Geplante Änderungen des Nachweisgesetzes haben erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen.
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Bislang hatten Verstöße gegen das Nachweisgesetz kaum Auswirkungen, dies wird sich nun, aufgrund der Neueinführung eines Bußgeldes bei Verstößen gegen die Nachweispflicht, ändern. Ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz wird zur Ordnungswidrigkeit erhoben und mit einem Bußgeld von 2.000 Euro belegt.

Am 20. Juni 2019 trat die europäische Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der EU im Bereich des Zivilrechts in Kraft. Nach Artikel 22 dieser Richtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, diese Richtlinie bis zum 31. Juli 2022 in nationales Recht umzusetzen. Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, wurde der entsprechende Gesetzesentwurf bereits am 12. Mai 2022 im Bundestag debattiert und kommt nun nach einer Anpassung erneut ins Plenum und das entsprechende Gesetz soll zum 1. August 2022 in Kraft treten. Dieser Gesetzesentwurf hat unter anderem weitreichende Auswirkungen auf das Nachweisgesetz. Daneben enthält der Gesetzesentwurf auch Anpassungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, im Teilzeit- und Befristungsgesetz, im Arbeitnehmerentsendegesetz sowie in der Gewerbeordnung.

Nachweisgesetz

Bislang hat das Nachweisgesetz in der Praxis kaum Bedeutung erfahren. Es schreibt zwar in § 2 vor, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niedergelegt werden müssen und der Arbeitnehmer hierauf innerhalb eines Monats nach Beginn des Arbeitsverhältnisses Anspruch hat. Da jedoch ohnehin fast jedes Arbeitsverhältnis durch einen Arbeitsvertrag begründet wird und eine Missachtung dieser Vorschrift kaum Konsequenzen nach sich zieht, sind die Auswirkungen in der Praxis eher gering. Dies soll sich nun mit dem neuen Gesetzesentwurf ändern. Neben der Tatsache, dass die in § 2 NachwG aufgezählten wesentlichen Arbeitsbedingungen zukünftig teilweise bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen sind, sind Verstöße dann auch mit 2.000 Euro bußgeldbewehrt. Der Gesetzesentwurf sieht die nachfolgenden Änderungen vor:

Entgeltklausel

Neben der schriftlichen Festlegung der Möglichkeit zur Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen sieht § 2 Nachweisgesetz nunmehr vor, dass die Entgeltregelung „die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts, einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung“ enthalten muss.

Gerade die getrennte Angabe der Vergütungsbestandteile einschließlich deren Fälligkeit und Details zur Auszahlung war bislang in Arbeitsverträgen in der Praxis kaum zu finden

Arbeitszeit

Arbeitsverträge oder die schriftliche Niederlegung der wesentlichen Arbeitsbedingungen sollten zukünftig Angaben zur Arbeitszeit, zu vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten, sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, den Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen enthalten.

Kündigung

Besonders hervorzuheben ist die neue Nummer 14 des § 2 Nachweisgesetz. Hiernach müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig über die Kündigungsmodalitäten informiert werden. Der Nachweis soll daher zukünftig Angaben enthalten über: „das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage anzuwenden.“

Allerdings bleibt es aufgrund des letzten Halbsatzes dabei, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben müssen, selbst wenn der Hinweis auf die Frist zur Klageerhebung entgegen dem Gesetz nicht erfolgt ist. Allerdings greifen die neuen Bußgeldvorschriften.

Verweise auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen

Eine Angabe der obigen Details kann jedoch gemäß dem künftigen Absatz 4 durch einen Hinweis auf anwendbare Tarifverträge sowie Betriebs- oder Dienstvereinbarungen ersetzt werden. Ist zum Beispiel für Kündigungen die tarifliche Regelung maßgeblich, kann auch darauf verwiesen werden. Dennoch wird sich in vielen Fällen ein Anpassungsbedarf ergeben, da Arbeitsverträge (Nachweise) heute oftmals keine derartigen Verweisungen enthalten.

Fristen zur schriftlichen Niederlegung und Altverträge

Die neue Regelung zu den Fristen der schriftlichen Niederlegung könnte komplizierter nicht sein. Bisher gibt das Gesetz eine Frist von einem Monat für den Nachweis vor. Nach der geplanten Neuregelung gelten je nach inhaltlicher Regelung Fristen, die vom ersten Arbeitstag über sieben Kalendertage nach dem vereinbarten Arbeitsbeginn bis hin zu einen Monat nach dem vereinbarten Arbeitsbeginn reichen. In der Praxis wird ein jeweils gesonderter Nachweis nicht sinnvoll sein, sodass in aller Regel mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses der Nachweis insgesamt zu erfolgen hat.

Für Altverträge, die in vielen Fällen naturgemäß die neuen Anforderungen nicht erfüllen, sieht § 5 Satz 1 Nachweisgesetz vor, dass nur auf Verlangen des Arbeitnehmers die Niederschrift auszuhändigen ist. Dies hat dann allerdings spätestens am siebten Tag nach der Aufforderung zu erfolgen. Für einige Punkte gilt zwar eine längere Frist von einem Monat, praktikabel ist dies allerdings in aller Regel nicht.

