ESG

ESG-Management im Mittelstand: Neue Freiheit, neue Verantwortung

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Überblick

Die ESG-Berichtspflicht für den Mittelstand wird durch die EU-Omnibus-Initiative gelockert – für viele Unternehmen bedeutet das mehr Freiheit. Doch diese neu gewonnene Freiheit bringt auch neue Verantwortung mit sich: Nachhaltigkeit bleibt ein strategisches Thema, und die Erwartungen der Stakeholder sind komplexer denn je. Wer jetzt handelt, nutzt die Spielräume zur Professionalisierung und positioniert sich zukunftsfähig.

INHALTE

Omnibus: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Mit der Omnibus-Initiative der EU verschiebt sich für viele Mittelständer die ESG-Berichtspflicht um zwei Jahre. Die meisten zunächst betroffenen mittelständischen Unternehmen werden nach aktuellem Stand von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD sogar komplett ausgenommen. 

Laut Omnibus-Antrag würden durch die erhöhte Schwelle auf 1.000 Mitarbeitende circa 80 % der Unternehmen wieder aus der Berichtspflicht fallen.

Das könnte den Eindruck erwecken, dass Nachhaltigkeit im Mittelstand signifikant an Bedeutung verliert.

Doch einiges spricht weiterhin für eine hohe Relevanz:

  1. So bekennt sich der Omnibus-Vorschlag klar zur Agenda des Green Deal  – und somit zu dem grundsätzlich angestrebten Maßnahmenplan der EU: Zentrale Regulierungen wie die Entwaldungsverordnung sind teilweise verschoben, bleiben aber voraussichtlich bestehen.  

  2. Wirtschaftlich bleibt Nachhaltigkeit zentral. Laut Sustainability Transformation Monitor 2025 berichten über 60 Prozent der befragten Unternehmen von wachsendem Kundendruck in dieser Hinsicht. Über 70 Prozent der Finanzinstitute berücksichtigen ESG-Kriterien bei Investitionen. Der von der EZB für 2026 eingeführte Klimafaktor für Refinanzierungsgeschäfte stärkt diese Entwicklung zusätzlich.  

  3. Auch das internationale Marktumfeld setzt zunehmend auf ESG-Berichterstattung: Nur 0,44 Prozent des deutschen Außenhandelsvolumens entfällt auf Länder, die noch keine ESG-Berichterstattung fordern. 

Für den Mittelstand entsteht damit nach dem kurzen Aufatmen durch die Entlastung ein neues Spannungsfeld, gleichzeitig wächst die Unsicherheit: Wenn ich nicht mehr muss – was sollte ich tun?

Zurücklehnen ist der falsche Ansatz. Nachhaltigkeit sollte proaktiv angegangen werden – und zwar strategisch. So kann sie Differenzierungsmerkmal, Innovationsmotor und Resilienzfaktor sein. Wir empfehlen die folgenden Schritte zum Aufsetzen eines grundlegenden ESG-Managements. 

Schritt I: Verstehen Sie, wo sie stehen.  

Der Einstieg in ein wirksames ESG-Management beginnt mit einer Standortbestimmung. Unternehmen müssen verstehen, welche Nachhaltigkeitsthemen für sie relevant sind und wie sie im Vergleich zum Markt positioniert sind.  

Zentrale Grundlage dafür ist die Wesentlichkeitsanalyse. Sie hilft, die ESG-Themen zu identifizieren, die für das Unternehmen besonders bedeutsam sind – basierend auf den eigenen Auswirkungen, Risiken und Chancen. Ob eine umfassende Analyse nach ESRS oder eine vereinfachte Variante gewählt wird, hängt vom Informationsbedarf und der Unternehmensgröße ab. Gerade für kleinere Mittelständler ist ein pragmatischer Ansatz oft ausreichend.

Gleichzeitig fördert die strukturierte Auseinandersetzung mit ESG-Themen im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse ein gemeinsames Verständnis und stärkt die interne Akzeptanz. 

Erste ESRS-Berichte zeigen: Unternehmen fokussieren sich per Wesentlichkeitsanalyse meist auf 6 von 10 Kernthemen – oft Umwelt und Menschenrechte.

Zur Einschätzung des Marktumfelds eignet sich eine Reifegradanalyse. Sie zeigt, wie weit das eigene ESG-Management im Vergleich zu Wettbewerbern entwickelt ist. Eine solche Analyse schafft einen Vergleichsmaßstab und hilft, die eigene Position im Markt besser einzuordnen. Denn: Studien deuten auf eine Professionalisierungsbemühung im ESG-Bereich hin – trotz Omnibus.

ESG gewinnt aktuell bei jedem 2. Unternehmen an Bedeutung, 2/3 planen freiwillige Berichte. Nur 15 % sehen eine geringere Relevanz.

Fazit: Während einige Mittelständler als ESG-Vorreiter agieren, sehen sich andere eher als Nachzügler. Doch oft fehlt die Grundlage für diese Einschätzung. Eine strukturierte Standortbestimmung schafft Klarheit – und ist der erste Schritt zu einem wirksamen ESG-Management. 

Schritt II: Legen Sie fest, wohin Sie wollen.  

Auf die Standortbestimmung folgt die Festlegung eines klaren Zielbilds. Dabei geht es nicht um maximale Ambitionen, sondern um eine realistische Entscheidung, wie weit ein Unternehmen im ESG-Management und in der Kommunikation gehen möchte.

