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Beratungspraxis Unternehmenssteuern

„Leitplanken“ für das Unternehmenssteuerrecht

Mit unserer Reihe „Beratungspraxis Unternehmenssteuern“ informieren wir Sie monatlich über aktuelle und praxisrelevante Themen im Bereich des nationalen Ertragsteuerrechts für Personen- und Kapitalgesellschaften. Unsere Ansprechpartner finden Sie unter den Artikeln.

Top-Thema: Positive Entwicklungen bei den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen

Kurzhinweise: Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz / Ertragsteuerliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen / Außerorganschaftliche Mehrabführung / Neuregelung der Vollverzinsung ab dem 1. Januar 2019

Juli 2022: Positive Entwicklungen bei den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in mehreren aktuellen Urteilen die extensive Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen von Miet- und Pachtzinsen zurückgewiesen. Die Finanzverwaltung hat sich dem mit gleichlautenden Erlassen vom 6. April 2022 teilweise angeschlossen und teilweise noch nicht geäußert. Insbesondere folgende Änderungen sind von Bedeutung.

Anmietung von Messestandflächen – Hinzurechnung nur im Ausnahmefall

Ziel der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen ist eine Gewerbesteuerbelastung unabhängig von der Finanzierung des Betriebs durch Eigen- oder Fremdkapital (typisierte Gleichstellung). Daher werden unter anderem in Miet- und Pachtzinsen enthaltene Finanzierungsanteile pauschal dem Gewerbeertrag hinzugerechnet, wenn es sich bei den gemieteten Wirtschaftsgütern um fiktives Anlagevermögen des Mieters handelt, das heißt die überlassenen Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters wären, wenn sie in seinem Eigentum stünden. Die Finanzverwaltung folgt nun der Rechtsprechung des BFH, dass für die Entscheidung, ob fiktives Anlagevermögen vorliegt, eine Einzelfallprüfung anhand des jeweiligen konkreten Geschäftsgegenstands des Mieters vorzunehmen ist.

Im Rahmen einer solchen Einzelfallprüfung hat der BFH mit Beschluss vom 23. März 2022 (Aktenzeichen III R 14/21) entschieden, dass die Kosten für die Anmietung von Messestandflächen bei einem Produktionsunternehmen ohne Direktvertrieb nicht der Hinzurechnung unterliegen (kein fiktives Anlagevermögen). Es sei zu fragen, ob der Geschäftszweck das dauerhafte Vorhandensein von Messestandflächen erfordere, weil der Betrieb sich ohne diese wirtschaftlich nicht sinnvoll ausüben ließe. Im Urteilsfall hat das Gericht dies aufgrund des indirekten Vertriebs über ein stehendes Händlernetz verneint. Der Unternehmer könne vielmehr jedes Jahr neu entscheiden, ob und an welchen Messen er teilnehme. Die Finanzverwaltung hat sich zu diesem Urteil bisher nicht geäußert. Offen bleibt auch, ob nach Auffassung des BFH bei Unternehmen mit (ausschließlichem) Direktvertrieb ggf. fiktives Anlagevermögen anzunehmen ist und Messekosten damit der Hinzurechnung unterfielen. Viele Unternehmen werden jedoch durch Verweis auf vorstehendes Urteil argumentieren können, dass Messekosten nicht der Hinzurechnung unterfallen.

Bauindustrie und Anlagenbau - keine Hinzurechnung von Herstellungskosten, auch bei unterjähriger Veräußerung

Nach Auffassung der Finanzverwaltung unterblieb eine Hinzurechnung bisher, soweit die relevanten Zins- oder Mietaufwendungen am Geschäftsjahresende als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Anlage-/Umlaufvermögens zu aktivieren waren, mithin also den Gewerbeertrag des betreffenden Jahres nicht gemindert haben. Mit dem geänderten Ländererlass wendet die Finanzverwaltung nunmehr die BFH-Rechtsprechung dahingehend an, dass auch dann keine Hinzurechnung erfolgt, wenn zwar grundsätzlich Anschaffungs-/Herstellungskosten vorliegen, die betreffenden Wirtschaftsgüter jedoch bereits unterjährig ausgeschieden sind, also zum Beispiel veräußert wurden. Diese Änderung ist insbesondere für die Bauindustrie und Unternehmen der Langfristfertigung unter anderem im Hinblick auf Bauzeitzinsen sehr zu begrüßen. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Herstellung eines selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens anfallen, sind jedoch aufgrund des steuerlichen Aktivierungsverbotes hinzuzurechnen.

