KI & Urheberrecht

Künstliche Intelligenz und Urheberrecht: Landgericht München I entscheidet erstmals über generative KI-Systeme

Jens von der Thüsen
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Übersicht

Das Landgericht München I hat eine Grundsatzentscheidung zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte durch generative KI-Systeme getroffen (Urteil vom 11.11.2025, Az. 42 O 14139/24). Betreiber solcher KI-Modelle haften für Urheberrechtsverletzungen, wenn geschützte Inhalte wie Liedtexte memorisiert und als sogenannte Outputs reproduziert werden. Die Entscheidung klärt zentrale Fragen des Urheberrechts im Zeitalter generativer KI und setzt erstmals klare Grenzen für Anbieter KI-basierter Systeme.

Text- und Data-Mining-Schranken greifen nicht für generative KI-Systeme

Die Klägerin, die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), warf dem Betreiber von ChatGPT (OpenAI) vor, urheberrechtlich geschützte Texte ohne Lizenz für das Training des Sprachmodells verwendet und über die Chatbot-Funktion ausgegeben zu haben. Die Beklagte berief sich auf urheberrechtliche Ausnahmen, insbesondere auf die Text- und Data-Mining-Schranken (§ 44b, § 60d UrhG), sowie auf Branchenüblichkeit – jedoch ohne Erfolg.

Das Gericht bestätigte die Werkqualität der betroffenen Liedtexte und stellte klar: Von KI-Modellen generierte Ausgaben, die urheberrechtlich geschützte Werke identisch oder klar erkennbar wiedergeben, stellen Urheberrechtsverletzungen dar, für die der Anbieter des generativen KI-Systems haftet. Das Gericht sah zwei getrennte Verletzungshandlungen:

  • Das Memorisieren der Liedtexte als Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG
  • Die Wiedergabe der Inhalte als öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG

Damit wird die bisherige Praxis vieler Anbieter generativer KI-Systeme, Trainingsdaten ohne entsprechende Lizenz zu nutzen, erstmals in Europa durch ein Gericht infrage gestellt.

Zentral ist: Die Text- und Data-Mining-Schranke (§ 44b UrhG) deckt das dauerhafte Memorisieren nicht ab. Sie erlaubt lediglich vorbereitende Vervielfältigungen zur Analyse, nicht jedoch die Integration geschützter Werke in ein generatives KI-System. Auch weitere Schranken – Zitatrecht, Pastiche oder Privatkopie – sind nicht anwendbar. Eine konkludente Einwilligung durch Online-Veröffentlichung lehnte das Gericht ebenfalls ab. KI-Anbieter können jedoch jederzeit Lizenzen für Trainingsdaten erwerben.

Neue Anforderungen für KI-Anbieter; neue Chancen für Kreativschaffende

Das Urteil hat weitreichende Folgen für Anbieter generativer KI-Systeme. Wer urheberrechtlich geschützte Inhalte für das Training nutzt, muss künftig besonders sorgfältig vorgehen. Andernfalls drohen Unterlassungsansprüche, Auskunftspflichten und Schadensersatz.

Für Kreativschaffende stellt die Entscheidung einen wichtigen Erfolg dar – sie erhalten eine gestärkte Rechtsposition gegenüber KI-Anbietern. Diese wiederum müssen sicherstellen, dass ihre Systeme keine rechtsverletzenden Outputs erzeugen können. Zudem wird der Erwerb von Lizenzen für Trainingsdaten zunehmend unvermeidbar werden. Perspektivisch ist mit neuen Lizenzmodellen für generative KI zu rechnen.

Fazit

Ein Meilenstein, aber erst der Anfang

Das Urteil des Landgerichts München ist ein Meilenstein für das Urheberrecht im digitalen Zeitalter und das erste seiner Art in Europa. Weitere Verfahren – unter anderem gegen Suno Inc. – sind bereits anhängig. Auch OpenAI hat angekündigt, Berufung beim Oberlandesgericht München einzulegen.

Eine abschließende Klärung ist daher erst in höheren Instanzen zu erwarten. Denkbar ist zudem eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof. Klar ist: Das Gericht stärkt die Position kreativer Urheber und setzt zugleich einen deutlichen Impuls für die rechtliche Regulierung generativer KI-Systeme in Europa.