Wichtig ist, Management und Kommunikation gemeinsam zu denken: Wer sein ESG-System an einem Reporting-Standard ausrichtet, reduziert später den Aufwand bei der Berichterstattung. Gleichzeitig geben etablierte Frameworks Orientierung, was Stakeholder unter gutem Nachhaltigkeitsmanagement verstehen.

Ein zentraler Schritt ist daher die Wahl eines passenden Standards. Gerade für kleinere Mittelständler kann der VSME-Standard eine gute Alternative zu einer vollumfänglichen Umsetzung der ESRS darstellen.  

Entscheidet sich ein Unternehmen jedoch, nicht zu berichten, bleibt die Aufgabe bestehen, ein funktionierendes ESG-Management aufzubauen. Denn: Reporting ist lediglich die Spitze des Eisbergs. Es macht das Management transparent, ersetzt es aber nicht. Nicht zu berichten, wird jedoch zunehmend teurer, denn der Informationsbedarf von Großkunden, Banken und Versicherern steigt – ebenso die Anzahl und Komplexität von ESG-Datenabfragen entlang der Lieferkette. 

ESG-Datenanfragen kosten mittelgroße Unternehmen laut EFRAG rund 7.000 € pro Anfrage. Frühzeitige Prozesse helfen, den Aufwand zu senken.

Auch ESG-Ratings können hier Orientierung geben. Sie gehen über reine Transparenz hinaus, indem sie das Nachhaltigkeitsmanagement bewerten. Besonders EcoVadis hat sich am deutschen Markt etabliert. Wer sein System gezielt auf die Anforderungen dieser Plattform ausrichtet, kann seine Bewertung deutlich verbessern. 

Bereits über 150.000 Unternehmen weltweit lassen sich bei EcoVadis einstufen.

Fazit: Nachhaltigkeitsmanagement und Kommunikation gehören zusammen. Ein klares Zielbild schafft Orientierung – intern wie extern – und macht ESG-Initiativen sichtbar und anschlussfähig. 

Schritt III: Werden Sie konkret.

Anschließend werden konkrete Maßnahmen definiert, die das Unternehmen vom Ist-Zustand zum angestrebten Zielbild führen. Ausgehend vom Ambitionsniveau lassen sich Prioritäten setzen und Schritte mit klaren Zuständigkeiten sowie einem Zeitplan hinterlegen.  
 
Wichtig ist die Konsistenz zwischen Anspruch, Maßnahmen und Kommunikation. Wer sich öffentlich zum 1,5-Grad-Ziel bekennt, aber keinen konkreten Umsetzungsplan vorlegt, verliert an Glaubwürdigkeit – intern wie extern. Ob Sie im kommenden Jahr einen sektorspezifischen, SBTi-konformen Net-Zero-Pfad einschlagen oder zunächst einen Dekarbonisierungsplan für Scope 1 und 2 entwickeln, hängt von Zielbild und Ressourcen ab. Die Kommunikation hingegen lässt sich sofort steuern – und sollte mit dem tatsächlichen Handlungsstand übereinstimmen.  

Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die organisatorische und technische Verankerung. ESG darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss in die Fachbereiche integriert werden, in denen Entscheidungen getroffen werden und Daten entstehen. Die ESG-Verantwortlichen koordinieren diesen Prozess– tragen die Verantwortung aber nicht allein. 

Der zusätzliche personelle Aufwand ist nicht zu unterschätzen: 78 % der Unternehmen benötigen für ESG-Manager mehrere Vollzeitstellen.

IT-Lösungen können den Aufwand reduzieren, unterscheiden sich jedoch stark in Flexibilität und Preis. Beispielsweise benötigen kleinere Unternehmen mit standardisiertem Reporting andere Lösungen als komplexe Konzernstrukturen. Wichtig ist: Kein Tool ersetzt die Einführung funktionierender Steuerungs- und Datenerhebungsprozesse - gerade in den ersten Jahren ist dieser Schritt besonders aufwendig. 

Nicht zuletzt gilt: ESG-Management ist ein kontinuierlicher Prozess. Entscheidend ist ein realistischer Fahrplan, der über mehrere Geschäftsjahre hinweg Wirkung entfaltet. 

Fazit: Um dem selbstgesetzten Ambitionsniveau gerecht zu werden, braucht es einen verbindlichen Umsetzungsplan mit klaren Zielen, priorisierten Maßnahmen und messbaren Ergebnissen – eingebettet in einen passenden organisatorischen Rahmen. 

Wir beraten Sie gerne! 

Kommen Sie jetzt ins Handeln – mit klarer Struktur und passender Unterstützung. Die aufgezeigten Schritte in Richtung einer professionellen ESG-Steuerung bieten einen klaren Fahrplan. Gerne begleiten wir Sie auf diesem Weg – ob punktuell oder ganzheitlich. Sprechen Sie uns gerne an.

 

 

Quellen:

1 Europäische Kommission – April 2025: Omnibus package 
2 Bertelsmann Stiftung – März 2025: Sustainability Transformation Monitor  
3 Morgan Stanley - Juni 2025: Companies See Sustainability as a Way to Create Value 
4 EFRAG - July 2025 : State of Play 2025 
5 TU Dresden; Civey – Mai 2025: ESG 2025 – Relevanz, Herausforderungen und strategische Perspektiven in deutschen Unternehmen 
6 Grant Thornton – Juli 2025: ESG und Nachhaltigkeit im Mittelstand 2025 
7 EFRAG – November 2024: Cost-benefit analysis for the Voluntary Sustainability Reporting Standard 
8 Ecovadis – Mai 2025: EcoVadis Index: Die Trends hinter den Nachhaltigkeitsratings 2020-2024