Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens festgestellt, dass die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch eine Kommune nicht als Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) zu beurteilen ist, wenn für die Nutzung der Einrichtungen (nur) von den Besuchern der Kommune eine Kurtaxe erhoben wird.

Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verpflichtung zur Bezahlung der Kurtaxe aufgrund einer kommunalen Satzung nicht an die Nutzung der Anlagen, sondern an den Aufenthalt in jener Kommune geknüpft ist und die Kureinrichtungen für jeden unentgeltlich zugänglich sind.

Bislang war nach deutschem Recht eine anteilige Zuordnung von Kureinrichtungen zum Unternehmensvermögen der Kommune und ein entsprechender anteiliger Vorsteuerabzug möglich, wenn eine Sondernutzung durch Kurgäste vorlag und die Nutzung der Einrichtungen durch die Allgemeinheit ausgeschlossen war.

Die Entscheidung des EuGH beruht auf einer Vorabentscheidungsfrage des Bundesfinanzhofs (BFH). Im ursprünglichen Klageverfahren hatte ein staatlich anerkannter Luftkurort in Baden-Württemberg seine Kurverwaltung als Eigenbetrieb unterhalten. Dieser ist bei der Kommune ein Betrieb gewerblicher Art. Die Gemeinde erhob aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe für die Herstellung und Unterhaltung der zu Kur- und Unterhaltungszwecken bereitgestellten Einrichtungen und durchgeführten Veranstaltungen.

Kurtaxepflichtig waren:

  • ortsfremde Personen, die sich in der Gemeinde aufhalten und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen und zur Teilnahme an den betroffenen Veranstaltungen möglich ist sowie
  • Einwohner der Gemeinde, die den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen in einer anderen Gemeinde haben und
  • ortsfremde Personen, die sich aus beruflichen Gründen zur Teilnahme an Tagungen oder sonstigen Veranstaltungen in der Kommune aufhalten.

Nicht erhoben wurde die Kurtaxe von Tagesgästen oder von Einwohnern anderer Kommunen, die in der betroffenen Gemeinde lediglich arbeiten.

Die Kommune finanzierte mit den Einnahmen aus der Kurtaxe die Herstellung, den Unterhalt und die Sanierung unter anderem des Kurparks, des Kurhauses und von Wegen (Kureinrichtungen). Die Kureinrichtungen waren für jedermann frei zugänglich, eine Kurkarte war zum Eintritt nicht erforderlich. Die Kommune behandelte die Einnahmen aus Kurtaxe als Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit, nämlich den Kurbetrieb, und begehrte entsprechend den Abzug der Vorsteuer aus allen mit dem Fremdenverkehr zusammenhängenden Eingangsleistungen.

Nach erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren bei der zuständigen Finanzbehörde erhob die Kommune Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg. Dieses urteilte, dass ein Vorsteuerabzug im konkreten Fall nicht möglich sei, da es an einer unternehmerischen Tätigkeit der Kommune im Kontext mit dem Betrieb von Kureinrichtungen fehle. Gegen diese Entscheidung legte die Kommune Revision vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ein.

Der BFH wollte mit der Vorlagefrage insbesondere geklärt wissen, ob bei Zahlung einer Kurtaxe ein Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuerrechts vorliegt und die Gemeinde überhaupt als Unternehmer handelt, wenn die Kureinrichtungen unentgeltlich auch von Personen genutzt werden können, die keine Kurabgabe zahlen.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH stellte fest, dass eine Entgeltlichkeit im Sinne des Steuerrechts nur dann vorliegt, wenn ein Rechtsverhältnis gegeben ist, in dessen Rahmen Leistungen ausgetauscht werden. Hier müsse die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für eine dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung darstellen. Erforderlich hierfür sei, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da die Kureinrichtungen von jedermann genutzt werden können und eben nicht nur von denjenigen Personen, die zur Zahlung der Kurtaxe verpflichtet werden. Nach der zugrundliegenden kommunalen Satzung hängt die Pflicht zur Entrichtung der Kurtaxe nicht von der Nutzung der bereitgestellten Kureinrichtungen ab, sondern vom Aufenthalt im Gemeindegebiet. So sind Besucher, die sich in der Gemeinde aufhalten, auch dann verpflichtet, dieses Entgelt zu bezahlen, wenn sie sich aus einem anderen Grund als der Nutzung der Kureinrichtungen in der Kommune aufhalten, wie beispielsweise dem Besuch von dort wohnenden Personen. Zwar haben die Personen, die Kurtaxe entrichten, grundsätzlich die Möglichkeit, die Kureinrichtungen zu nutzen, allerdings sind diese Einrichtungen für jedermann, auch für Einwohner oder Tagesgäste, frei und unentgeltlich zugänglich, unabhängig davon, ob die betreffende Person zur Zahlung der Kurtaxe verpflichtet ist oder nicht. Somit haben die Kurtaxeschuldner keine anderen Vorteile als Personen, die diese Kureinrichtungen benutzen und nicht kurtaxepflichtig sind.

Folglich stellt der EuGH fest, dass es sich bei der Bereitstellung von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde nicht um eine „Dienstleistung gegen Entgelt“ im Sinne der MwStSystRL handelt, wenn die Gemeinde von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten, aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebt, wobei die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Taxe nicht an die Nutzung dieser Einrichtungen, sondern an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist und diese Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.

Mangels Leistungsaustausch ist im vorliegenden Fall keine unternehmerische Tätigkeit der Gemeinde gegeben und ein Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen betreffend die Kureinrichtungen nicht möglich.