Erweiterte Möglichkeiten bei der steuerlichen Nutzung von Verlusten

Aktuell haben Unternehmen deutliche Ergebnisbelastungen durch gestiegene Energiepreise oder auch andere Rohstoffpreis zu verzeichnen. Betroffene Unternehmen sollten alle Instrumente nutzen, um diese Ergebnisbelastungen oder gar Verluste steuerlich geltend zu machen. So werden Liquiditätsbelastungen vermeiden.

Doch wie macht man das konkret? Im ersten Schritt muss geprüft werden, ob eine Anpassung der Steuervorauszahlungen angezeigt ist. Die Herabsetzung von Steuervorauszahlungen ist stets zu prüfen, denn sie ist ein einfaches und effektives Instrument zur Schonung von Liquidität. Aktuell ist eine Anpassung der Steuervorauszahlungen wie folgt möglich:

  • Für das Jahr 2021 ist noch eine (nachträgliche) Anpassung der Vorauszahlungen bis zum 30. September2023 möglich. Sie sollte genutzt werden, wenn nach vorläufiger Ermittlung voraussichtlich eine Steuererstattung zu erwarten ist. Die Anpassung der Vorauszahlungen entfaltet schneller Liquiditätswirkung als die Veranlagung durch das Finanzamt.
  • Die Anpassung der Vorauszahlungen für das Jahr 2022 ist bis zum 31. August 2024 möglich. Sie kann jetzt schon mittels Vorlage einer aktuellen BWA und einer Hochrechnung des voraussichtlichen Jahresergebnisses beantragt werden.
  • Ebenso sind die Vorauszahlungen für das Jahr 2023 in den Blick zu nehmen. Diese sind grundsätzlich bemessen nach der zuletzt vorliegenden Steuerveranlagung, also einem mehr oder weniger weit zurückliegenden Jahr. Liegt eine nutzbare Planung für 2023 vor, kann auf dieser Basis eine Anpassung der Vorauszahlzungen geprüft und ggf. beantragt werden.
  • Die Finanzverwaltung hat bekannt gegeben, dass sowohl Anträge zur Anpassung der Vorauszahlungen zur Einkommensteuer als auch zur Gewerbesteuer aktuell von den Finanzämtern zügig und großzügig bearbeitet werden.
  • Daneben erfolgte eine deutliche Ausweitung der Möglichkeiten des Verlustrücktrags:
  • Der Gesetzgeber hat mit dem Zweiten und dem Dritten Corona-Steuerhilfegesetz vom 29. Juni 2020 die Höchstbetragsgrenze beim steuerlichen Verlustrücktrag auch mit Wirkung für die GmbH für die Jahre 2020 und 2021 zunächst auf fünf Millionen Euro und dann auf zehn Millionen Euro erweitert. Mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz vom 19.06.2022 wurde der betragsmäßig erweiterten Verlustrücktrag auch auf die Jahre 2022 und 2023 ausgedehnt. Auch für Verluste der Jahre 2022 und 2023 ist also der Höchstbetrag beim Verlustrücktrag auf zehn Millionen Euro (bzw. 20 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer) angehoben worden. Ab 2024 soll dann wieder der ursprüngliche Betrag von einer Million Euro gelten. Dies gilt sowohl für die Einkommensteuer, als auch für die Körperschaftsteuer.
  • Zudem ist der Verlustrücktrag für Verluste aus 2022 auf zwei Jahre ausgedehnt worden. Wird also in 2022 ein Verlust erwirtschaftet, kann er mit positiven Ergebnissen in 2021 und mit positiven Ergebnissen in 2020 verrechnet werden. Das Gesetz sieht zwingend einen vorrangigen Rücktrag in das dem Verlustjahr vorangehende und dann nachrangig in das dem Verlustjahr zweite vorangehende Jahr vor.
  • Beachten Sie, dass der Verlustrücktrag nur für körperschaftsteuerliche und einkommensteuerliche Zwecke gilt. Bei der Gewerbesteuer können also Verluste unverändert nur mit künftigen Gewinnen aus Folgejahren verrechnet werden.

