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Ukraine-Krieg: Unternehmensbewertung unter Unsicherheit

Stefanie Duch Stefanie Duch

Am 24. Februar 2022 begann mit dem durch Russland verursachten Krieg in der Ukraine ein globales Ereignis, das mittelbar wie unmittelbar weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft hat und somit auch die Bewertung von Unternehmen beeinflussen wird. Die große wirtschaftliche Unsicherheit führte direkt nach Ausbruch des Krieges zu einem flächendeckenden Einbruch der Börsenkurse. Durch die gegenüber Russland international verhängten Sanktionen brachen unter anderem Lieferketten ein und zahlreiche Unternehmen beendeten ihre Geschäftstätigkeiten. Die Dauer der kriegerischen Auseinandersetzungen sowie eine mögliche Verschärfung der wirtschaftlichen Konsequenzen lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzen.

Der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat mit seinem fachlichen Hinweis „Auswirkungen von Russlands Krieg gegen die Ukraine auf Unternehmensbewertungen“ vom 20. März 2022 zur aktuellen Situation Stellung genommen und stellt dar, welche Aspekte zukünftig bei Unternehmensbewertungen zu berücksichtigen sind.

Abgrenzend weist der FAUB zunächst darauf hin, dass die nach fundamentalanalytischen Bewertungsmethoden ermittelten Zukunftserfolgswerte von Unternehmen von den Kursen börsennotierter Gesellschaften zu unterscheiden sind. Solche auf Basis fundamentaltanalytischen Bewertungsmethoden (wie beispielsweise dem Ertragswert- oder DCF-Verfahren) ermittelte Unternehmenswerte bilden regelmäßig die Grundlage für unternehmerische Entscheidungen im Rahmen von Kapitalmaßnahmen oder M&A-Transaktionen, sie werden beispielsweise für Impairment-Tests verwendet oder im Rahmen von gutachtlichen Bewertungen angewendet.

Abbildung von Unsicherheit

Bei der Durchführung von Unternehmensbewertungen auf Basis von Zukunftserfolgswertverfahren spiegelt sich Unsicherheit insbesondere an zwei Stellen des Bewertungskalküls wider: Zum einen in den Erwartungen künftiger finanzieller Überschüsse und zum anderen in der hierzu äquivalent anzusetzenden Risikoprämie des Kapitalisierungszinssatzes. Die Risikoprämie ist die Prämie, die Investoren für die Übernahme von Risiko beziehungsweise Unsicherheit fordern.

Neben dem Stichtagsprinzip bezieht sich der aktuelle fachliche Hinweis des FAUB daher im Wesentlichen auf die Auswirkungen des Kriegs auf die Ermittlung der finanziellen Überschüsse und der Kapitalkosten.

Stichtagsprinzip

Bei der Ermittlung von Zukunftserfolgswerten ist die Unternehmensbewertung zeitpunktbezogen auf den Bewertungsstichtag zu ermitteln. Folglich werden nur Informationen berücksichtigt, die zum Bewertungsstichtag bereits vorlagen (IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 i.d.F. 2008), Tz. 22 f.).

Bei Bewertungen mit einem Stichtag bis einschließlich 23. Februar 2022 finden daher gemäß des Stichtagsprinzips die Folgen des Russland-Ukraine-Krieges entsprechend keine Berücksichtigung.

Für Bewertungen mit einem Stichtag nach dem 23. Februar 2022 gilt es hingegen die mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen des Krieges auf die Ertragslage des zu bewertenden Unternehmens einzelfallspezifisch zu beurteilen.

Ermittlung finanzieller Überschüsse

Unsicherheiten für die Ableitung finanzieller Überschüsse bestehen insbesondere in Bezug auf die Dauer und das Ausmaß der durch den Krieg ausgelösten Effekte: Zum einen hinsichtlich der zeitlichen Dauer und des Ausmaßes der bereits ausgelösten Handels- und Kapitalmarktbeschränkungen sowie zum anderen hinsichtlich des zeitlichen Ansatzes und der Ausprägungen einer anschließend anzunehmenden Normalisierung in einer „Nach-Ukraine-Kriegs-Zeit“.

Neben den Auswirkungen bei direkten Engagements in den Kriegsgebieten (zum Beispiel im Fall von Beteiligungen oder Produktionsstätten in Russland oder der Ukraine) und bei direkten Geschäftsbeziehungen im Bereich der Absatz- oder Beschaffungsmärkte sind auch indirekte Implikationen auf die Ertragsaussichten (beispielsweise aufgrund steigender Rohstoff- und Energiepreise, durch Lieferkettenproblematiken oder durch ein verändertes Konsumentenverhalten) individuell zu ermitteln und zu berücksichtigen.

