Im Hinblick auf die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern und Sachgesamtheiten haben sich BFH und Finanzgerichtsbarkeit zuletzt in verschiedenen Urteilen zu den diesbezüglichen Sperrfristen geäußert. Die Urteile zeigen eine unterschiedliche Herangehensweise, eröffnen gleichzeitig aber auch verschiedene Strukturierungsmöglichkeiten im Rahmen von Transaktionen und Umwandlungen.

Ertragsteuerliche Sperrfristen spielen im Rahmen von Transaktionen und Umwandlungen eine besondere Rolle. Im Falle einer Sperrfristverletzung kann die damit einhergehende (rückwirkende) Aufdeckung von stillen Reserven ein nicht unerhebliches Steuerrisiko bedeuten. Wirtschaftlich sinnvolle Restrukturierungsmaßnahmen werden hierdurch nicht selten verhindert oder zumindest zeitlich verschoben.

Werden Einzelwirtschaftsgüter (zum Beispiel Grundstücke) zu Buchwerten aus einem (Sonder-) Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen, unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft übertragen, sind rückwirkend die stillen Reserven aufzudecken, wenn das Wirtschaftsgut innerhalb einer Sperrfrist veräußert oder entnommen wird. Die vorgenannte Sperrfrist endet drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung des übertragenden Steuerpflichtigen für den Veranlagungszeitraum, in dem die betreffende Übertragung erfolgt ist. Eine rückwirkende Aufdeckung von stillen Reserven auf den Übertragungszeitpunkt ist ebenfalls vorzunehmen, soweit innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts der Anteil einer Körperschaft an dem übertragenen Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar erhöht oder erstmals begründet wird, zum Beispiel durch Übertragung von Anteilen der übernehmenden Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft.

Im Rahmen der buchwertneutralen Einbringung von Sachgesamtheiten (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von neuen Anteilen ist ebenfalls eine siebenjährige Sperrfrist zu beachten. Im Unterschied zur Sperrfrist bei der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern (s.o.) vermindert sich diese jedoch um jeweils 1/7 für jedes abgelaufene Zeitjahr seit dem Einbringungsstichtag.
Gemeinsame Zielsetzung der Sperrfristregelungen ist, dass die verkaufsvorbereitende Übertragung von unversteuerten stillen Reserven und eine damit einhergehende Statusverbesserung durch den steuerneutralen Wechsel vom Einkommensteuer- in das günstige Körperschaftsteuerregime vermieden beziehungsweise sanktioniert werden soll. Ein verkaufsvorbereitender Charakter wird dabei typisierend allein aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs unterstellt.

Im Hinblick auf die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) zuletzt in verschiedenen Urteilen vom 15. Juli 2021 (Aktenzeichen IV R 36/18) sowie vom 18. August 2021 (Aktenzeichen XI R 43/20 und XI R 20/19) zur diesbezüglichen Sperrfrist geäußert. Im Falle der unmittelbaren oder mittelbaren Begründung eines Kapitalgesellschaftsanteils an dem übertragenen Wirtschaftsgut sei zwar nach Ansicht des BFH der Wortlaut der Sperrfristregelung erfüllt. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift – namentlich der Verhinderung einer Statusverbesserung – sei jedoch insoweit eine teleologische Reduktion vorzunehmen, als es durch die vermeintlich sperrfristverletzende Transaktion nicht zu einem steuerneutralen Wechsel vom Einkommensteuer- in das Körperschaftsregime komme. Dies betrifft unter anderem diejenigen Fälle, in denen der betreffende Anteil an dem übertragenden Wirtschaftsgut bereits zuvor durch unmittelbare oder mittelbare Beteiligung einer (anderen) Kapitalgesellschaft im Körperschaftsteuerregime verhaftet war. Ferner scheidet nach Ansicht des BFH eine rückwirkende Aufdeckung von stillen Reserven dann aus, wenn die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft innerhalb der Sperrfrist voll entgeltlich erfolgt und es bereits insoweit zu einer Aufdeckung von stillen Reserven in den zuvor übertragenen Wirtschaftsgütern kommt. 

Im Gegensatz hierzu halten der BFH (vgl. Urteil vom 18. November 2020, Aktenzeichen I R 25/18) und zuletzt auch das Finanzgericht Münster in einem jüngeren Urteil vom 30. Dezember 2021 (Aktenzeichen 4 K 1512/15 F, Revision eingelegt, Aktenzeichen BFH I R 10/22) hinsichtlich der Sperrfristen bei der buchwertneutralen Einbringung von Sachgesamtheiten oder Anteilen an Kapitalgesellschaften nach dem Umwandlungssteuergesetz weiterhin an einer stringenten Rechtsprechung fest. Für eine teleologische Reduktion sei auch bei einer Beibehaltung des steuerlichen Status in diesen Fällen aufgrund der gesetzlich konkret geregelten Ausnahmen kein Raum.

Praxishinweis

Die genannten BFH-Urteile zur Sperrfrist bei der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern sind aus Sicht der steuerlichen Beratungspraxis grundsätzlich zu begrüßen, da sich durch eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Sperrfristregelung verschiedene Strukturierungsmöglichkeiten bieten. Die Reaktion der Finanzverwaltung auf die diesbezügliche Rechtsprechung bleibt allerdings abzuwarten. Vor diesem Hintergrund und auch der weiterhin stringenten Rechtsprechung im Falle der Einbringung von Sachgesamtheiten oder Anteilen an Kapitalgesellschaften sind mögliche Sperrfristverletzungen im Rahmen von Folgetransaktionen oder -umwandlungen weiterhin sorgfältig zu prüfen und in etwaige Strukturierungsüberlegungen einzubeziehen.

Die Experten von Grant Thornton beraten Sie gerne zu den diesbezüglichen Strukturierungs-möglichkeiten und helfen bei der Vermeidung von etwaigen Fallstricken.