Grunderwerbsteuer bei Share Deals

Doppelte Grunderwerbsteuer bei Share Deals? BFH äußert rechtliche Zweifel an derzeitiger Verwaltungspraxis

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit kürzlich veröffentlichtem Beschluss vom 9. Juli 2025 (Aktenzeichen II B 13/25) eine womöglich grundlegende Entscheidung zur doppelten Festsetzung von Grunderwerbsteuer bei Signing und Closing von Share Deals im Falle nicht fristgerechter, fehlerhafter bzw. unterbliebener Grunderwerbsteueranzeigen getroffen. Mit dem entsprechenden Beschluss hat der BFH die Vollziehung eines Grunderwerbsteuerbescheids aufgehoben und dabei ernstliche Zweifel an der Zulässigkeit der derzeitigen Verwaltungspraxis geäußert.
INHALTE

Bisherige Auffassung der Finanzverwaltung zur doppelten Grunderwerbsteuer bei Share Deals

Beim unmittelbaren oder mittelbaren Erwerb von Anteilen an Kapital- oder Personengesellschaften („Share Deals“) mit deutschem Grundbesitz kann es nach aktueller Auffassung der Finanzverwaltung zu einer doppelten Belastung mit Grunderwerbsteuer kommen.

Der Hintergrund

Aus Sicht der Finanzverwaltung stellen sowohl der Abschluss des Kaufvertrags („Signing“ – das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft) als auch die spätere tatsächliche Übertragung der Anteile („Closing“ – das dingliche Verfügungsgeschäft) jeweils eigenständige grunderwerbsteuerpflichtige Erwerbsvorgänge dar. 

Zwar sieht das Gesetz grundsätzlich vor, dass der Erwerbstatbestand des Signings gegenüber dem des Closings zurücktritt. Doch laut Finanzverwaltung gilt diese Subsidiarität nur, wenn Signing und Closing am selben Tag erfolgen – was in der Praxis die Ausnahme ist.

Finden Signing und Closing – wie üblich – zeitlich versetzt statt, erlässt die Finanzverwaltung regelmäßig zwei Grunderwerbsteuerbescheide.  

Auf Antrag: Aufhebung Signing-Steuerbescheid, wenn Closing tatsächlich durchgeführt 

Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, wurde mit dem Jahressteuergesetz 2022 in § 16 Abs. 4a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) eine Korrekturmöglichkeit geschaffen, die auf Antrag die Aufhebung des Signing-Steuerbescheids ermöglicht, sofern der Closing-Tatbestand verwirklicht wird.

Voraussetzung: Grunderwerbsteueranzeige

Voraussetzung für diese Korrektur ist, dass beide Erwerbsvorgänge vollständig und fristgerecht – also regelmäßig innerhalb von zwei Wochen – beim zuständigen Finanzamt angezeigt wurden. Fehlt eine dieser Anzeigen, ist sie verspätet oder unvollständig, bleibt es laut Verwaltungspraxis bei der doppelten Besteuerung.

Herausforderungen bei der Grunderwerbsteueranzeige in der Praxis

In der Praxis ist die fristgerechte und vollständige Abgabe einer Grunderwerbsteueranzeige derzeit mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Insbesondere bei komplexeren gesellschaftsrechtlichen Strukturen ist häufig unklar, welches Finanzamt zuständig ist.

Dies führt nicht selten dazu, dass sicherheitshalber bei allen potenziell zuständigen Finanzämtern gleichzeitig angezeigt wird. Zudem bestehen erhebliche Unsicherheiten darüber, welche Angaben im Einzelfall für eine „vollständige“ Anzeige erforderlich sind.

Richtungsweisender BFH-Beschluss  

Mit der Verwaltungspraxis im Hinblick auf die Grunderwerbsteuerfestsetzung bei Signing und Closing setzte sich der BFH nun in seinem Beschluss vom 9. Juli 2025 (Aktenzeichen II B 13/25, AdV) kritisch auseinander und äußerste ernsthafte rechtliche Zweifel an der doppelten Grunderwerbsteuerfestsetzung.  

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

  • Am 11. März 2024 wurden sämtliche Anteile an einer grundbesitzenden GmbH notariell beurkundet verkauft (Signing).
  • Die Anzeige an das zuständige Finanzamt erfolgte am 4. April 2024 durch den Notar.

  • Das Closing, also die tatsächliche dingliche Anteilsübertragung, fand jedoch bereits am 29. März 2024 statt – ohne gesonderte Anzeige durch die Beteiligten.

  • Das Finanzamt setzte daraufhin mit Bescheiden vom 30. Mai 2024 sowohl für das Signing als auch für das Closing Grunderwerbsteuer fest.  

Kritikpunkte des BFH

Der BFH äußerte in seinem Beschluss ernsthafte rechtliche Zweifel an der doppelten Besteuerung bei zeitlich versetzten Signing- und Closing-Vorgängen:

  • Es sei zweifelhaft, ob bei einem Anteilserwerb an einer grundbesitzenden Gesellschaft zweimal Grunderwerbsteuer festgesetzt werden dürfe – insbesondere dann, wenn dem Finanzamt zum Zeitpunkt der ersten Festsetzung bereits bekannt ist, dass die dingliche Übertragung (Closing) erfolgt ist.

  • Die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, dass die Subsidiarität der mit Signing und Closing verwirklichten grunderwerbsteuerlichen Erwerbstatbestände nur bei tagegleichem Signing und Closing greife, hält der BFH für gesetzlich nicht gedeckt. Eine solche Einschränkung lasse sich dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen.

  • Auch die Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG könne eine solche zeitliche Einschränkung nicht begründen. Der BFH betont außerdem, dass diese Vorschrift nicht als exklusive Korrekturmöglichkeit zu verstehen sei. Vielmehr könnten Steuerbescheide auch nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften korrigiert oder aufgehoben werden. 

Vorläufige Entscheidung mit Signalwirkung

Mit seinem aktuellen Beschluss stellt sich der BFH mit überraschender Deutlichkeit gegen die bisherige Verwaltungspraxis – und zugleich gegen die Linie einiger Finanzgerichte.

Auch wenn es sich vorliegend lediglich um einen Beschluss hinsichtlich eines Aussetzungsantrags handelt, so hat die Klarheit, mit der das Gericht die doppelte Besteuerung bei Share Deals infrage stellt, Signalwirkung.

Ob der BFH diese Position auch im Hauptsacheverfahren bestätigen wird, bleibt abzuwarten. Die Richtung ist jedoch klar: Die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung steht auf dem Prüfstand.

Was bedeutet das für betroffene Unternehmen?

Die Entscheidung eröffnet neue Angriffspunkte gegen die doppelte Grunderwerbsteuerbelastung. Unternehmen sollten jetzt prüfen, ob Einspruchs- oder Korrekturmöglichkeiten bestehen – insbesondere, wenn Bescheide noch nicht bestandskräftig sind oder Anzeige- und Antragsfristen laufen.

Wir unterstützen Sie gerne bei der steuerrechtlichen Bewertung und fristgerechten Umsetzung.