Immobilienmiete oder -pacht - Hinzurechnung auf Mieter umgelegter Grundsteuer

Bestätigt hat der BFH indes die Verwaltungsauffassung, dass der Begriff der Miete/Pacht wirtschaftlich zu verstehen ist. Daher seien nicht nur die (laufenden) Mietzahlungen hinzurechnungspflichtig, sondern auch vom Mieter vertraglich übernommene Aufwendungen, soweit sie nicht ohnehin nach den gültigen zivilrechtlichen Vorschriften vom Mieter zu tragen wären. Dies beruht auf der Vorstellung des Gerichts, dass eine solche „vom gesetzestypischen Normalfall abweichende Kostenübernahme durch den Mieter“ sich typischerweise mindernd auf die Miet-/Pachthöhe auswirkt. Konkret entschieden hat der BFH, dass auf den Mieter/Pächter umgelegte Grundsteuer der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegt. Miet-/Pachtverhältnisse sollten dahingehend überprüft werden.

Praxishinweis

Gewerbesteuerliche Hinzurechnungen können bei Unternehmen mit hohem Fremdkapitaleinsatz beziehungsweise umfangreichen gepachteten/geleasten Wirtschaftsgütern eine erhebliche zusätzliche Steuerbelastung bedingen und in ertragsschwachen Phasen sogar zu einer Substanzbesteuerung führen. Bei betroffenen Kapitalgesellschaften kann ggf. durch deren Umwandlung in eine Personengesellschaft eine Entlastung erreicht werden, weil danach grundsätzlich eine Anrechnung der Gewerbesteuer auf die persönliche Einkommensteuer der als Mitunternehmer beteiligten Inhaber/innen möglich ist. Es ist jedoch immer im Einzelfall die steuerliche Gesamtsituation zu betrachten. Die Experten von Grant Thornton beraten Sie gerne zu steuerlichen Fragen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen und möglichen Gestaltungsoptionen, um diesbezügliche Belastungseffekte zu mindern.

 

Aktuelle Beratungshinweise - kurz notiert

  • Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz: Am 29. Juni 2022 haben Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (beide FDP) ein Eckpunktepapier für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz vorgestellt. Neben finanzmarktrechtlichen Erleichterungen und einer Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts sieht das Eckpunktepapier zur Steigerung der Attraktivität des deutschen Finanzstandorts auch eine Verbesserung der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen vor. Hierzu zählen unter anderem eine Ausweitung des steuerlichen Freibetrags für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen von bisher 1.440 auf 5.000 Euro, eine Einführung eines Freibetrags für im Privatvermögen erzielte Aktienveräußerungsgewinne sowie verbesserte Verrechnungsmöglichkeiten für Verluste aus Aktiengeschäften.
  • Ertragsteuerliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen: Im Rahmen des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften aus Ende 2019 wurde die Vorschrift des § 17 Absatz 2a EStG neu eingeführt, nach der insbesondere der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten im Falle von offenen oder verdeckten Einlagen und bei Darlehensverlusten geregelt wird. Mit BMF-Schreiben vom 7. Juni 2022 hat die Finanzverwaltung nunmehr zahlreiche Anwendungsfragen geklärt. Zur Wirkungsweise der Vorschrift sowie zum Zusammenspiel mit anderen einkommensteuerlichen Regelungen siehe bereits auch unseren Beitrag aus der Reihe Beratungspraxis Unternehmenssteuern vom Februar 2021.
  • Außerorganschaftliche Mehrabführung: Mehrabführungen einer Organgesellschaft an ihren Organträger, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben, unterliegen – anders als organschaftliche Mehrabführungen – als Gewinnausschüttungen der Dividendenbesteuerung. Nach bisheriger Rechtsauffassung der Finanzverwaltung gilt das in gleicher Weise für sogenannte außerorganschaftlich verursachte Mehrabführungen. Mit Urteil vom 21. Februar 2022 (Aktenzeichen I R 51/19) hat der BFH entschieden, dass das Tatbestandsmerkmal „vororganschaftlich“ nur in zeitlicher und nicht in sachlicher Hinsicht zu verstehen ist. Eine handelsbilanzielle Mehrabführung, die in organschaftlicher Zeit auf Ebene der Organgesellschaft durch den unterschiedlichen Wertansatz von verschmelzungsbedingt übergegangenen Wirtschaftsgütern in Handelsbilanz (gemeiner Wert) und Steuerbilanz (Buchwert) entsteht, ist hiernach zwar außerorganschaftlich verursacht, nicht jedoch „vororganschaftlich“. Eine solche Mehrabführung führt nach Ansicht des BFH somit in Folge nicht zu einer steuerpflichtigen Gewinnausschüttung an den Organträger.
  • Neuregelung der Vollverzinsung ab dem 1. Januar 2019: Am 21. Juli 2022 wurde das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) im Bundesgesetzblatt verkündet (vgl. BGBl. I 2022, S. 1142). Durch das Gesetz wird insbesondere der Zinssatz zur so genannten Vollverzinsung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 geändert. Mit zwei BMF-Schreiben vom 22. Juli 2022 beantwortet die Finanzverwaltung Anwendungsfragen zur Neuregelung und nimmt – vor dem Hintergrund derzeit bestehender technischer Umsetzungsschwierigkeiten – zur Übergangsregelung Stellung.
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