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Umsatzsteuer aktuell

Kann eine Tochtergesellschaft eine feste Niederlassung sein?

Benjamin Bergau Benjamin Bergau

Mit seinem Urteil vom 7. April 2022 in der Rechtssache Berlin Chemie AG (C-333/20) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt, dass eine ausländische Tochtergesellschaft, die mit ihrer personellen und sachlichen Ausstattung Dienstleistungen an ihre Muttergesellschaft erbringt, jedenfalls im Hinblick auf diese Leistungen nicht gleichzeitig feste Niederlassung der Muttergesellschaft im Ausland sein kann.

Dem EuGH-Urteil liegt ein Vorabentscheidungsersuchen des Berufungsgerichts in Rumänien zugrunde. In dem Urteilsfall hält die Berlin Chemie AG mit Sitz in Deutschland 95 Prozent der Anteile an einer GmbH mit Sitz in Deutschland, die wiederum zu 100 Prozent an einer Gesellschaft mit Sitz in Rumänien beteiligt ist. Die rumänische Tochtergesellschaft erbrachte vertriebsunterstützende Dienstleistungen unmittelbar an die Berlin Chemie AG, die unter anderem in Rumänien Pharmaprodukte vertreibt. Hierzu stellte die rumänische Gesellschaft der Berlin Chemie AG ihre technische und personelle Ausstattung zur Verfügung. Die Berlin Chemie AG war einzige Kundin der rumänischen Tochtergesellschaft.

Die rumänische Finanzverwaltung war der Ansicht, dass die rumänische Tochtergesellschaft eine feste Niederlassung der Berlin Chemie AG begründe und die konzerninternen vertriebsunterstützenden Dienstleistungen der Tochter der rumänischen Umsatzsteuer unterlägen. Das Berufungsgericht in Rumänien hatte hieran Zweifel und legte dem EuGH entsprechende Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Zuvor hatte der EuGH unter anderem in den Rechtssachen Welmory (C-605/12) und Dong Yang (C-547/18) festgestellt, dass die personelle und sachliche Ausstattung einer Tochtergesellschaft in bestimmten Ausnahmefällen durchaus einer ausländischen Muttergesellschaft zuzurechnen sein kann. Diese Fälle waren jeweils so gelagert, dass eine Muttergesellschaft im Grunde so unmittelbar über die personelle und sachliche Ausstattung der Tochter verfügen konnte, als wären es ihre eigenen (beispielsweise auf der Grundlage von Dienstleistungs- oder Mietverträgen, durch die diese Ausstattung zur Verfügung gestellt wird und die nicht kurzfristig gekündigt werden können).

Die in diesen Rechtssachen entwickelten Grundsätze hat der EuGH auch in Berlin Chemie AG bestätigt. Das Gericht betont jedoch vorliegend, dass die personelle und technische Ausstattung, mit der die rumänische Tochtergesellschaft ihre vertriebsunterstützenden Dienstleistungen an die Muttergesellschaft (als einzige Kundin) erbringt, dieser Muttergesellschaft nicht gleichzeitig eine feste Niederlassung für den Bezug derselben Dienstleistung in Rumänien verschaffen kann.

Praxishinweis

Diese Rechtsansicht ist sehr zu begrüßen. Die Anknüpfung des Leistungsortes an eine feste Niederlassung soll nämlich die Besteuerung der zugrunde liegenden Umsätze am Ort des tatsächlichen Verbrauchs einer Leistung verwirklichen. Sofern die deutsche Muttergesellschaft die Lieferungen von Waren in Rumänien ausführt und entsprechende Verträge mit ihrer eigenen personellen und sachlichen Ausstattung in Deutschland schließt, dürfte der tatsächliche Verbrauch der vertriebsunterstützenden Dienstleistungen in Deutschland anzunehmen sein.

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