EU-Mittel gezielt nutzen

So profitieren deutsche Unternehmen vom Europäischen Verteidigungsfonds

Steffen Kunaht
Von:
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So profitieren deutsche Unternehmen vom Europäischen Verteidigungsfonds

Der Europäische Verteidigungsfonds (EVF) eröffnet Unternehmen und Einrichtungen der Verteidigungswirtschaft vielversprechende Möglichkeiten. Etablierte Marktteilnehmer können dank großer finanzieller Zuschüsse neue Geschäftszweige entwickeln und maßgeblich zu einem sicheren Europa beitragen. Gleichzeitig erhalten Start-Ups und kleine mittlere Unternehmen (KMU) einmalige Gelegenheiten, sich mit innovativen Technologien zu etablieren. Auch wer bereits erfolgreich Produkte und Dienstleistungen im zivilen Markt anbietet, sollte unbedingt prüfen, ob die eigenen Leistungen im zivil-militärischen Umfeld wertvolle Anwendungsfälle finden. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Unternehmen und Projekte förderfähig sind und welche Bedingungen hierfür erfüllt sein müssen.

INHALTE

Europäischer Verteidigungsfonds: Was steckt dahinter?

Mit der Einführung des EVF setzte die Europäische Kommission bereits 2016 ein klares Zeichen: Die europäische Verteidigung ist als Gemeinschaftsaufgabe zu betrachten. Die Europäische Union (EU) verfolgt das Ziel, die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu intensivieren, Kosten durch Zentralisierung zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Verteidigungsmarktes zu erhöhen.

In der seit 2021 laufenden Weiterführung des Initialprojektes standen insgesamt EUR 8 Mrd. zur Verfügung. Davon sind EUR 2,7 Mrd. für Verteidigungsforschung und EUR 5,3 Mrd. für die Entwicklung militärischer Fähigkeiten vorgesehen. Im Jahr 2025 werden EUR 1,1 Mrd. an geeignete Antragsteller vergeben. Für die Jahre 2026 und 2027 verbleiben insgesamt noch ca. EUR 2,6 Mrd. aus dem Fondsvolumen. 

Warum der EVF für deutsche Unternehmen relevant ist

Um die Sicherheit des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu gewährleisten, müssen zivile und öffentliche Einrichtungen eng zusammenarbeiten. Die EU hat mit dem EVF klare Ziele gesetzt und bietet gleichzeitig konkrete Hilfe bei deren Umsetzung an. Der politische Wille ist klar definiert und mit finanzieller Unterstützung untermauert. Hier entsteht die Zukunft des Verteidigungsmarktes. Nun sind Unternehmen, die neue Technologien entwickeln oder bereits beherrschen, besonders gefragt.  

Förderfähige Unternehmen und Voraussetzungen: Wer kann vom EVF profitieren?

Wenn Ihr Unternehmen in der EU oder Norwegen ansässig ist und sich nicht unter der Kontrolle eines Unternehmens außerhalb dieser Länder befindet, können Sie Förderung aus dem EVF erhalten. Zu beachten ist, dass dies auch für alle an dem Projekt beteiligten Ressourcen und Unterauftragnehmer gilt.

Unter bestimmten Bedingungen darf jedoch von diesen Regeln abgewichen werden. Zum Teil ist dies aber mit zusätzlichen Vorgaben bei der Antragstellung verbunden oder birgt Herausforderungen bei der späteren Zusammenarbeit, die etwa bei der Behandlung von Verschlusssachen zu beachten sind.

Die Bedürfnisse von KMU und Unternehmen mit mittlerer Kapitalisierung (Midcap-Unternehmen) werden gesondert berücksichtigt. Dies kann sich in einem höheren Anteil der durch die Förderung übernommenen Kosten bemerkbar machen. 

Wer allein agiert, hat jedoch keine Chance auf Zuwendungen aus dem Fördertopf. Um die Zusammenarbeit und die Vernetzung in Europa zu stärken, werden nur solche Projekte gefördert, die von einem Verbund von mindestens drei voneinander unabhängigen Unternehmen aus drei verschiedenen Ländern des Geltungsbereichs vorgeschlagen werden. 

