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Als wir im Frühjahr 2025 über die Einführung der Commercial Courts berichteten, steckte die Entwicklung noch in den Anfängen. Heute zeigt sich ein deutlich klarerer Überblick über die „Landkarte“ der Commercial Courts und Commercial Chambers in Deutschland. Mehrere Bundesländer haben inzwischen spezialisierte Spruchkörper für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten eingerichtet, die internationale Verfahren beschleunigen und auf Wunsch auch englischsprachig führen können.
Aktueller Stand
Mit dem Inkrafttreten des Justizstandort-Stärkungsgesetzes am 1. April 2025 hat Deutschland einen wichtigen Schritt unternommen, den Justizstandort für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten attraktiver zu machen und eine Alternative zu ausländischen Gerichten oder Schiedsverfahren zu bieten. Mehr zu Einführung der Commercial Courts.
Inzwischen existieren Commercial Courts in neun Bundesländern: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Die Gerichte sind bei den Oberlandesgerichten angesiedelt und erstinstanzlich zuständig für bestimmte wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten ab 500.000 Euro Streitwert, sofern die Parteien dies vereinbart haben oder sich rügelos einlassen.
Der Instanzenzug ist bewusst verkürzt: Gegen Urteile der Commercial Courts ist nur die Revision zum Bundesgerichtshof zulässig.
Die inhaltliche Spezialisierung variiert je nach Bundesland. Beispielhaft:
- In Berlin liegt der Fokus auf Bau- und Architektenrecht.
- Bremen konzentriert sich auf Transportrecht, Wasserstofftechnologien und Luftfahrt.
- Celle, Frankfurt am Main und Stuttgart sehen hingegen keine besondere Spezialisierung vor.
Eine Besonderheit gilt in Sachsen: Der Commercial Court Dresden erlaubt keine englischsprachigen Verfahren, anders als fast alle anderen Standorte.
Neben den Commercial Courts auf Ebene der Oberlandesgerichte existieren in mehreren Bundesländern auch Commercial Chambers an Landgerichten, die ebenfalls für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten zuständig sind und Verfahren in Englisch führen können. Da die Umsetzung bundesweit heterogen ist – insbesondere in Bezug auf Spezialisierungen und Rechtsmittelzuständigkeiten – sollten Unternehmen den Gerichtsstand sorgfältig wählen, um Verfahrensdauer und Instanzenzug optimal auszurichten.
Übersicht der Commercial Courts und Commercial Chambers
| Bundesland | Gericht | Spezialisierung | Sprachoptionen |
|---|---|---|---|
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Baden-Württemberg
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Commercial Court am Oberlandesgericht Stuttgart und Commercial Chambers am Landgericht Stuttgart
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Deutsch & Englisch
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Bayern
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Commercial Court am Oberlandesgericht München
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Deutsch & Englisch
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Berlin
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Commercial Court am Kammergericht und Commercial Chambers am Landgericht Berlin II
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Streitigkeiten zwischen Unternehmern
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Deutsch & Englisch
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Bremen
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Commercial Court am Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen
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Streitigkeiten zwischen Unternehmern
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Deutsch & Englisch
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Hamburg
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Commercial Court am Hanseatischen Oberlandesgericht und Commercial Chambers am Landgericht Hamburg
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Die Commercial Chambers sind zuständig für Rechtsstreitigkeiten aus den Bereichen des
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Deutsch & Englisch
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Hessen
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Commercial Court am Oberlandesgericht Frankfurt am Main und Commercial Chambers am Landgericht Frankfurt am Main
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Deutsch & Englisch
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Niedersachsen
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Commercial Court am Oberlandesgericht Celle und Commercial Chambers an den Landgerichten Hannover, Osnabrück und Braunschweig
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Deutsch & Englisch
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Nordrhein-Westfalen
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Commercial Court am Oberlandesgericht Düsseldorf und Commercial Chambers an den Landgerichten Bielefeld, Düsseldorf, Essen und Köln
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Drei Senate des Commercial Courts sind zuständig für:
und
Die Commercial Chambers sind für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten aus den genannten Bereichen bereits ab einem Streitwert von mehr als 5.000 Euro zuständig. Zugleich wird die an diesen Standorten bereits vorhandene, streitwertabhängige Spezialisierung ausgebaut:
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Deutsch & Englisch beim Commercial Court Nur Englisch bei den Commercial Chambers |
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Sachsen
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Commercial Court am Oberlandesgericht Dresden
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Nur Deutsch
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Strategischer Mehrwert für Unternehmen
Die Einführung der Commercial Courts bietet Unternehmen eine attraktive Möglichkeit, komplexe internationale Streitigkeiten in Deutschland auf Englisch zu führen. Da sich die Gerichte noch im Aufbau befinden, sind die Verfahrenszahlen aktuell gering – was zu sehr kurzen Wartezeiten und einer schnellen Urteilsfindung führen kann. Für Unternehmen, die Prozesse mit hohem Streitwert führen müssen/wollen, bietet dies einen deutlichen Effizienzgewinn.
Gerichtsstandsvereinbarung erforderlich
Um die Zuständigkeit eines Commercial Courts oder einer Commercial Chamber sicherzustellen, ist eine vertragliche Gerichtsstandsvereinbarung erforderlich. Diese kann in bestehende Vertragswerke oder in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aufgenommen oder separat vereinbart werden. Die beklagte Partei kann sich zwar rügelos einlassen, will die klagende Partei jedoch verbindlich vor dem Commercial Court verhandeln, ist eine vorherige Einigung zwingend.
Fazit
Die Entwicklung der Commercial Courts ist dynamisch und noch nicht abgeschlossen. Weitere Bundesländer prüfen eigene Einrichtungen, auch zusätzliche Spezialisierungen sind denkbar. Klar ist jedoch schon jetzt: Die neuen Spruchkörper bieten deutschen und internationalen Unternehmen die Chance, schneller, internationaler und insgesamt effizienter zu ihrem Recht zu kommen.
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