Die Möglichkeiten der periodenübergreifenden Verlustnutzung sind deutlich ausgeweitet worden. Damit kann zeitlich früher eine positive Liquiditätswirkung durch Minderung der Steuerbelastung erreicht werden. Werden für 2022 Verluste erwartet und kann dieser Verlust in die Vorjahre zurückgetragen werden, kann dies ggf. schon jetzt durch Herabsetzung der Vorauszahlungen für die Rücktragsjahre erfolgen. Insoweit bedarf es eines Antrags des Steuerpflichtigen.

Soweit Verluste nicht im Wege des Verlustrücktrags geltend gemacht werden können, können bilanzpolitische Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Verringerung der Verluste sinnvoll sein. So können bewusst Erträge in das Jahr 2022 verschoben werden oder auch durch sachverhaltsgestaltende Maßnahmen stille Reserven aufgedeckt oder in Rückstellungen Risikopositionen abgebaut werden. Diese Möglichkeiten sind für den Einzelfall zu prüfen.

Neue Rahmenbedingungen für die Steuerbilanz

Der anstehende Jahreswesel ist regelmäßig auch Stichtag des Jahresabschlusses. Die Änderungen des Steuerbilanzrechts sollten Unternehmen im Blick haben, denn sie können Handlungsbedarf auslösen

Neue Regeln zur steuerlichen Abschreibung

Die Rahmenbedingungen für die steuerlichen Abschreibungen haben sich geändert oder ändern sich zum Jahreswechsel. Sie sollten jetzt bei der Planung von Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden. Folgendes ist zu beachten:

  • Degressive Abschreibung: Nach aktueller Gesetzeslage läuft die degressive Abschreibung, die zeitlich befristet eingeführt wurde, nun zum 31. Dezember 2022 aus. Die degressive Abschreibung kann nach einem festen Prozentsatz vom jeweiligen Buchwert (Restwert) in Höhe von bis zu 25 Prozent, höchstens des Zweieinhalbfachen der linearen Abschreibung, berechnet werden. Degressive Abschreibung kann steuerlich bei neuen oder gebrauchten beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, wie z.B. Maschinen, Betriebsvorrichtungen, Fahrzeugen und Betriebs- und Geschäftsausstattung, angewendet werden. Bei immateriellen Wirtschaftsgütern wie z.B. Software kommt nur die lineare Abschreibung in Betracht. Nach aktuellem Stand läuft die Möglichkeit der degressiven AfA (Absetzung für Abnutzung) nun aus und besteht nur noch für Wirtschaftsgüter, die bis zum 31. Dezember 2022 angeschafft oder hergestellt werden. Prüfen Sie, ob ein Vorziehen der Anschaffung bzw. die Herstellung noch in das Jahr 2022 sinnvoll ist. In 2022 kann so zwar nur eine anteilige (1/12) AfA geltend gemacht werden, aber die degressive AfA wird dann für solche Wirtschaftsgüter für die gesamte Nutzungsdauer gesichert. Bei bereits angeschafften bzw. hergestellten Wirtschaftsgütern kann vor dem Hintergrund des Auslaufens der degressiven AfA diese bis zum Ende der Nutzungsdauer genutzt werden.
  • Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und Datenverarbeitung: Die Finanzverwaltung lässt es zu, dass die Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und Datenverarbeitung mit einem Jahr angesetzt wird. Weiterhin kann aus Vereinfachungsgründen im Jahr der Anschaffung bei diesen Wirtschaftsgütern bereits die volle Jahresabschreibung geltend gemacht werden. Dennoch sind diese Wirtschaftsgüter im Anlagevermögen aufzunehmen. Abweichend hiervon kann der Steuerpflichtige die Abschreibung auch nach der tatsächlichen Nutzungsdauer ansetzen.
  • Hinweis: Wenn diese „Sofortabschreibung“ noch im Wirtschaftsjahr 2022 genutzt werden soll, setzt das voraus, dass die Hard-/Software noch in 2022 angeschafft wird. An- und Abschlagszahlungen reichen nicht aus.
  • Gebäudeabschreibung: Mit dem Jahressteuergesetz 2022 soll die Gebäudeabschreibung insbesondere für Wohngebäude von derzeit zwei Prozent auf drei Prozent angehoben werden. Das soll für Gebäude gelten, die nach dem 30. Juni 2023 fertiggestellt werden. Maßgeblich für die Fertigstellung ist die Bewohnbarkeit nach Abschluss der wesentlichen Bauarbeiten. Andererseits soll die Möglichkeit des Nachweises einer kürzeren Restnutzungsdauer gestrichen werden. Bereits vor diesem Stichtag fertiggestellte Gebäude sind von dieser Änderung nicht betroffen, sondern insoweit gelten die aktuellen Regelungen fort.
  • „Superabschreibung“ für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung: Die im Koalitionsvertrag angekündigte Investitionsprämie für Klimaschutz und Digitalisierung („Superabschreibung“) wurde bislang nicht umgesetzt. Auch in 2023 soll sie voraussichtlich nicht umgesetzt werden. Ein Aufschieben solcher Investitionen dürfte also keinen steuerlichen Vorteil bringen.

