Telekommunikationsrecht & Infrastruktur

Geplante Änderungen des TKG: Kommt der Turbo für den NE4-Ausbau?

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Übersicht

Das BMDS hat Eckpunkte für eine Anpassung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vorgelegt. Im Zentrum: neue Regeln für die Netzebene 4, Mitnutzungsentgelte und vereinfachte Genehmigungsverfahren. Wir geben zum Jahresende einen Überblick, was auf die Branche zukommen könnte.

INHALTE

Warum die TKG-Novelle jetzt wichtig ist

Das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) hat im Juli 2025 ein Eckpunktepapier zur Anpassung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) veröffentlicht. Ziel ist es, den Glasfaser- und Mobilfunkausbau in Deutschland zu beschleunigen und zugleich europarechtliche Vorgaben angesichts der Gigabit-Infrastrukturverordnung (Verordnung (EU) 2024/1309, nachfolgend „GIA“) umzusetzen.  Ein Gesetzesentwurf aus dem Ministerium liegt noch nicht vor. Dies wirft insbesondere insoweit Fragen auf, als dass ein Großteil der Regelungen des GIA bereits seit dem 12. November 2025 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gilt – einer Umsetzung in nationales Recht bedarf es aufgrund der Rechtsnatur als Verordnung nicht. Sukzessive werden die Regelungen bis zum 12. Mai 2026 in Geltung treten. 

Die Vorschläge des Eckpunktepapiers sind für sämtliche Player des Telekommunikationsbereiches relevant: TK-Anbieter, Netzbetreiber und die Wohnungswirtschaft müssen sich darauf einstellen, dass insbesondere die Regeln zur Netzebene 4 (NE4) deutlich verändert werden könnten. Für Genehmigungsbehörden sind insbesondere etwaige verkürzte Fristen von Interesse – hier ist schon jetzt und unabhängig von der Umsetzung in nationales Recht auf die Vorschriften des GIAs zu achten.

Da insbesondere die Auslastung bereits errichteter Netzinfrastrukturen Netzbetreiber vor Herausforderungen stellt, liegt der Fokus dieses Beitrags auf den Vorschlägen des BMDS zur Netzebene 4. 

Netzebene 4: neue Rahmenbedingungen für den Ausbau

Ein zentraler Vorschlag des BMDS betrifft das sogenannte Bereitstellungsentgelt nach § 72 Abs. 1 TKG: Für den Ausbau gebäudeinterner Netze (Netzebene 4, NE4) mit Glasfaser kann der Netzbetreiber nach aktueller Rechtslage bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung von dem Grundstückseigentümer ein Glasfaserbereitstellungsentgelt verlangen, welches dieser nach der Betriebskostenverordnung auf die Mieter umlegen kann. Dieser Mechanismus bietet jedoch im Vergleich zu alternativen Finanzierungsmodellen nur einen geringen Anreiz für Investitionen in die NE4, da die umlagefähigen Investitionskosten auf EUR 300 bzw. (für besonders begründungsbedürftige „aufwändige Maßnahmen“) EUR 540 je Wohneinheit gedeckelt sind. Der Gesetzgeber hat zudem bisher nicht klargestellt, ob es sich um Brutto- oder Nettobeträge handelt, was für rechtliche Unsicherheit sorgt. Die aktuelle Regelung gilt bis Ende 2027.

Um den Investitionsanreiz zu erhöhen, sollen die umlagefähigen Kosten auf EUR 960 (brutto) erhöht werden und es soll für die Zugangsgewährung für weitere Anbieter im Rahmen des Glasfaserbereitstellungsentgelts ein Entgelt in Höhe von EUR 60 (netto) erhoben werden dürfen. Außerdem soll die Kategorie der „aufwändigen Maßnahme“ inklusive des besonderen Begründungsbedarfs entfallen. Gleichzeitig wird jedoch erwogen, u.a. zur Vermeidung von „Mitnahmeeffekten“, das Glasfaserbereitstellungsentgelt im Falle von Neubauten für nicht anwendbar zu erklären – bei Neubauten gelten Sicherstellungsverpflichtungen nach § 146 Abs. 2 TKG.

Für Anbieter und Hauseigentümer wäre die deutliche Erhöhung der umlagefähigen Kosten ein klarer Investitionsanreiz, daher stößt sie überwiegend auf Zustimmung in der TK- und Immobilienbranche.

Besonders kontrovers diskutiert wird demgegenüber der Vorstoß des Ministeriums, ein Recht auf Vollausbau zu schaffen: Netzbetreiber sollen unter bestimmten Voraussetzungen ohne Zustimmung des Gebäudeeigentümers berechtigt sein, nicht nur den Einzelanschluss des Vertragspartners, sondern alle Wohnungen des Mehrfamilienhauses anzuschließen; eine Verweigerung soll nur bei Vorbringen von „Sachgründen“ möglich sein. Dies soll einen effizienten Ausbau gebäudeinterner Netze ermöglichen. Hintergrund: Die Notwendigkeit zur Durchführung von (sequenziellen) Erschließungsvorhaben für einzelne Wohnungen könnte den Ausbau der NE4 verzögern und verteuern.