Welche Projektthemen fördert der EVF?

Neben den klassischen militärischen Domänen (Boden, Luft, Wasser) sollen auch besonders aktuelle Themenfelder wie zuverlässiger und sicherer Austausch von Informationen, Cyber- oder Störtechnologien entwickelt und produziert werden. Die europäische Kommission veröffentlicht jedes Jahr in ihrem Dokument „EDF Work Programme“ die förderbaren Projektthemen und verortet diese in den nachfolgend frei übersetzten 16 Bereichen:

  1. Medizinische Versorgung der Verteidigung, chemische, biologische, radiologische und nukleare (CBRN) Gefahrenabwehr, Biotechnologie und menschliche Faktoren 
  2. Informationshoheit 
  3. Fortschrittliche passive und aktive Sensoren  
  4. Cyber  
  5. Weltraum  
  6. Digitale Transformation 
  7. Energieautarkie und ökologischer Wandel 
  8. Materialien und Komponenten 
  9. Luftkampf 
  10. Luft- und Raketenabwehr 
  11. Bodenkampf 
  12. Schutz der Streitkräfte und Mobilität 
  13. Meeresgefecht 
  14. Unterwasserkriegführung 
  15. Simulation und Ausbildung 
  16. Disruptive Technologien 

Bewerber können auch eigene Ideen einreichen, die zwar außerhalb der vorgegebenen Themen liegen, aber einem der relevanten Bereiche zuzuordnen sind. 

Im Jahr 2025 laufen die Bewerbungen noch bis zum 16. Oktober über das EU Funding & Tenders Portal (EU Funding & Tenders Portal). Die deutsche nationale Kontaktstelle hat bereits im vorigen Juni die Betreuung neuer Projektskizzen eingestellt. Wer die diesjährige Frist nicht mehr wahren kann, hat die Möglichkeit, sich mithilfe des Planungsdokuments „Indicative multiannual perspective 2025-2027“ zu informieren, welche Themen in den nächsten Jahren voraussichtlich gefördert werden. Konkret werden die neuen Ausschreibungen voraussichtlich erst nach dem Jahreswechsel 2025/26 bekannt gegeben.

In der Vergangenheit wurden unter anderem Projekte gefördert, in denen europäische Produktionskapazitäten für Munition oder die sinnvolle Weiterverwertbarkeit von verbrauchter Schutzausrüstung verbessert werden. Außerdem wird beispielsweise die Prototypenentwicklung von Microcontrollern mit Post-Quanten-Kryptographie unterstützt, welche in Zukunft sicherstellen werden, dass die Kommunikation zwischen technischen Systemen weiterhin sicher bleibt. Auch die Möglichkeiten, die sich aus den Fortschritten bei den erneuerbaren Energien für die unabhängige Energieversorgung von Militärlagern ergeben, werden analysiert. Das letzte Beispiel zeigt sehr gut, dass auch zivile Unternehmen, die bisher keine Verbindungen zu militärischen Einrichtungen hatten, auf dem Markt gefragt sind. 

Herausforderungen bei der Beteiligung: Was Unternehmen wissen sollten

Abhängig von der beantragten Förderhöhe, der Unternehmensgröße und der Projektart gelten unterschiedliche Kriterien und Konditionen. Antragsteller finden die erforderlichen Unterlagen und Formulare über das EU Funding & Tenders Portal in den Anhängen der Ausschreibung und übermitteln diese direkt online. Auf den Seiten der Ausschreibungen finden sich auch Kollaborationsgesuche von partnerlosen, interessierten Parteien.

Bei der Vergabe achten die Entscheidungsträger auf verschiedene Aspekte. Unter anderem soll das Projekt innovativ sein. Auch wird geprüft, ob das Konsortium glaubhaft fähig dazu ist, für die gesamte Dauer der Förderung an dem Projekt zu arbeiten und die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Die Antragsteller sind dabei aufgefordert, die notwendigen Dokumente wie etwa Jahresumsatzrechnungen, Abschlussprüfungsberichte und eine Vorstellung der beteiligten Schlüsselpersonen als Teil ihrer Anfrage bereitzustellen. Hierbei unterstützen wir Sie gerne.

