Der BFH stellt sich gegen den eindeutigen Willen des Gesetzgebers, Bruchteilsgemeinschaften unter den Unternehmerbegriff im Sinne des Umsatzsteuergesetzes zu fassen. Was diese Sichtweise für die Praxis bedeutet.

Unsicherheit bei Bruchteilsgemeinschaften

Lange Zeit herrschte Unsicherheit darüber, ob Bruchteilsgemeinschaften Unternehmer im Sinne des § 2 Absatz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sein können. Im Jahr 1993 bejahte der Bundesfinanzhof (BFH) diese Frage zunächst. Mit Urteilen aus den Jahren 2018 (Urteil vom 22. November 2023 (Aktenzeichen V R 65/17)) und 2020 (Urteil vom 7. Mai 2020 (Aktenzeichen V R 1/18)) wendete sich der V. Senat des BFH von dieser Ansicht jedoch ab. Mangels zivilrechtlicher Rechtsfähigkeit könne auch keine umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft einer Bruchteilsgemeinschaft vorliegen.

Diese Rechtsprechungsänderung stieß in der Literatur und Praxis in den folgenden Jahren auf deutliche Kritik. Auch die Finanzverwaltung tat sich damit schwer. Sie führt nach wie vor unter Abschnitt 2.1 Absatz 2 Satz 2 im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) aus, dass auch eine Bruchteilsgemeinschaft Unternehmer sein könne. Ferner wurden die bereits erwähnten Urteile des V. Senats des BFH aus dem Jahr 2018 und 2020 nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Auch der Gesetzgeber hielt sich bis zum Jahressteuergesetz 2022 zu der Thematik bedeckt.

Gesetzesänderung zur Bruchteilsgemeinschaft seit 1. Januar 2023 in Kraft

Eine zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene Änderung des Umsatzsteuergesetzes sollte bewirken, dass eine Bruchteilsgemeinschaft wieder als Unternehmer erfasst sein soll. Die Unternehmereigenschaft im Sinne des Umsatzsteuerrechts soll danach unabhängig davon bestehen, ob der Handelnde nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. In der Gesetzesbegründung (BTDrucksache 20/4729 S. 60 und 150) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Unternehmer daher auch eine nicht rechtsfähige Personengemeinschaft sein kann (so zum Beispiel eine Bruchteilsgemeinschaft). Die Gesetzesänderung dient dazu, der Rechtsprechung des V. Senats des BFH aus den Jahren 2018 und 2020 zu begegnen. Die neue Fassung des § 2 Absatz 1 UStG steht nun dem Wortlaut und Sinn des Abschnitt 2.1 Abs. 1 UStAE gleich.

Aktuelles Urteil des V. Senats des BFH zur Bruchteilsgemeinschaft (V B 44/22)

Mit seinem aktuellen Urteil bestätigt der V. Senat des BFH seine Entscheidungen aus den Jahren 2018 und 2020. Hierbei stellte er abermals fest, dass eine Bruchteilsgemeinschaft kein Unternehmer im Sinne des § 2 Absatz 1 UStG sein kann. In dieser Rechtsprechung sieht er sich zudem vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) bestätigt (Urteil vom 16. Februar 2023 (Rechtssache C-519/21)). Der EuGH stellt bei der Frage nach dem Leistungserbringer darauf ab, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit

  • im eigenen Namen,
  • für eigene Rechnung,
  • in eigener Verantwortung ausübt und
  • das mit dieser Tätigkeit einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt.

Der V. Senat des BFH führt an, dass eine Bruchteilsgemeinschaft im Gegensatz zu ihren Teilhabern (Miteigentümern), die diese Gemeinschaft bilden, weder in der Lage ist, eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung auszuüben noch sie ein mit dieser Tätigkeit einhergehendes wirtschaftliches Risiko tragen kann. Sie erfüllt damit die Kriterien des Leistungserbringers nicht.

Auch wenn im zugrundeliegenden Sachverhalt die Gesetzesänderung aufgrund des Streitjahres 2015 noch keine Anwendung findet, bezieht der BFH hierzu ungewöhnlich klar Stellung.  Er führt aus, dass im Hinblick auf die richtlichtlinienkonforme Auslegung auch der neu eingeführte Zusatz „unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist“ durch das Jahressteuergesetz 2022 an der ausgeführten Bewertung für aktuelle Fälle nichts ändert.

Praxis: Umsatzsteuerliche Behandlung von Bruchteilsgemeinschaften

Durch das aktuelle Urteil des V. Senats des BFH entfacht erneut die Diskussion um die umsatzsteuerliche Behandlung von Bruchteilsgemeinschaften. Unter Verweis auf die richtlinienkonforme Auslegung stellt sich der V. Senat des BFH gegen den eindeutigen Willen des Gesetzgebers, diese Gemeinschaften unter den Unternehmerbegriff nach § 2 Absatz 1 UStG fassen zu können. Die damit verbundenen Auswirkungen hinsichtlich der Formalität der Rechnung, der Vorsteuerberechtigung, der Vorsteuerkorrektur nach § 15a Abs. 1 UStG und der Anwendung von § 14c Absatz 2 UStG sowie die Vervielfachung der Kleinunternehmereigenschaft sind jedoch nicht unerheblich.