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Unternehmensnachfolge

Aktuelles zur Erbschaft- und Schenkungsteuer

Der Beitrag wurde verfasst von unseren Experten Marie Christine Waldens, Jan-Lukas Lüken und Thomas Naus

Erbschaftsteuer: Ist das Ende des 90%-Tests in Sicht?

Im Erb- oder Schenkungsfall wird land- und forstwirtschaftliches sowie betriebliches Vermögen, Beteiligungen an einer gewerblichen Personengesellschaft und Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit einer Beteiligungsquote des Erblassers beziehungsweise Schenkers von mehr als 25 Prozent oder Poolvertrag nach der Regel- oder Optionsverschonung gemäß §§ 13a, 13b Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) dann nicht begünstigt, wenn die Werte des als schädlich definierten Verwaltungsvermögens 90 Prozent oder mehr des Unternehmenswertes ausmachen. Diesem sogenannten 90 Prozent-Test liegt eine Brutto-/Nettobetrachtung zugrunde, da Finanzmittel, insbesondere Forderungen – auch solche aus Lieferungen und Leistungen – und Guthaben als Bestandteile des schädlichen Verwaltungsvermögens brutto, also vor einer Verrechnung mit den Schulden angesetzt werden, während der Unternehmenswert unter Berücksichtigung der Schulden ermittelt wird. Diese Brutto-/Nettobetrachtung im Rahmen des 90 Prozent-Tests ist seit seiner Einführung als nicht sachgerecht und rechtswidrig angesehen worden.

Bereits mit Beschluss vom 3. Juni 2019 hatte das Finanzgericht (FG) Münster im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Auffassung vertreten, dass ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der 90 Prozent-Grenze bestehen. Nun hatte das FG Münster (Urteil vom 24.11.2021, Aktenzeichen 3 K 2174/19 Erb) im Hauptsacheverfahren die Gelegenheit, seine bisher geäußerten ernsthaften Zweifel zu begründen und in der Sache zu entscheiden. Im Urteilsfall führte der anlässlich einer Schenkung durchzuführende 90 Prozent-Test zu einer Quote von über 400 Prozent und hätte damit eine Versagung der Betriebsvermögensbegünstigungen bedeutet. Im Wege der teleologischen Reduktion kommt das Gericht zu einer Nichtanwendbarkeit des 90 Prozent-Tests, wenn das Unternehmen einer originär gewerblichen Tätigkeit nachgeht. Handelt es sich um ein operativ tätiges Unternehmen, kann das jeweilige Geschäftsmodell einen hohen Bestand an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen bedingen und der 90 Prozent-Test auch wegen der fehlenden Abziehbarkeit der Schulden zu sinnwidrigen Ergebnissen führen. Das FG Münster sieht den 90 Prozent-Test in seiner aktuellen Fassung als unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz an. Im Urteilsfall waren die Betriebsvermögensbegünstigungen trotz Nichtbestehens des 90 Prozent-Tests zu gewähren. Die Revision ist zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber tätig werden wird. Das Gesetz könnte eine originär gewerbliche Tätigkeit als Hauptzweck des Unternehmens fordern oder im Rahmen des 90 Prozent-Tests auf die Nettobetrachtung vergleichbar mit dem 20 Prozent-Test für die Inanspruchnahme der Optionsverschonung umstellen.

Erbschaftsteuer: Lohnsumme und COVID-19-Pandemie

Eine Erleichterung für erbschaft- beziehungsweise schenkungsteuerliche Zwecke bringt der gleichlautende Ländererlass vom 30. Dezember 2021 mit einer Billigkeitsmaßnahme bei der Lohnsummenermittlung. In dem sogenannten Behaltenszeitraum nach einem Erbfall/einer Schenkung von 5 Jahren bei Inanspruchnahme der Regelverschonung und 7 Jahren bei der Optionsverschonung muss eine bestimmte Lohnsumme erreicht werden. Anderenfalls droht eine Nachversteuerung mit Erbschaft-/Schenkungsteuer. Resultiert die Nichteinhaltung der Mindestlohnsumme ausschließlich aus den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, kommt eine abweichende Festsetzung von Erbschaft-/Schenkungsteuer oder ein Erlass aus sachlichen Gründen Betracht. Dies soll insbesondere der Fall sein, wenn die durchschnittliche Lohnsumme gesunken ist, Kurzarbeitergeld gezahlt wurde und der Betrieb von einer Schließungsanordnung wegen COVID-19 betroffen war. Der jetzt vorgelegte Ländererlass ist dringend geboten, um die sich aus der COVID-19-Pandemie ergebenden Härten bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer abzumildern.