Entsendung ins Ausland

Gemäß § 2 Absatz 2 Nachweisgesetz ergeben sich zudem Verpflichtungen bei Auslandssachverhalten, die der Arbeitgeber zu beachten hat. Danach müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die länger als vier aufeinanderfolgende Wochen ihre Arbeitsleistung im Ausland erbringen sollen, vor ihrer Abreise eine Niederschrift mit folgenden Zusatzangaben erhalten:

  • Land oder Länder, in denen gearbeitet werden soll und Dauer des Auslandsaufenthalts
  • Währung, in der die Entlohnung erfolgt
  • Gegebenenfalls vereinbarte zusätzliche Geld- oder Sachleistungen (auch Zulagen und Aufwendungsersatz)
  • Angabe, ob eine Rückkehr vorgesehen ist und gegebenenfalls Bedingungen der Rückkehr.

Sofern es sich um einen Aufenthalt in der EU handelt und die Entsenderichtlinie einschlägig ist, muss zudem nach § 2 Absatz 3 Nachweisgesetz die Entlohnung, auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dem Mitgliedstaat Anspruch haben sowie ein Link zu der offiziellen nationalen Website des Mitgliedstaates nach der Entsenderichtlinie genannt sein.

Weitere Änderungen durch den Gesetzesentwurf

Neben den oben genannten Änderungen des Nachweisgesetzes sollen dem Gesetzesentwurf zufolge weitere Gesetze angepasst werden.

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

Der neue § 13 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) soll zukünftig eine Regelung enthalten, wonach Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, die bereits sechs Monate in dem Betrieb tätig sind und den Entleiher nach einer Festanstellung fragen, Anspruch auf eine Begründung in Textform haben. Diese Begründung muss den Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern innerhalb eines Monats nach Äußerung des Wunsches zugehen. Ein Anspruch auf eine solche Begründung besteht jedoch nur, wenn nicht bereits in den letzten zwölf Monaten ein solcher Wunsch geäußert wurde. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um einen Anspruch auf eine begründete Antwort und nicht um  einen Anspruch auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages handelt. Zudem gibt es keine Sanktionsvorschrift, wenn diese nicht eingehalten wird.

Teilzeit- und Befristungsgesetz

a) Begründunganspruch

Ähnlich wie die Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sieht auch die Neuregelung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes vor, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Teilzeit, die länger als sechs Monate in einem Betrieb beschäftigt sind, Anspruch auf eine begründete Antwort in Textform, innerhalb eines Monats nach Äußerung ihres Wunsches die Arbeitszeit anzupassen, haben. Auch hier besteht kein Anspruch auf Umsetzung, es besteht lediglich der Anspruch auf eine Begründung in Textform. Zudem wurde auch hier keine Sanktionsvorschrift vorgesehen.

Ein solcher Anspruch besteht zudem zukünftig auch für Beschäftigte mit einem befristeten Arbeitsverhältnis. Aber auch hier besteht weder der Anspruch auf den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, noch sieht die Änderung des Gesetzes eine Sanktion bei einem Verstoß vor.

b) Abrufarbeit

Eine weitere Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes stellt die Neuformulierung von § 12 Absatz 3 dar, der die Abrufarbeit betrifft. So muss der Arbeitgeber den Zeitrahmen festlegen, in dem auf seine Anforderung hin gearbeitet werden muss, bestimmt durch (vereinbarte) Referenzstunden und Referenztage. Es gilt (wie bisher schon) eine Mindestankündigungsfrist von vier Tagen. Eine analoge Regelung findet sich im Nachweisgesetz, das heißt die vorstehenden Angaben müssen auch in dem Nachweis enthalten sein.

b) Probezeit

Darüber hinaus soll nach dem Gesetzesentwurf in § 15 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes folgender Absatz 3 eingefügt werden:

„(3) Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.“

Dieser Absatz beruht auf Artikel 8 der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen, wonach die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, dafür Sorge zu tragen, dass die Probezeitdauer „im Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrags und der Art der Tätigkeit steht“. Weder aus der Begründung zu dem Gesetzesentwurf noch aus der Richtlinie selbst geht hervor, wann eine solche Verhältnismäßigkeit gegeben sein wird. Hierdurch wird eine enorme Unsicherheit in der Gestaltung der Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen eintreten, die wohl nur durch gerichtliche Entscheidungen beseitigt werden kann. In jedem Fall führt die Unverhältnismäßigkeit nach der Begründung des Gesetzesentwurfs zur Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Probezeit, sodass die verkürzte Kündigungsfrist nach § 622 Absatz 3 BGB von 2 Wochen nicht greift.

