines starken, zentralen Entrepreneurs oder Strategieführers beruhen. Dieser zentrale Entrepreneur vereinnahmt den Residualgewinn oder -verlust, während die lokalen Einheiten über das Verrechnungspreissystem eine für ihre übernommenen (Routine-)Funktionen, eingesetzten (immateriellen) Wirtschaftsgüter und getragen Risiken angemessene Vergütung erhalten. In Europa finden produktionsseitig oftmals „cost plus“ basierte Modelle im Rahmen von Lohn- bzw. Auftragsfertigung Anwendung oder es wird unter dem Zwang des „local invoicing“ (und trotz bestehender theoretischer Schwächen) auf das Modell der Absauglizenz zurückgegriffen. Demgegenüber sehen wir international (insbesondere mit China) oftmals umsatzabhängige Lizenzmodelle. Durch die Ausgestaltung des Lizenzsatzes und einer zusätzlichen Dienstleistungsverrechnung an die (chinesische) Tochter wird letztlich auch hier oftmals angestrebt, die lokale Einheit auf eine angemessene Tätigkeitsvergütung auszusteuern. Idealtypisch[1] erzielen die lokalen Einheiten daher im normalen Geschäftsverlauf eine relativ geringe aber stabile Marge.

Im Zuge der aktuellen COVID-19 Krise weichen die tatsächlichen Ergebnisse auf Ebene der lokalen Einheiten teilweise stark von der vorgenannten idealtypischen Gewinnverteilung ab. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn bei der internen.

Abrechnung eines Auftragsfertigers das „cost plus“ auf Planzahlen in einen internen Stückpreis umgerechnet wurde aber die budgetierten Stückzahlen ausbleiben. Fraglich ist, ob ein solches Ergebnis mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar ist. Ist dies nicht der Fall, stellt sich die Folgefrage, ob und in welchem Umfang das lokale Ergebnis durch eine (nachträgliche) Anpassung der tatsächlich vereinbarten Verrechnungspreise oder außerhalb des explizit vereinbarten Verrechnungspreissystems, beispielsweise durch einen einmaligen Zuschuss, korrigiert werden kann. Insbesondere mit Blick auf die zollrechtliche und quellensteuerliche Beurteilung ist die Bedeutung dieser Folgefrage nicht zu unterschätzen.

Erfolgt eine solche mengenabhängige Abrechnung nicht, ist es aber durchaus möglich, dass das lokale Ergebnis eines Lohn- oder Auftragsfertigers, ohne weiteren Eingriff in das bestehende System, durch die aktuelle Krise zunächst unbeeinflusst bleibt. Dies ist zum Beispiel  dann der Fall, wenn ein Lohn- oder Auftragsfertiger am Monatsende seine gesamten Kosten zuzüglich des vereinbarten Gewinnaufschlags verrechnet. Hieraus kann resultieren, dass der Konzern trotz negativen Konzernergebnisses lokal steuerpflichtige Gewinne ausweist. Es ist nicht verwunderlich, dass schon allein mit Blick auf den damit einhergehenden Liquiditätsabfluss mehrere Konzerne kurzfristig auf ein „cost plus zero“ umgestellt haben. Sicherlich bedarf eine solche Maßnahme zur Verteidigung in der lokalen Betriebsprüfung einer fundierten Begründung der Anpassung dem Grunde und der Höhe nach. Im Übrigen erscheint es zumindest im Einzelfall auch möglich zu argumentieren, dass Lohn- und Auftragsfertiger (beispielsweise in Italien) im Zuge der Abschottung der Länder oder im Shutdown ihren Verpflichtungen unter dem jeweiligen Lohn- oder Auftragsfertigervertrag schlichtweg nicht nachgekommen sind. Hier stellt sich die Frage, ob durch den Entrepreneur überhaupt eine Vergütung geschuldet wird. Diese Frage sollte jedoch nicht allein auf Basis der vertraglichen Grundlagen beurteilt werden, sondern insbesondere auch unter Berücksichtigung der konkreten Funktionsprofile der betroffenen Einheiten.

Losgelöst von der aktuellen Gewinnsituation auf Ebene der lokalen Einheiten raten wir dringend dazu, im Einzelfall zu prüfen, ob die Ergebnissituation vor dem Hintergrund der geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen und den tatsächlichen Funktionsprofilen der betroffenen Einheiten fremdüblich ist. Sprechen Sie uns gerne an.

Umstellungen in der Wertschöpfungskette

Einige Unternehmen haben bereits erste Konsequenzen aus der aktuellen Krise für ihren globalen Production Foot Print gezogen. So beobachten wir einen Trend weg von spezialisierten, lokalen Produktionseinheiten hin zur umfassenden lokalen Produktionskapazität bzw. zumindest zum Aufbau paralleler Strukturen für wichtige Produktionsschritte. Ziel ist es, die Abhängigkeit von einzelnen Standorten zu verringern und die Lieferzuverlässigkeit zu steigern. Es ist zu erwarten, dass die OEMs zukünftig verstärkt von ihren Lieferanten nicht nur – wie bereits heute oftmals der Fall – mindestens zwei getrennte Produktionseinrichtungen verlangen werden, sondern auch eine regionale Aufteilung der Produktionsaktivitäten.

Die einhergehenden Verrechnungspreisfragestellungen sind komplex und betreffen neben der laufenden Vergütung der involvierten Einheiten insbesondere mögliche Umstellungsrisiken. Dem Grunde nach wird oftmals von einer aus Sicht des Fremdvergleichs ausgleichpflichtigen Funktionsverlagerung oder zumindest dem Übergang immaterieller Wirtschaftsgüter und insbesondere von Geschäftschancen auszugehen sein. Aufgrund des externen Anstoßes für die Umstellung der Wertschöpfungskette wird es hierbei jedoch im Rahmen der Bewertung mit Blick auf die „options realisticly available“ zu geringeren Bewertungen kommen als bei einer proaktiven Verlagerung im Vorkrisenszenario. Zumindest für Unternehmen, die sich bereits vor der aktuellen Krise mit Umstellungen in ihren Wertschöpfungsketten beschäftigt haben, mag somit trotz aller negativen Aspekte der Krise zumindest in diesem Punkt auch eine Chance liegen.

Gerne diskutieren unsere Verrechnungspreisexperten die vorgenannten und weitere Aspekte (siehe nachfolgendes Schaubild) der COVID-19 Krise mit Ihnen. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

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[1] Die Verfasser sind sich der tatsächlichen Komplexität und praktischen Herausforderungen im Rahmen des Aufsetzens und der Durchführung eines international konsistenten Verrechnungspreissystems sehr wohl bewusst. Die Rückbesinnung auf die Grundidee bestehender Verrechnungspreisstrukturen ist lediglich der Einstieg in die Beurteilung der aktuellen Herausforderungen im Einzelfall.

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