Branchenverbände sehen den Vorstoß jedoch in einigen Aspekten kritisch und mahnen Anpassungsbedarf an; teilweise wird er gänzlich abgelehnt. Der (Voll‑) Ausbau der NE4 müsse vorrangig aufgrund einvernehmlicher Kooperationen erfolgen. Es bestehe zudem die Gefahr, dass die Ausbaubemühungen auf besonders rentable oder sonst strategisch ausgewählte Gebäude konzentriert werden, wodurch einvernehmliche und umfassende Ausbaukooperationen jedoch ausgehebelt bzw. entwertet würden. Verhindert werden müsse, dass TK-Unternehmen den Ausbau gezielt zur Ausbremsung von Wettbewerbern ankündigen, jedoch nicht ausführen.

Mitnutzung und Mitnutzungsentgelte: Gratwanderung zwischen Wettbewerbsöffnung und Schaffung von Investitionsanreizen

Ebenfalls kontrovers diskutiert werden die Vorschläge des Ministeriums zur späteren Mitnutzung der NE4 und die Entgelterhebung hierfür. Um den Missbrauch natürlicher Monopole zu verhindern, will das BMDS die Mitnutzungsrechte an gebäudeinternen Netzen beibehalten. 

Investitionen in die NE4 sollen einerseits weiterhin geschützt und incentiviert werden: Es wird insbesondere ein Zugangsverweigerungsrecht erwogen, das nach dem bisherigen Vorschlag auf zwei Jahre begrenzt sein soll. 

Andererseits sollten Mitnutzungsentgelte stärker reguliert werden: Diskutiert werden etwa pauschale, von der BNetzA festgelegte Sätze nach Gebäudeklassen sowie eine Kappung der Entgelterhebung auf die Refinanzierung (unter Berücksichtigung eines investitionsfördernden Aufschlags) und Zusatzkosten für die Zugangsgewährung.

Während der Ansatz des BMDS mit Blick auf die Schaffung transparenter und klarer Mitnutzungsbedingungen durch einige Unternehmen gelobt wird, betonen insbesondere Wettbewerber der Deutschen Telekom die Gefahr für die Rentabilität von Investitionen in die NE4: Pauschale Sätze, auch nach Gebäudeklassen differenziert, könnten nicht alle individuellen Kostenkomponenten berücksichtigen. Ein weiterer Kritikpunkt ist der fehlende Gleichlauf mit den (geplanten) Regelungen zur Mitnutzung außerhalb von Gebäuden; teilweise wird der Standpunkt vertreten, die erleichterte Mitnutzung der NE4 incentiviere den Überbau. Daneben werden europarechtliche Bedenken mit Blick auf Art. 61 EKEK geltend gemacht.

Da die Wettbewerber bisher den Glasfaserausbau zu einem überwiegenden Anteil verantworten, wird das BMDS seinen bisherigen Ansatz möglicherweise mit Blick auf sein erklärtes Ziel, hinreichende Investitionsanreize für den NE4-Ausbau zu setzen, anpassen bzw. nachschärfen.

Genehmigungsverfahren: Beschleunigung oder neue Bürokratie?

Das wegerechtliche Genehmigungsverfahren beim Glasfaserausbau soll vereinfacht werden. Vorgesehen sind u. a. ein alternatives Anzeigeverfahren für bestimmte fachkundige Tiefbauunternehmen sowie geänderte Fristen im regulären Genehmigungsverfahren: Zwei statt drei Monate Regelfrist für die Zustimmung der Behörde und Verlängerungsmöglichkeit um zwei Monate statt einen Monat. Für Kommunen und TK-Unternehmen könnte insbesondere das neue Anzeigeverfahren entlastend wirken – wenn die Ausgestaltung praxistauglich ist. Kritiker warnen allerdings, dass durch die Voraussetzungen zu seiner Nutzung neue Bürokratie geschaffen werden könnte.

Fazit & Ausblick: Beschleunigung oder „Inhaus-Ausbau-Verhinderungs-Gesetz“?

Der Ausbau der Netzebene 4 soll nach den erklärten Zielen des BMDS beschleunigt, Mitnutzungsrechte klarer gefasst und Genehmigungsverfahren vereinfacht werden. Ob die Vorschläge tatsächlich den gewünschten Beschleunigungseffekt bewirken, hängt davon ab, ob die konkreten Regelungen Investitionshemmnisse abbauen oder neue Belastungen schaffen: Erst mit dem angekündigten Referentenentwurf wird es möglich sein, dies konkreter zu beurteilen. 

Das Eckpunktepapier lässt bei näherer Betrachtung viele entscheidende Fragen offen: 

  • Bleiben NE4-Altverträge der Wohnungswirtschaft mit TK-Unternehmen bestehen und werden hierfür Sonderregelungen gelten, um bestehende Commitments zu schützen?
  • Mit welchen Sanktionen wird die Nichterfüllung der NE4‑Ausbauzusage belegt sein?
  • Welche Differenzierungsmöglichkeiten und Spielräume werden bei der Erhebung von Mitnutzungsentgelten bestehen?
  • Und: Welche konkreten Anforderungen bestehen für die Nutzung des Anzeigeverfahrens? 

Der Erfolg der anstehenden TKG-Novelle wird entscheidend von der Ausgestaltung dieser Details abhängen. 

Für TK-Anbieter, Kommunen und Wohnungswirtschaft lohnt es sich daher weiterhin, den Gesetzgebungsprozess genau zu verfolgen.

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