Arbeitnehmerentsendegesetz

Der Gesetzesentwurf sieht eine neue Einfügung eines § 23c vor. Dieser verpflichtet inländische Arbeitgeber, die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland zur Arbeitsleistung im Inland einstellen, auf die Dienste der Beratungsstellen gemäß § 23a Arbeitnehmerentsendegesetz hinzuweisen.

Gewerbeordnung

Die Gewerbeordnung erhält einen neuen § 111, wonach die Kosten für Fortbildungen, die gesetzlich oder kollektivrechtlich verpflichtend sind und zur Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich sind, ausschließlich von dem Arbeitgeber zu tragen sind. Zudem müssen diese Fortbildungen während der Arbeitszeit stattfinden oder die Zeit muss gesondert vergütet werden.

Auswirkungen für die Praxis

Für Arbeitgeber sind die Auswirkungen dieses Gesetzesentwurfs nicht unwesentlich, da gerade das bislang kaum beachtete Nachweisgesetz tiefgreifende Änderungen erfährt, die sich auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen auswirken wird.

Bislang hatten Verstöße gegen das Nachweisgesetz kaum Auswirkungen, dies wird sich nun, aufgrund der Neueinführung eines Bußgeldes bei Verstößen gegen die Nachweispflicht, ändern. Ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz wird zur Ordnungswidrigkeit erhoben und mit einem Bußgeld von 2.000 Euro belegt. Als Arbeitgeber haben Sie zwar auch die Möglichkeit, den Anforderungen des Nachweisgesetzes durch Vorlage einer separaten Niederschrift nachzukommen, um diesen zusätzlichen Verwaltungsaufwand jedoch zu vermeiden, empfehlen wir eine Überprüfung und Anpassung Ihrer Arbeitsverträge. Hierdurch haben Sie der Vorschrift aus § 2 Nachweisgesetz genüge getan und vermeiden somit ein potenzielles Bußgeld. Zudem ersparen Sie sich den zusätzlichen Verwaltungsaufwand durch Erstellung einer Niederschrift der wesentlichen Arbeitsbedingungen.

Für bestehende Arbeitsverhältnisse besteht grundsätzlich zunächst kein Handlungsbedarf. Allerdings gibt die Gesetzesänderung auch bereits beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen Anspruch auf Vorlage der wesentlichen Arbeitsbedingungen nach dem neu angepassten Nachweisgesetz. Sollten daher Ihre Bestandsarbeitnehmerinnen und Bestandsarbeitnehmer eine Niederschrift über die neu hinzugekommenen Arbeitsbedingungen verlangen, müssen Sie diese binnen sieben Tagen beziehungsweise eines Monats (je nach Arbeitsbedingung) aushändigen, sonst kann auch hier ein Bußgeld drohen. Das Gleiche gilt – unabhängig von einem entsprechenden Verlangen der Beschäftigten – bei einer Änderung von nachweispflichtigen Vertragsbedingungen. In diesem Fall müssen Arbeitgeber pro-aktiv eine unterzeichnete Niederschrift aushändigen, um drohende Bußgelder zu vermeiden.

Wegen des ständigen Wandels des Arbeitsrechts empfehlen wir ohnehin, unabhängig von dieser Gesetzesänderung, eine Überprüfung der bestehenden Arbeitsverträge spätestens alle zwei Jahre, um zu vermeiden, dass Klauseln in Ihren Arbeitsverträgen aufgrund einer Gesetzesänderung oder höchstrichterlichen Rechtsprechung unwirksam geworden sind.

Neben den Änderungen des Nachweisgesetzes wird für Arbeitgeber die größte weitere Änderung das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Probezeit in befristeten Arbeitsverhältnissen sein. Um zu vermeiden, dass die Vereinbarung einer Probezeit wegen Unverhältnismäßigkeit unwirksam ist und damit bereits von Beginn des Arbeitsverhältnisses die längere Kündigungsfrist gilt, empfehlen wir daher eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Länge der Probezeiten in befristeten Arbeitsverhältnissen.

In Bezug auf die übrigen Änderungen durch den Gesetzesentwurf geht hiermit im Wesentlichen lediglich ein erhöhter administrativer Aufwand einher, da die Gesetzesänderungen keinerlei Sanktionsvorschriften enthalten.

Unsere Experten im Arbeitsrecht unterstützen Sie gerne mit ihrer jahrelangen Erfahrung und Kompetenz im Kollektiv- und Individualarbeitsrecht im Rahmen der Umsetzung des Gesetzesentwurfs in die Praxis. Gerne überprüfen wir daher Ihre bestehenden Arbeitsverträge und geben Ihnen eine Einschätzung, ob für Sie aufgrund der Umsetzung des Gesetzesentwurfs Handlungsbedarf besteht. Zudem können wir Ihnen eine Einschätzung geben, ob die durch Sie vereinbarten Probezeiten in befristeten Arbeitsverhältnissen der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Vereinbaren Sie gerne mit unseren Experten einen ersten Termin, in dem wir prüfen, wie wir Sie unterstützen können.