Auch langfristig können sich Auswirkungen auf die Planung der finanziellen Überschüsse ergeben, wenn beispielsweise aufgrund von durch den Russland-Ukraine-Krieg ausgelösten Veränderungen (zum Beispiel in Bezug auf Lieferketten) sich die langfristige wirtschaftliche Situation nach dem Russland-Ukraine-Krieg anders darstellt als vor dem Krieg. Aufgrund der unvorhersehbaren Entwicklung des Ukraine-Krieges und der daraus resultierenden wirtschaftlichen Veränderungen sind gemäß der Empfehlung des FAUB insbesondere (aber nicht ausschließlich) vor dem 24. Februar 2022 entstandene Planungen und Geschäftsmodelle gesamthaft zu analysieren; vor allem auch im Hinblick auf ihre Gültigkeit nach Beendigung des Krieges.

Der FAUB empfiehlt, der erhöhten Unsicherheit durch Szenario-Analysen zu begegnen.

Die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges werden bei einer Vielzahl von Unternehmen zu veränderten Zukunftseinschätzungen für Bewertungsstichtage nach dem 23. Februar 2022 führen. In Bezug auf die für eine Bewertung notwendige Planungsaktualität führt der FAUB aus, dass aufgrund der Unsicherheiten und der sich verändernden Rahmenbedingungen die Abschätzung der Effekte und die Ableitung der zukünftigen finanziellen Überschüsse der erwarteten dynamischen Entwicklung gerecht wer-den muss. In Unternehmen etablierte Planungsabläufe werden diese Dynamik in vielen Fällen nicht oder nicht kurzfristig abbilden können. Bilden Unternehmensplanungen, die einer Unternehmensbewertung zu Grunde gelegt werden sollen, die aktuellen Rahmenbedingungen und Erwartungen (noch) nicht ab, so sind diese, wie der FAUB betont, entweder durch das Unternehmen oder durch den Bewertungsgutachter anzupassen.

Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes

Zusätzlich geht der Hinweis des FAUB auf mögliche Auswirkungen auf die Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes ein und stellt zusammenfassend fest, dass eine Anpassung der Ermittlung der Risikoprämie des Kapitalisierungszinssatzes aufgrund des Ukraine-Krieges nicht vorzusehen ist.

Aufgrund der langfristigen Ausrichtung der verwendeten Zukunftserfolgswertverfahren sollten auch die für die Bemessung des Kapitalisierungszinssatzes heranzuziehenden Kapitalmarktdaten langfristig beurteilt werden und kurzfristige Ausschläge keine Berücksichtigung finden. Daher empfiehlt der FAUB weiterhin, eine Orientierung des Kapitalisierungszinssatzes an langfristigen Analysen von durchschnittlichen Markt-renditen, die der FAUB in einer Bandbreite von 7,0 bis 9,0 Prozent (nach Unternehmenssteuern und vor persönlichen Steuern) sieht. Auch in Bezug auf die bestehende Empfehlung des FAUB zur Marktrisikoprämie sieht der FAUB vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Krieges keinen Änderungsbedarf und empfiehlt, diese weiterhin in einer Bandbreite von 6,0 bis 8,0 Prozent (nach Unternehmenssteuern und vor persönlichen Steuern) anzusetzen. Diese Bandbreite liegt nach Einschätzung des FAUB am oberen Rand der Bandbreite historisch messbarer Marktrisikoprämien.

Aufgrund steigender Rohstoff- und Energiepreise können sich Auswirkungen auf die Inflation und somit auch auf risikofreie Renditen ergeben. Vor diesem Hintergrund weist der FAUB zusätzlich darauf hin, dass die Auswirkungen auf den Basiszinssatz, die Fremdkapitalkosten sowie den Wachstumsabschlag weiter zu verfolgen seien.

Abschließend empfiehlt der FAUB, die erhöhte Unsicherheit in der aktuellen Situation in der Planung zu berücksichtigen und nicht durch pauschal erhöhte Risikoprämien im Kapitalisierungszinssatz abzubilden.

Quelle: IDW (2022) - Fachlicher Hinweis des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB): Auswirkungen von Russlands Krieg gegen die Ukraine auf Unternehmensbewertungen

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