Ein Wirtschaftsbündnis aus Verbänden und Unternehmen fordert die Angleichung des deutschen Erhebungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer an den EU-Standard. Unsere Gastautorin Jutta Knell beleuchtet die Vorteile dieser Vereinfachung für Branchenunternehmen

Nach der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie können die Mitgliedstaaten der EU Erleichterungen bei der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer dahingehend gewähren, dass die Einfuhrumsatzsteuer nicht bereits zum Zeitpunkt der Wareneinfuhr zu entrichten ist, sondern erst im Zuge der Umsatzsteuer-Voranmeldung verrechnet wird. Von diesem sogenannten Verrechnungsmodell machen faktisch alle EU-Mitgliedstaaten Gebrauch, während solche Erleichterungen in Deutschland bisher nicht gewährt werden.

In Deutschland muss ein Unternehmen aktuell bei der Einfuhr von Drittlandswaren in das Unionsgebiet über eine deutsche Zollgrenzstelle in jedem Fall die Einfuhrumsatzsteuer beim Zoll entrichten. Im weit überwiegenden Regelfall wird sie anschließend als abzugsfähige Vorsteuer im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung berücksichtigt und durch die Landesfinanzverwaltung zu einem späteren Zeitpunkt erstattet. Das Unternehmen muss zunächst Zahlungen leisten und dann einen Antrag auf Erstattung stellen. Dies führt zu Abfluss von Liquidität, Kosten für die Zwischenfinanzierung und zu Bürokratiekosten für das Erstattungsverfahren.

Dagegen kann ein deutscher Importeur Einfuhren aus dem EU-Ausland zum Beispiel über die niederländische Grenze unter Einschaltung eines niederländischen Fiskalvertreters ohne Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer vornehmen. So geht die zu entrichtende Einfuhrumsatzsteuer lediglich in die Umsatzsteuer-Voranmeldung ein und kann sofort als Vorsteuer abgezogen werden. Die Liquidität bleibt beim Unternehmen.

Die Einführung des Fristenmodells als erster wichtiger Schritt

Während der Corona-Pandemie hatten Bund und Länder im Zuge des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes zur Freisetzung von Liquidität die kurzfristige Einführung des sogenannten Fristenmodells beschlossen. Das Modell sieht die Verschiebung der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer um einige Wochen vor und nähert Deutschland den in den meisten EU-Ländern angewandten Prozessen etwas an. Daher hat der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik die Einführung des Fristenmodells als ersten wichtigen Schritt zur weiteren Optimierung des Erhebungsverfahrens zur Einfuhrumsatzsteuer begrüßt.

Das Verrechnungsmodell: „Konkurrenzlos“

Jedoch muss das Verrechnungsmodell, bei dem kein Liquiditätsabfluss entsteht und der bürokratische Aufwand minimiert wird, das Ziel bleiben. Denn beim Verrechnungsmodell entrichten vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen die fällige Einfuhrumsatzsteuer nicht mehr unmittelbar an den Zoll, sondern melden die Steuer in der Umsatzsteuer-Voranmeldung an und können sie sofort in derselben Umsatzsteuer-Voranmeldung als Vorsteuer abziehen, so dass es zu keinem Zahlungsfluss für eine Rückerstattung kommt. Dadurch käme es zu einer vollständigen Entlastung von Zwischenfinanzierungslösungen und zu einer gleichen Wettbewerbssituation mit anderen EU-Staaten.

Nur durch das Verrechnungsmodell kann der Wettbewerbsnachteil, der durch die Nicht-Anwendung einer Direktverrechnung besteht, wirklich ausgeräumt werden. Zu diesem Schluss kommt auch die vom Deutschen Maritimen Zentrum (DMZ) beauftragte Studie „Evaluierung des Erhebungsverfahrens zur Einfuhrumsatzsteuer“, deren Ergebnisse im März 2023 vorgestellt worden sind. Der Vergleich zwischen dem in Deutschland und den in europäischen Staaten mit relevanten Seehäfen (Belgien, Niederlande, Frankreich, Slowenien, Polen, Italien und Griechenland) geltenden Steuer-Modellen hat ergeben, dass das von Deutschland angewandte Erhebungserfahren - selbst nach Einführung des seitdem geltenden Fristenmodells – die Wettbewerbsfähigkeit des Hafen- und Logistikstandortes Deutschlands negativ beeinflusst, der Importwirtschaft Liquidität entzieht und deshalb dringend an den europäischen Standard angepasst werden muss.

Was die Politik tun kann

Bei der Einführung des Fristenmodells hatten Bund und Länder beschlossen, dass das Bundesfinanzministerium im Jahr 2023 die Einführung des Fristenmodells unter Einbeziehung der Ergebnisse der DMZ-Studie evaluieren und bis Ende März 2024 einen Bericht vorlegen solle.

Ein breites Bündnis aus Wirtschaftsverbänden, unter anderem der DSLV und Unternehmen aus Industrie, Handel und Logistik hat in einem Schreiben vom 23. Mai 2023 von den deutschen Finanzministern dringend weitere Reformen bei der Einfuhrumsatzsteuer zur Entlastung von Unternehmen und Verwaltungen angemahnt. Auch in Deutschland muss endlich ein deutsches Modell der Direktverrechnung umgesetzt werden. Dadurch könnten Kosten für Wirtschaft und Verwaltung weiter gesenkt und der Anreiz für Importeure gestärkt werden, Seehäfen und Flughäfen in Deutschland zu nutzen. Logistikzentren sowie Niederlassungen von Dienstleistern und weiterverarbeitenden Unternehmen würde das Verrechnungsmodell neue Anreize bieten, sich verstärkt in Deutschland anzusiedeln. Mit dem Verrechnungsmodell können zudem Einnahmen der öffentlichen Hand und die ökologische Bilanz von Güterströmen verbessert werden.