Die Finanzverwaltung hat am 16. Oktober 2023 neue gleichlautenden Ländererlasse bei so genannten share deals veröffentlicht. Welche Gefahren und Fallstricke durch die doppelte Zurechnung von Grundbesitz entstehen können, lesen Sie im folgenden Beitrag.
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Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierungen und Anteilsübertragungen

Bei Umstrukturierungen und Anteilsübertragungen in mehrstufigen Unternehmensstrukturen hat die Grunderwerbsteuer regelmäßig einen entscheidenden Einfluss. Hintergrund ist, dass neben einem Erwerb von Grundstücken (sog. Haupttatbestand) auch der Erwerb und die Übertragung von Gesellschaftsanteilen Grunderwerbsteuer auslösen kann (sog. Ergänzungstatbestand). Entscheidend ist dabei, ob die Gesellschaften, deren Anteile übertragen werden, für grunderwerbsteuerliche Zwecke als sog. grundbesitzende Gesellschaften zu qualifizieren sind. Dafür muss einer solchen Gesellschaft inländischer Grundbesitz „gehören“ bzw. ihr „zuzurechnen“ sein. Wann genau ein Grundstück einer Gesellschaft „gehört“, war in der jüngeren Zeit Gegenstand mehrerer BFH-Entscheidungen.

Ländererlasse zur Zurechnung von Grundstücken zum Gesellschaftervermögen

Die Finanzverwaltung hat anlässlich der kürzlich ergangenen BFH-Rechtsprechung mit Datum vom 16.Oktober 2023 neue gleichlautende Ländererlasse zur Zurechnung von Grundstücken zum Gesellschaftsvermögen bei der Grunderwerbsteuer veröffentlicht. Die neuen Erlasse enthalten insbesondere Aussagen zur (doppelten) Zurechnung von Grundbesitz in mehrstufigen (Konzern-)Strukturen und zur grunderwerbsteuerlichen Würdigung von Anteilserwerben sowohl bei Signing und bei Closing.

Kernaussagen der neuen gleichlautenden Ländererlasse

  • Grundsätze der Zurechnung:
    Maßgebend für die Zurechnung von Grundbesitz bei der Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaften für Zwecke der Grunderwerbsteuer ist nicht das zivilrechtliche oder wirtschaftliche Eigentum der Gesellschaft an dem jeweiligen Grundstück. Vielmehr zählt hier eine spezifische grunderwerbsteuerliche Zurechnung. Dies bedeutet: Ein Blick in das Grundbuch oder die Bilanz der Gesellschaft reicht nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Gesellschaft der Grundbesitz auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer zuzurechnen ist.

  • Zurechnung auf eine Gesellschaft (grundbesitzende Gesellschaft):
    Ein Grundstück ist einer Gesellschaft für Zwecke der Grunderwerbsteuer zuzurechnen, wenn die Gesellschaft zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen Erwerbsvorgang verwirklicht hat, der unter § 1 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG fällt. Dies bedeutet: Eine Gesellschaft, welche ein Grundstück z.B. auf der Basis eines Kaufvertrags von einem Dritten erworben hat, ist als grundbesitzende Gesellschaft zu qualifizieren. Sofern ihre Gesellschaftsanteile übertragen werden, kann dieser Vorgang Grunderwerbsteuer auslösen.

  • Weitere Zurechnung auf eine andere Gesellschaft (Folge: Doppelzurechnung):
    Umstritten war bisher, ob in mehrstufigen Strukturen eine doppelte Zurechnung von Grundbesitz für Zwecke der Grunderwerbsteuer möglich ist. Diese Frage bejaht die Finanzverwaltung nun ausdrücklich.

    Neben der grundbesitzenden Gesellschaft ist das Grundstück nach Ansicht der Finanzverwaltung zusätzlich einer anderen Gesellschaft zuzurechnen, wenn diese Gesellschaft hinsichtlich des Grundstücks zuvor einen Erwerbsvorgang verwirklicht hat, der unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG (sog. share deal) fällt.