Hinweis: Die Wahl der steuerlichen Abschreibungsmethode kann unabhängig von der Vorgehensweise in der Handelsbilanz erfolgen. ‚So kann den unterschiedlichen Zielsetzungen beider Rechenwerke entsprochen werden.

Wegfall der Abzinsungspflicht für langfristige Verbindlichkeiten

Verbindlichkeiten werden – anders als Rückstellungen – grundsätzlich handelsrechtlich nicht abgezinst. Das betrifft auch unverzinsliche oder niedrig verzinsliche Verbindlichkeiten. In der Steuerbilanz bzw. steuerlichen Gewinnermittlung waren bislang dagegen unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr zwingend mit einem Zinssatz von 5,5 Prozent abzuzinsen. Das gilt für Verbindlichkeiten, die nicht auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen. In der Praxis wurde diesem Abzinsungsgebot gerade bei Darlehen des Gesellschafters oder zwischen verbundenen Unternehmen dadurch ausgewichen, dass eine geringfügige Verzinsung von bspw. 0,5 Prozent vereinbart wurde.

Das bisher geltende Abzinsungsgebot wurde nun mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz aufgehoben. Das steuerliche Abzinsungsgebot für Rückstellungen ist unverändert geblieben. Zum Wegfall der Abzinsungspflicht bei unverzinslichen Verbindlichkeiten bestimmt die Anwendungsregelung:

  • Die Neuregelung ist grundsätzlich erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2022 enden. In der Regel also zwingend erstmals für das Wirtschaftsjahr 2023.
  • Auf Antrag kann eine Anwendung bereits auf frühere Jahre erfolgen.

Erfolgte bislang eine Abzinsung einer Verbindlichkeit, so bedeutet der Umstieg auf die Neuregelung, dass die Verbindlichkeit erfolgswirksam auf den Rückzahlungsbetrag zuzuschreiben ist. Es entsteht ein steuerlicher Aufwand. Aufgrund der Anwendungsregelung besteht nun ein Gestaltungsspielraum, in welchem Jahr der Aufwand aus dem Wegfall der Abzinsung steuerwirksam wird. Nach der Gesetzesbegründung soll die frühere Anwendung der Neuregelung immer dann möglich sein, wenn die Veranlagung noch nicht bestandskräftig ist. Dies würde auch ein Eingreifen in länger zurückliegende Jahre ermöglichen. Voraussetzung ist, dass die Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist oder Risiken der nachträglichen Abzinsung im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung bei bislang nicht erkannten bzw. nicht vorgenommenen Abzinsungen ausschließen.

In Verlustsituationen kann der Wegfall der Abzinsungspflicht ggf. auch als Gestaltungsinstrument genutzt werden: Besteht bspw. ein Gesellschafterdarlehen, so würde ein Wegfall einer bestehenden Verzinsung noch in 2022 zu einem steuerlichen Ertrag führen. Er kann einen bestehenden Verlust vermindern. Die Anwendung der Neuregelung in 2023 würde dann zu einem steuerlichen Aufwand führen. So käme es zu einer Ergebnisverschiebung.

Wir unterstützen Sie gern, um für Ihre Konstellation die günstigste steuerliche Möglichkeit zu ermitteln.