Eine Gruppe unabhängiger Experten bewertet im Anschluss die Projektskizzen auf Basis von 6 (Forschungstätigkeiten) bzw. 8 (Entwicklungstätigkeiten) Kriterien. 

  1. die Einschätzung der Qualität  
  2. und Innovation der vorgeschlagenen Technologie  
  3. das marktwirtschaftliche Potenzial  
  4. die Unabhängigkeit von außereuropäischen Quellen 
  5. die Tiefe der Kooperation zwischen beteiligten Ländern und SME/Midcap Beteiligung 
  6. die Umsetzbarkeit der finanzierten Tätigkeit (wie zuvor beschrieben) 
  7. die auf den Lebenszyklus des Produkts bezogene Effizienz (nur Entwicklung) 
  8. das staatliche Interesse mehrerer EU-zugehöriger Länder, die Technologie in die gemeinsame Verteidigungsstrategie zu integrieren (nur Entwicklung)

Der Anteil der durch den EVF gedeckten Kosten beschränkt sich je nach Tätigkeit auf einen Anteil der förderfähigen Aktivitäten. Je reifer die Technologie, desto geringer ist der Förderanteil. So ist die Entwicklung von Prototypen nur zu 20 Prozent förderbar, während Eignungsnachweise oder Zertifizierungen zu 70 Prozent und Forschungstätigkeiten zu 100 Prozent finanziert werden. Projekte, die mit der EU-Verteidigungsinitiative PESCO zusammenhängen und KMU/Midcap Beteiligungen können den förderbaren Anteil Ihrer Tätigkeiten erhöhen. Eine Kofinanzierung durch europäische Staaten oder Norwegen ist ebenfalls möglich. 

Strategische Tipps: Wie deutsche Unternehmen den EVF erfolgreich nutzen können

Eine inhaltlich überzeugende und regelkonforme Antragstellung ist im EVF genauso wichtig, wie fachliche Expertise im Konsortium zu sammeln. Eine Förderberatung kann demnach für viele Unternehmen einen großen Mehrwert schaffen. Insbesondere bei fehlendem Wissen – etwa zur Umsetzung des europäischen Geheimschutzes oder anderer Compliance-Anforderungen – empfiehlt es sich, erfahrene Berater einzubeziehen. Es ist sogar möglich, die Kosten für Unterauftragnehmer in die Fördersumme mit aufzunehmen. Da die Projekte europaweit ausgeschrieben sind, ist mit einer hohen Wettbewerbsdichte zu rechnen. Umso wichtiger ist es, durch gezielte Kooperationen ein qualitativ hochwertiges Projekt zu präsentieren. 

Fazit: Der EVF als Chance für Forschung, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit

Der EVF ist ein bedeutendes Instrument für die Innovation, Kooperation und Souveränität der europäischen Verteidigungsstrategie. Der europäische Verteidigungsmarkt wird notwendigerweise in den kommenden Jahren weiterhin wachsen. Für deutsche Unternehmen bietet der EVF eine Chance, sich zu beteiligen und sich jetzt im Markt zu positionieren. Eine gezielte Vorbereitung und starke Partnerschaften sind dabei essenziell.

Grant Thornton Deutschland bietet eine Vielzahl von Leistungen an, die Sie dabei unterstützen können, Ihre Vorhaben auf dem Verteidigungsmarkt erfolgreich umzusetzen. Sie benötigen Beratung zur EVF-Förderung? Sie suchen Unterstützung bei der regelungskonformen Verarbeitung von Verschlusssachen? Oder möchten Sie auf andere Weise von unserer Erfahrung und unserem internationalen Grant Thornton Netzwerk in dem komplexen Feld der Sicherheit und Verteidigung profitieren?  

Dann kontaktieren Sie unseren Experten Steffen Kunaht, Head of Defense and Resilience.

 

Der Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Birger Schumann (Consultant) verfasst.