    Dies bedeutet: Eine Gesellschaft, welche ein Grundstück z.B. von einem Dritten erworben hat, ist als grundbesitzende Gesellschaft zu qualifizieren (Untergesellschaft). Sofern ihre Gesellschaftsanteile an eine weitere Gesellschaft (Obergesellschaft) übertragen werden, kann dieser Vorgang zum einen Grunderwerbsteuer auslösen. Zum anderen soll dieser Vorgang, sofern er den Tatbestand von § 1 Abs. 3 oder 3a GrEStG verwirklicht, dazu führen, dass das Grundstück in der Folgezeit zugleich der Obergesellschaft zugerechnet wird. Es kommt also zu einer doppelten Zurechnung von Grundbesitz im Rahmen des Grunderwerbsteuerrechts, die es bei weiteren Anteilsübertragungen zu beachten gilt.

  • Doppelte Besteuerung bei Signing-Closing:
    Werden Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften übertragen, kommen für die grunderwerbsteuerliche Würdigung zwei Zeitpunkte in Betracht: der Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Geschäfts (Signing) und der Zeitpunkt des Anteilsübergangs (Closing).

    Sofern Signing und Closing gleichzeitig erfolgen, soll nach Ansicht der Finanzverwaltung lediglich ein Tatbestand erfüllt sein. Es findet demnach grundsätzlich eine einmalige Besteuerung des Anteilserwerbs mit Grunderwerbsteuer statt.

    Sofern das Closing zeitlich nach dem Signing erfolgt, was regelmäßig der Fall sein dürfte, geht die Finanzverwaltung von der Verwirklichung zweier Erwerbsvorgänge aus. Folge dessen ist im Grundsatz eine Doppelbesteuerung. Die Steuerpflichtigen sind für derartige Fälle auf die Regelung des § 16 Abs. 4a GrEStG verwiesen, wonach die (erste) Steuerfestsetzung für das Signing nach dem Closing aufgehoben oder geändert werden kann. Hierzu gilt es insbesondere zu beachten, dass für das Signing eine fristgerechte und vollständige GrESt-Anzeige an das richtige Finanzamt erfolgen muss.

Grundstückzurechnungen in mehrstufigen Strukturen und Betriebsprüfungen

Die Finanzverwaltung wendet ihre Rechtsauffassung aus den gleichlautenden Ländererlassen in allen noch offenen Fällen an. Es ist daher davon auszugehen, dass die Thematik der Grundstückszurechnung in mehrstufigen Strukturen verstärkt Gegenstand von Betriebsprüfungen sein wird. Steuerpflichtigen kann für bereits verwirklichte Anteilsübertragungen nur angeraten werden, die Auswirkungen auf die Grundstückszurechnung nach den Maßstäben der neuen Erlasse zu überprüfen. Für geplante Übertragungen empfehlen wir eine detaillierte Analyse der Beteiligungsstruktur.

Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an.

Aktuelle Beratungshinweise – kurz notiert

  • Verfassungs- und unionsrechtliche Zweifel an der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7ff. AStG bzgl. der Niedrigsteuerschwelle (25%): In seinem Beschluss vom 13.9.2023 (I B 11/22) hat der I. Senat des BFH in einem Aussetzungs-Verfahren in Bezug auf das Streitjahr 2016 insoweit verfassungs- und unionsrechtliche Zweifel an der Hinzurechnungsbesteuerung geäußert. Er äußerte, dass die Niedrigsteuerschwelle von 25 Prozent (§ 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AStG) höher ist als die mögliche niedrigste nationale Gesamtsteuerbelastung von 22,825 Prozent bei unbeschränkter Körperschaftsteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG. Eine Absenkung der Niedrigsteuerschwelle auf 15 Prozent ist erst ab 2024 vorgesehen, so dass wir empfehlen, Bescheide für die Jahre bis 2023, die zu einer Hinzurechnungssteuer führen, offen zu halten.

  • Wachstumschancengesetz-Entwurf: Im Gesetzgebungsverfahren zum Wachstumschancengesetz wurde der Vermittlungsausschuss angerufen (BR-Drucks. 588/23 vom 24.11.2023). Der Bundesrat hat unter anderem bemängelt, dass ein Großteil der finanziellen Lasten von Ländern und Kommunen zu tragen ist. Falls ein zügiges Vermittlungsverfahren gelingt, besteht noch eine Chance der Verabschiedung des Gesetzes in diesem Jahr.