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Internationales Steuerrecht

Urteil zur passiven Entstrickung nach dem AStG

Hintergrund: Das Finanzgericht (FG) Köln hat mit seinem Urteil vom 17. Juni 2021 festgestellt, dass eine passive Entstrickung nach § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 Außensteuergesetz (AStG) im Veranlagungszeitraum 2013 durch das Inkrafttreten des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit Spanien am 1. Januar 2013 unionsrechtswidrig ist.

Durch das Inkrafttreten des Artikel 13 Absatz 4 OECD-Musterabkommen in verschiedenen deutschen DBA bleibt es grundsätzlich bei der bis dahin geltenden Regelung des Artikel 13 OECD-MA, die das Besteuerungsrecht für die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zuordnet. Zusätzlich wurde von Deutschland in verschiedenen DBA, unter anderem auch mit Spanien, eine Sonderregelung für Immobilienkapitalgesellschaften eingeführt. Danach darf der Belegenheitsstaat des Immobilienvermögens vorrangig besteuern, wenn der Wert der Gesellschaft zu irgendeinem Zeitpunkt in den 365 Tagen vor der Veräußerung zu mehr als 50 Prozent aus unbeweglichem Vermögen bestanden hat. Nach Klarstellung des BMF mit Schreiben vom 26. Oktober 2018 führt dies auch ohne Handlung des Steuerpflichtigen zu einer passiven Entstrickung, da der Tatbestand des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 AStG, § 4 Absatz 1 Satz 3 EStG, § 12 Absatz 1 KStG infolge der erstmaligen Anwendbarkeit eines neu abgeschlossenen oder revidierten DBA verwirklicht wird.

Unionsrechtswidrigkeit: Das FG Köln geht in seinem Urteil nicht darauf ein, ob eine passive Entstrickung nach § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 AStG durch Abschluss eines geänderten DBA ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen bewirkt werden kann und ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist. Jedoch stellt das Gericht fest, dass die Annahme einer passiven Entstrickung im Zeitpunkt der erstmaligen Anwendbarkeit des geänderten DBA-Spanien am 1. Januar 2013 aufgrund der noch nicht eingeführten Stundungsregelung in § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 4 AStG europarechtswidrig und insoweit aufgrund des europarechtlichen Anwendungsvorrangs nicht wirksam sei. Die rückwirkend eingeführte Stundungsregelung zur Heilung des europarechtlichen Verstoßes scheitert dem FG Köln zufolge, da § 21 Absatz 23 AStG eine Nichtentrichtung der „geschuldeten Steuer“ verlangt. Im Streitfall lag jedoch bei Einführung der Stundungsregelung zum 31. Dezember 2014 keine geschuldete Steuer vor, da die auf den (vermeintlichen) Entstrickungsvorgang entfallende Steuer zu diesem Zeitpunkt nicht festgesetzt war. Selbst wenn man von der Heilung des europarechtlichen Verstoßes durch die Anwendung der rückwirkenden Stundungsregelung ausginge, würde dies nach dem Urteil des FG Köln eine nach verfassungsrechtlichen Maßstäben unzulässige echte Rückwirkung darstellen. Denn ein später verabschiedetes Gesetz würde in einen bereits abgeschlossenen Veranlagungszeitraum und Steuerfestsetzung eingreifen.

Ausblick

Das Urteil bietet eine gute Grundlage, um in den Altfällen gegen eine passive Entstrickung durch das Inkrafttreten des DBA-Spanien 2011 und vergleichbarer DBA zu argumentieren. Allerdings hat die Finanzverwaltung Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) (Aktenzeichen I R 32/21) gegen das Urteil des FG Köln eingelegt. Ausführungen des BFH dazu, ob eine passive Entstrickung ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen bewirkt werden kann und ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist, sind auch dort eher nicht zu erwarten, da die Revision nicht auf der Würdigung des Tatbestands beruht. Auf die grundsätzlich wünschenswerte höchstrichterliche Klärung dieses Aspekts wird man daher wohl weiter warten müssen.

 

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