
Hintergrund und Inhalt der Sektoruntersuchung
Grundlage der Untersuchung durch die Landeskartellbehörde ist § 29 Nr. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Diese Vorschrift beinhaltet ein Verbot für Anbieter von Strom, Fernwärme oder Gas, ihre marktbeherrschende Stellung – die im Fernwärmesektor regelmäßig vorliegt – missbräuchlich auszunutzen, indem ungünstigere Entgelte gefordert werden, als diejenigen, die Versorger auf vergleichbaren Märkten verlangen. Nicht missbräuchlich sind diese erhöhten Preise nur dann, wenn das Versorgungsunternehmen nachweist, dass die Abweichungen sachlich gerechtfertigt sind.
Die Rechtfertigung erfolgt insbesondere auf Basis struktureller Merkmale, also Einflüssen bzw. Umständen, welche nicht in den Verantwortungsbereich des Versorgungsunternehmens fallen. Im Falle von Fernwärmenetzen können dies beispielsweise besondere Erzeugungs- oder Abnahmekonstellationen sein, welche die Kostenstruktur im Vergleich zu Wettbewerbern nachteilig beeinflussen.
Im Rahmen der Sektoruntersuchung hat das Landeskartellamt im ersten Schritt einen landesweiten Durchschnittserlös aller teilnehmenden Versorger auf Basis der jeweiligen Umsatzerlöse und abgesetzten Wärmemenge ermittelt. Diese Vorgehensweise wurde anschließend anhand verschiedener Strukturmerkmale (Netzlänge, Primärenergieträger, Erzeugungsanlagen) auf drei spezifischere Vergleichsgruppen erweitert.
Überschreitet der Durchschnittserlös eines Versorgers den um einen Erheblichkeitszuschlag korrigierten Durchschnittserlös aller Versorger (gesamt oder innerhalb der unterschiedlichen Vergleichsgruppe), gilt er als preisauffällig und muss die ungünstigeren Preise im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme rechtfertigen.
Im Vergleich zur vorigen Sektoruntersuchung hat die Landeskartellbehörde ihre Untersuchung deutlich ausgeweitet. Waren im Jahr 2020 noch 41 Fernwärmeversorgungsunternehmen mit 90 Gebieten Teil der Untersuchung, sind es nunmehr 85 Unternehmen mit insgesamt 281 Gebieten. Zudem umfasst die Preisabfrage nicht nur ein isoliertes Jahr, sondern die Jahre 2021 bis 2024.
Wie geht es weiter?
Bisher erstreckte sich die Analyse der Preisauffälligkeiten auf das Jahr 2021. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die weiteren Jahre 2022 bis 2024 sukzessive folgen werden.
Kann ein Fernwärmeversorger gegenüber der Landeskartellbehörde nicht darlegen, dass ein auffälliges Preisniveau auf sachlich gerechtfertigten und nicht selbst zu verantwortenden Faktoren beruht, drohen mehrere rechtliche Konsequenzen:
Vertiefte kartellbehördliche Prüfung (erhöhte Mitwirkungspflichten)
Zunächst erhöht sich die Eingriffstiefe der behördlichen Prüfung. Die Behörde kann weitergehende Auskünfte und Unterlagen verlangen (§§ 59 ff. GWB), einschließlich detaillierter Kosten- und Kalkulationsdaten, Netzstrukturanalysen oder Investitionsdarstellungen. Die Mitwirkungspflichten des Unternehmens steigen erheblich, fehlende Auskünfte können mit Zwangsgeldern durchgesetzt werden.
Risiko der formalen Missbrauchsfeststellung (§ 19 Abs. 2 Nr. 2, § 19 Abs. 1 GWB)
Kommt die Behörde in der vertieften Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Unternehmen missbräuchlich überhöhte Preise fordert, kann eine formelle Feststellung eines Preismissbrauchs erfolgen. Eine solche Feststellung ist rechtlich sowie im Hinblick auf den Ruf des Unternehmens nachteilig und bildet den Ausgangspunkt für weitergehende Maßnahmen.
Anordnung zur Preisanpassung (Abstellungsverfügung)
Auf Grundlage von § 32 GWB kann die Behörde eine Abstellungsverfügung erlassen und das Unternehmen verpflichten, die Preise auf ein angemessenes Niveau abzusenken. Die Preisanpassung kann sowohl zukünftige Preise betreffen als auch rückwirkend für Zeiträume gelten, in denen der Missbrauch festgestellt wird, sofern der Sachverhalt dies erlaubt.
Rückerstattungs- oder Rückzahlungsrisiken
Zwar ordnet die Behörde selbst keine Rückerstattung an, jedoch entsteht durch eine Missbrauchsfeststellung ein erhebliches zivilrechtliches Folgepotenzial. Kunden können Überzahlungen rückwirkend geltend machen. Eine behördliche Feststellung wirkt hier als starke argumentative Grundlage – faktisch entwickeln solche Verfahren schnell eine Sogwirkung hin zu Rückerstattungsforderungen.
Bußgeldrisiken bei Verstößen gegen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten
Bleibt ein Unternehmen in der Prüfung untätig oder verweigert es erforderliche Angaben, drohen Bußgelder nach §§ 81 ff. GWB – nicht wegen des Preisniveaus selbst, sondern wegen der Pflichtverletzung im Verfahren.
Falls auch Sie zur Stellungnahme aufgefordert wurden oder ggf. noch werden, sprechen Sie uns an. Gerne unterstützen wir Sie bei der Erarbeitung einer sachlichen Rechtfertigung im Rahmen der Stellungnahme.