Trotz steigender Kapitalmarktzinsen und hoher Inflationsraten dürften bei Anwendung geltender Abzinsungsvorschriften für Pensionsrückstellungen in Jahresabschlüssen die relevanten Diskontierungszinssätze zunächst weiter sinken. Wir beleuchten einen aktuellen Vorschlag des IDW, um Unternehmen in dieser Situation zu schützen.
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Der Beitrag wurde verfasst von unseren Experten Frank Schmid, Andreas Bonse und Johannes Alt

Aufgrund der bis Anfang des Jahres 2022 anhaltenden Niedrigzinsphase stellt sich schon seit längerem die Frage des damit verbundenen Ausweises der Pensionsrückstellungen in der Bilanz sowie den daraus resultierenden Auswirkungen auf das Ergebnis in der Gewinn- und Verlustrechnung. Mit Hilfe des durchschnittlichen Zinssatzes der vergangenen zehn Jahre gemäß § 253 Absatz 2 HGB, herausgegeben durch die Deutsche Bundesbank, werden Pensionsrückstellungen durch Abzinsung des jeweils zu erwartenden Erfüllungsbetrages ermittelt. Sinkt dieser Diskontierungszinssatz, erhöht sich c.p. gleichzeitig der Betrag der Pensionsrückstellung und damit auch der dafür im laufenden Geschäftsjahr anzusetzende Aufwand, der insofern dann eine unmittelbare Belastung für das Ergebnis und das Eigenkapital darstellt. Die Automobilindustrie stellt hier keine Ausnahme dar und ist vor allem durch Pensionszusagen vergangener Jahrzehnte wesentlich betroffen. Hierbei reichen, nach einer eigenen Recherche der Verfasser, die prozentualen Anteile der Pensionsrückstellungen am Gesamtkapital großer deutscher OEM´s und Zulieferer bis zu 17,1 Prozent. Damit stellen Pensionsrückstellungen für einige Unternehmen einen sehr wesentlichen Bilanzposten mit hoher Ergebnis- und Liquiditätswirkung dar. Gerade für strukturell schwächere oder kleinere Unternehmen im Automobilsektor kann es somit zu einer verhältnismäßig großen Ergebnisbelastung führen, wenn das Niedrigzinsniveau der letzten Jahre sukzessiv immer stärker im Zehn-Jahres-Durchschnittszinssatz reflektiert wird.

Seit dem Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine steigen jedoch die Kapitalmarktzinsen wieder. Trotzdem erwarten Prognosen versicherungsmathematischer Institute für das laufende sowie das kommende Kalenderjahr zunächst noch eine weitere Senkung des zehnjährigen Durchschnittszinssatzes. Diese Senkung als Folge der Zinsschmelze der vergangenen Niedrigzinsphase verstärkt die Auswirkungen der Krise durch ihren Einfluss auf den im Abschluss anzusetzenden Barwert zusätzlich. Hinzu kommt als gesamtwirtschaftliche Belastung eine erheblich gestiegene Inflationsrate, die für das Jahr 2022 durch das ifo-Institut mit zuletzt 8,1 Prozent angegeben wird und branchenspezifisch noch merklich höher ausfallen kann. In vielen Fällen resultiert daraus c.p. eine Erhöhung der voraussichtlich zu leistenden Pensionszahlungen und damit des prognostizierten Erfüllungsbetrags der Pensionsrückstellungen. Da sich ein weiterer Anstieg der Kapitalmarktzinsen erst in den kommenden Jahren abzeichnet, führen diese Effekte zusammen bei der Anwendung geltender Abzinsungsvorschriften in Jahresabschlüssen aktueller Geschäftsjahre aus ökonomischer Sicht noch zu einer deutlichen Überbewertung der Pensionsrückstellungen. Als Resultat ergibt sich eine Schwächung der Eigenkapitalbasis sowie daraus abgeleitete Risiken für Covenants, geplante Ausschüttungen oder ähnliche Steuerungsgrößen.

IDW bringt Sonderregelung ins Spiel

Vor allem um strukturell schwächere Unternehmen zu schützen und Krisenauswirkungen abzumildern, besteht hier kurzfristig Handlungsbedarf durch den Gesetzgeber. Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) hat sich hierzu bereits am 4. Oktober 2022 in einem Schreiben an den Bundesjustizminister mit einer konkreten Problemstellung sowie Anregungen zur Abmilderung des zuvor beschriebenen Effekts der Überbewertung geäußert. Dazu wird unter anderem eine vorrübergehende Abänderung der relevanten Gesetzestexte in Form einer Sonderregelung ins Spiel gebracht. Die Möglichkeit besteht zum einen in Form der Aufhebung der 2016 beschlossenen Abänderung des Betrachtungszeitraums für den Diskontierungszinssatz des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) von sieben auf zehn Jahre. Der Zinssatz des siebenjährigen Betrachtungszeitraums liegt aller Voraussicht nach für die Kalenderjahre 2022 und 2023 noch unterhalb des Zinssatzes des zehnjährigen Betrachtungszeitraums, stellt also zumindest kurzfristig keine Lösung dar. Eine Abänderung sollte daher erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Zum anderen bestünde die Möglichkeit der Festschreibung des zuletzt verwandten Zinssatzes des vergangenen Geschäftsjahres bis zu jenem Geschäftsjahr, an dem der nach den Berechnungsregeln des ursprünglichen BilMoG ermittelte Zinssatz diesen letztmalig genutzten Zinssatz übersteigt. Hier wird eine entsprechende Abänderung des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch (EGHGB) als geeignete Umsetzungsmöglichkeit angesehen. Auch langfristig wurden bereits Reformverschläge geäußert, die unter anderem einen gesetzlich festgeschriebenen Diskontierungszinssatz von etwa drei Prozent und eine regelmäßige Anpassung an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung vorsehen.

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