Vermögensverwaltende Gesellschaften: Vermeidung der gewerblichen Infizierung

Rein vermögensverwaltend tätige Personengesellschaften, wie z.B. im Falle einer Grundstücksverwaltung, unterliegen nicht der Gewerbesteuer. In der Praxis kommen diese Fälle sehr häufig vor. Zum Beispiel bei Erbengemeinschaften, die eine vermietete Immobilie verwalten oder bei der Verwaltung von Familienvermögen in Form von Immobilien in einer Personengesellschaft. In diesen Fällen ist zu beachten, dass, sobald diese Gesellschaft neben der vermögensverwaltenden Tätigkeit auch eine gewerbliche Tätigkeit aufnimmt, insgesamt gewerbliche Einkünfte vorliegen. Damit besteht eine Gewerbesteuerpflicht und Wertsteigerungen im Vermögen müssen umfassend steuerlich erfasst werden. Dies wird als gewerbliche Infizierung oder Abfärbewirkung bezeichnet. Der Gesetzgeber hat vor einigen Jahren diese gesetzliche Regelung präzisiert. Er formulierte, dass es unerheblich ist, ob aus der gewerblichen Tätigkeit ein Gewinn oder ein Verlust erzielt wird.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) v. 30. Juni 2022 (Az. IV R 42/19) zu sehen. Im Streitfall ging es um eine zunächst rein vermögensverwaltende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Jahr 2010 wurde auf einem Vermietungsobjekt der GbR eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage) errichtet. Die Finanzierung wurde von den Gesellschaftern A und B unter dem Namen der GbR aufgenommen. Die Rechnung für die Errichtung einer betriebsfertigen PV-Anlage wurde an die GbR gestellt. Die Anmeldung der PV-Anlage bei der Bundesnetzagentur, der Abschluss des Einspeisevertrags sowie einer Elektronikversicherung erfolgten ebenfalls unter dem Namen der GbR. Aus der PV-Anlage wurden im Streitjahr steuerliche Verluste erzielt.

Der BFH bestätigt im Streitfall, dass die gewerblichen Einkünfte aus dem Betrieb der PV-Anlage dazu führen, dass die GbR insgesamt – also auch mit der Vermietungstätigkeit – gewerbliche Einkünfte erzielt. Die Umqualifizierung erfolge allerdings nur dann, wenn die gewerblichen Einkünfte eine Bagatellgrenze – drei Prozent der Umsatzerlöse und 24 500 Euro absolut – überschreiten (was im Streitfall gegeben war). Dabei erfolgt die Prüfung der Bagatellgrenze im jeweiligen Veranlagungszeitraum und nicht unter Berücksichtigung veranlagungszeitraumübergreifender Entwicklungen der Verhältnisse.

Ebenso bestätigt der BFH das aktuelle Recht, nachdem – anders als nach der früheren Rechtsprechung – auch eine verlustbehaftete gewerbliche Tätigkeit die Abfärbewirkung entfaltet. Auch im Verlustfall gilt die Bagatellregelung.

Beratungshinweis: Der BFH bestätigt, dass die Abfärbewirkung vermieden werden kann, wenn die gewerbliche Tätigkeit in einer separaten – ggf. beteiligungsidentischen – Schwester-Personengesellschaft ausgeübt wird. Dies muss allerdings dann nach außen umgesetzt werden. Vorliegend hätten also Erwerb und Finanzierung der PV-Anlage über eine die separate Gesellschaft erfolgen müssen. Auch der Stromeinspeisevertrag hätte über diese Gesellschaft realisiert werden müssen. Die Steuerpflichtigen müssen für eine eindeutige Trennung sorgen. Soweit das im Einzelfall bislang nicht erfolgt ist, kann jetzt geprüft werden, ob diese Voraussetzungen noch bis zum 31. Dezember 2022 geschaffen werden können. So kann die Abfärbewirkung ab 2023 vermieden werden. In diesen Fällen – und ebenso bei einem jahresweisen Unterschreiten der Bagatellgrenze – ist besondere Vorsicht geboten im Hinblick auf eventuell vorhandene stille Reserven. Wir unterstützen Sie gerne in diesen Fällen.

Hinweis:

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 ist vorgesehen, dass ab dem Jahr 2023 diese Abfärbewirkung bei Betrieb von PV-Anlagen bis zu einer bestimmten Größe durch ansonsten vermögensverwaltende Vermietungsgesellschaften nicht eintritt. Dann wäre die Problematik – zumindest bis zu einer gewissen Maximalleistung der PV-Anlage – ab 2023 gelöst. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens (die 2./3. Lesung des Bundestags ist für den 2.12.2022 vorgesehen) bleibt abzuwarten.