Vor fast genau zwei Jahren haben wir uns schon einmal mit der vorstehenden Frage befasst (siehe Beitrag vom 28. Januar 2022). Jetzt liegt endlich die Begründung des BFH-Urteils vor. Leider bleibt das Gericht hier weiterhin eine eindeutige Antwort schuldig. Vielmehr wirft die Sichtweise des BFH sogar weitere Detailfragen auf.
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Worum geht es?

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte über das vorinstanzliche Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster zu entscheiden, das ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des 90%-Tests als sogenanntem Einstiegstest in die Begünstigungen für betriebliches Vermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer geäußert hatte. Das Bestehen des 90%-Tests ist Voraussetzung dafür, dass Erben, Vermächtnisnehmer und Beschenkte das auf sie übergegangene begünstigte Vermögen nur zu 15% versteuern müssen. Im Umkehrschluss können 85% und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des 20%-Tests ggf. auch 100% des begünstigten betrieblichen Vermögens steuerfrei erworben werden. Die Begünstigungsvorschriften der §§ 13a, 13b ErbStG stellen trotz ihrer Komplexität eine deutliche Steuererleichterung bei Unternehmensnachfolgen dar, weswegen sie zunehmend in der politischen Kritik stehen.

Der 90%-Test gilt als nicht bestanden, wenn die Werte des als schädlich definierten Verwaltungsvermögens 90% oder mehr des Unternehmenswertes ausmachen. Dann ist keine Begünstigung im Erb- oder Schenkungsfall möglich („Fallbeilwirkung“). Wir hatten in unserem früheren Beitrag bereits darauf hingewiesen, dass dem 90%-Test eine Brutto-/Nettobetrachtung zugrunde liegt. Im Zähler sind das als schädlich angesehene Verwaltungsvermögen, insbesondere Finanzmittel, wozu auch Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zählen, vor Verrechnung mit Schulden (brutto) anzusetzen, während im Nenner der Unternehmenswert unter Berücksichtigung von Schulden (netto) angesetzt wird. 

Entscheidung des BFH führt zu weiteren Detailfragen

Im Revisionsverfahren hatte die Klage erneut Erfolg. Die Vorinstanz, das FG Münster, hatte die Anwendung des 90%-Tests auf Fälle, in denen das betreffende Unternehmen dem Hauptzweck nach einer originär gewerblichen Tätigkeit nachgeht, ausgeschlossen. Der BFH hat dieses Urteil jetzt im Kern bestätigt, was grundsätzlich begrüßenswert ist.

Bei näherer Betrachtung der Urteilsgründe ist allerdings festzustellen, dass der BFH – anders als das FG - die Nichtanwendbarkeit des 90% - Tests nicht generell ausschließt, sondern nur eine andere Berechnungsmethode anwendet, nach der für diese Zwecke entgegen dem Gesetzeswortlaut doch eine Schuldenverrechnung zulässig sein soll. Aus den Urteilsgründen ergeben sich daher weitere Detailfragen.

Der Streitfall betraf ein Handelsunternehmen in Form einer Kapitalgesellschaft. In den Urteilsgründen wird durchgängig der Begriff „Handelsunternehmen“ verwendet. Ist die Entscheidung damit auf echte „Handels“-Unternehmen beschränkt? Mit Hinweis auf die Anmerkungen der BFH-Richterin ist das Urteil nicht auf Handelsunternehmen beschränkt, nur weil es sich im Urteilsfall um ein solches handelte.

Spannender ist daher die Frage nach einer Anwendung der Urteilsgrundsätze auf Holdinggesellschaften, die bei isolierter Betrachtung ihrer Hauptzweckbetätigung keiner gewerblichen Tätigkeit nachgehen. Im Ergebnis sollten die Urteilsgründe auch auf Holdinggesellschaften Anwendung finden, da hier richtigerweise auf den Hauptzweck der Tätigkeit der nachgeordneten Gesellschaften abzustellen ist.

Reaktion der Verwaltung abwarten

Die Reaktion der Finanzverwaltung auf dieses Urteil des BFH bleibt abzuwarten. Eine völlige Außerachtlassung des 90%-Tests bei der Planung von Unternehmensnachfolgen wäre sicherlich verfrüht und risikobehaftet. Die Fälle, in denen der 90%-Test knapp oder nicht bestanden wird, sollten mit Einspruch angefochten werden.

 

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