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Koalitionsvertrag: Wirklich keine Steuererhöhungen

Am 24. November 2021 wurde der neue Koalitionsvertrag der voraussichtlichen neuen Bundesregierung aus SPD, den Grünen und der FDP vorgestellt.

Unverändert zu dem vorherigem Ergebnispapier der Sondierungsgespräche vom 15. Oktober 2021 finden sich auch im Koalitionsvertrag keine neuen konkreten Aussagen, die direkt auf einkommensteuerliche Veränderungen bei der Besteuerung von Gesellschaftern von Familienunternehmen beziehungsweise im Bereich der Immobilieneinkünfte abzielen. Auch im Hinblick auf mögliche Verschärfungen bei der Erbschaftsteuer oder gar in Bezug auf eine mögliche (Wieder-) Einführung der Vermögensteuer gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Sind damit aber für die Steuerpflichtigen in diesen Themenbereichen auch weiterhin Steuererhöhungen ausgeschlossen? Besteht nicht gerade vor diesem Hintergrund ein besonderes Risiko, dass es zu punktuellen, „unter dem Radar des Koalitionsvertrages“ liegenden Veränderungen und Verschärfungen kommen kann?

Dazu möchten wir Ihnen nachfolgend unsere Einschätzung geben.

Veränderungen in der Immobilienbesteuerung bei der 10-jährigen Spekulationsfrist für nicht selbst genutzte Privatimmobilien

In unseren vorherigen Veröffentlichungen hatten wir bereits darauf hingewiesen, dass in den Parteiprogrammen Verschärfungen der sogenannten 10-jährigen Spekulationsfrist enthalten sind. Danach sollte entweder eine Verlängerung der erforderlichen Besitzzeit auf bis zu 15 Jahre oder aber eine vollständige Abschaffung der Steuerbefreiung eingeführt werden.

Auch wenn weder im Ergebnispapier zu den Sondierungsgesprächen noch im Koalitionsvertrag diesbezügliche Aussagen enthalten sind, lenken zum Beispiel renommierte Stimmen aus der steuerlichen Hochschulwissenschaften erneut die Aufmerksamkeit auf diese Steuerbefreiungsvorschrift.

In einem Aufsatz der Professoren Clemens Fuest, Johanna Hey und Christoph Spengel im ifo Schnelldienst vom 17. November 2021 unter der Überschrift „Vorschläge für eine Reform der Immobilienbesteuerung“ wird ausgeführt, dass „die Immobilienbesteuerung in Deutschland erhebliche Lücken“ aufweist. Eine „unfaire Verteilung der Steuerlast zu Gunsten von Steuerzahlern mit hohen Einkommen“ könnte durch „vergleichsweise geringe gesetzgeberische Korrekturen bei der Einkommensteuer, der Gewerbesteuer, der Erbschaftsteuer und der Grunderwerbsteuer…“ beseitigt werden. Die Folge wäre, dass „das Steueraufkommen erhöht wird, ohne die wirtschaftliche Entwicklung zu belasten“.

Nach Aussagen der Wissenschaftler gehört die Doppelbegünstigung aus unbegrenztem Werbungskostenabzug für die Vermietungsdauer und die vollständige Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne nach 10 Jahren „zu den letzten verbliebenen großen Steuervergünstigungen des Einkommensteuerrechts“. Entsprechend fordern sie eine „fristunabhängige Vollbesteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung“.

Aufgrund des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbotes stehen jedoch verfassungsrechtliche Hindernisse diesen angedachten Steueränderungen entgegen. Sollte es zu Änderungen mit Wirkung für zukünftige Wertsteigerungen kommen – die „vor Inkrafttreten der Neuregelung entstandenen stillen Reserven müssen von der Besteuerung ausgenommen werden“ – sollte seitens des Steuerpflichtigen darauf geachtet werden, dass potenzielle Steuerverschärfungen durch Gegenmaßnahmen abgemildert werden müssten.

Drohen unverändert punktuelle Anpassungen bei der Erbschaftsteuer, insbesondere im Bereich Wohnungsunternehmen?

Der Koalitionsvertrag enthält, wie einleitend bereits erwähnt, auch zur Erbschaftsteuer keine konkrete Aussage. Damit bleibt es bei dem Hinweis aus dem Ergebnispapier der Sondierungsgespräche, dass eine Einführung von neuen Substanzsteuern nicht geplant ist. Eine umfassende Reform der Erbschaftsteuer mit einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Senkung der Steuersätze und Anhebung der Freibeträge steht damit nicht auf der Agenda der neuen Regierungskoalition. Dabei würde ein solches Reformvorhaben durchaus zu der allgemeinen Aussage des Koalitionsvertrages „Wir wollen das Steuersystem für Menschen und Unternehmen einfacher machen.“ passen. Bei den letzten beiden „großen“ Reformen der Erbschaftsteuer in den Jahren 2009 und 2016 war es das Ultimatum der jeweiligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das die bisherigen Regelungen für verfassungswidrig erklärte. Ein solcher Anstoß für eine umfassende Erbschaftsteuerreform ist derzeit nicht in Sicht.

Bleibt damit alles beim Alten? Nicht gänzlich unwahrscheinlich ist, dass einzelne Privilegierungen bei der Erbschaftsteuer, die nach geltendem Recht für bestimmte Bereichsausnahmen wie beispielsweise Wohnungsunternehmen in Anspruch genommen werden können, abgeschafft werden. Auf der anderen Seite passen Wohnungsunternehmen ihrem Zweck nach zu dem im Koalitionsvertrag erklärten „Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Sozialpolitik“. Ein solcher Aufbruch wird ohne die private Wohnungswirtschaft nicht gelingen können. Vielleicht ist daher nicht die gänzliche Abschaffung der Privilegierung von Wohnungsunternehmen das Mittel der Wahl, sondern eine Verknüpfung mit sozialpolitisch gewollten Maßnahmen, zum Beispiel Mietpreisbindungen für die Dauer der erbschaftsteuerlichen Behaltensfristen. Zu erwarten sind daher eher kleinere gesetzgeberische Korrekturen mit politischer Lenkungsfunktion.     

Eine (Wieder-) Einführung der Vermögensteuer beziehungsweise Vermögensabgabe erscheint derzeit eher unwahrscheinlich. Zu hoch ist der mit ihrer Erhebung verbundene Aufwand für die Finanzverwaltung im Verhältnis zum tatsächlichen Steueraufkommen.  

Praxishinweis

Sollten Sie an diesen Themen interessiert sein, können Sie uns gerne ansprechen. Für weiter vertiefende Informationen oder auch persönliche Fragen zu diesen Themen stehen wir Ihnen auch auf unserem Jahresendwebinar am Dienstag, 7. Dezember 2021 zur Verfügung. Wir beraten Sie gerne.

 

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