Was sind die Risiken und Unsicherheiten bei Unternehmenstransaktionen mit Investoren aus dem Reich der Mitte? Wir blicken auf 2022 zurück und geben einen Ausblick auf den weiteren Verlauf dieses Jahres.

Warum investieren chinesische Unternehmen im Ausland durch M&A-Transaktionen?

Nach der Corona-Pandemie sehen chinesische Unternehmen ein verbessertes makroökonomisches Marktumfeld für M&A-Transaktionen im Ausland. Aufgrund der quantitativen Lockerung und der fiskalischen Stimulierungsmaßnahmen in vielen Ländern während und nach der Pandemie, haben sich die Marktliquidität und das zur Verfügung stehende Investitionskapital erheblich erhöht (unter anderem im ersten Halbjahr 2022). Es gibt in China erste Anzeichen für eine kräftige Erholung, was den Renminbi (RMB)-Wechselkurs begünstigt (dieser lag auf einem historisch tiefen Niveau in den letzten fünf Jahren) und die internationale Kaufkraft der chinesischen Investoren stärken dürfte. 

Des Weiteren entspricht es der Strategie chinesischer Unternehmen, durch M&A Transaktionen im Ausland Zugang zu neuen Technologien zu erwerben und dadurch ihr Risiko zu diversifizieren. Die zunehmende Entkopplung von US-amerikanischer und chinesischer Technologie veranlasst immer mehr chinesische Unternehmen, sich in anderen Ländern und Regionen umzusehen. Im Gegensatz dazu sind globale Akteure, unter anderem multinationale Unternehmen, an einer verstärkten Zusammenarbeit mit strategischen, lokalen Investoren und lokalen Partnern in China interessiert, ganz im Sinne der Maxime "Made in China, Consumed in China".

Eine weitere wichtige Veränderung des externen Umfelds besteht darin, dass die Corona-Pandemie dazu geführt hat, dass die digitale Transformation in allen Branchen unumgänglich geworden ist, wobei neue Kerntechnologien und digitale Anwendungen in jedem Teil der Wertschöpfungskette massiv an Bedeutung gewonnen haben. Dies hat sowohl chinesischen als auch globalen Investoren neue Investitionsmöglichkeiten eröffnet.

Risiken und Unsicherheiten der M&A-Transaktionen mit chinesischen Investoren

  • Das regionale und internationale industrielle Umfeld wird einen tiefgreifenden Einfluss auf die M&A-Trends haben. Die chinesischen inländischen industriepolitischen Maßnahmen sind weiterhin richtungsweisend für die M&A-Transaktionen, sowie für die regulatorische Überprüfung beziehungsweise Aufsicht von Vorschriften. In der Praxis rückt die Umsetzung industriepolitischer Maßnahmen in verschiedenen Bereichen der M&A-Aufsicht zunehmend in den Mittelpunkt.
  • Im ersten Halbjahr 2022 erholte sich das Volumen des weltweiten M&A-Marktes auf das Niveau vor der Corona-Pandemie. Jedoch verlangsamte sich seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres das Investitionstempo, aufgrund der Auswirkungen makroökonomischer Maßnahmen, wie etwa der Zinserhöhung der Federal Reserve. Betroffen sind auch chinesische Investoren.
  • Der Handelskrieg zwischen den USA und China tritt 2022 in eine neue Phase, da sich die US-Sanktionen weiterhin auf bestimmte Branchen und Unternehmen konzentrieren.
  • Der globale Klimawandel und die komplexe und unbeständige geopolitische Landschaft haben die nationale und internationale Energiesituation sowie die Aussichten für die Entwicklung neuer Energien zunehmend komplexer gemacht.
  • Das komplexe und unbeständige internationale Umfeld birgt gewisse Unsicherheiten für grenzüberschreitende M&A-Transaktionen (zum Beispiel durch kartellrechtliche Überprüfungen und nationale Sicherheitsüberprüfung).

Rückblick auf die grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen mit chinesischen Investoren / Unternehmen in 2022

Im Jahr 2022 meldeten grenzüberschreitende M&A Transaktionen chinesischer Unternehmen ein neues Allzeittief.

Europa ist nach Asien der beliebteste Zielort für M&A Investitionen der chinesischen Unternehmen, wobei Deutschland weiterhin sehr begehrt ist (ein Beispiel ist die Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens Cosco am Hamburger Hafen).

Nach Angaben der CAPCO („CHINA ASSOCIATION FOR PUBLIC COMPANIES“), zeigt die Gesamtzahl der grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen der an der börsennotierten RMB-Stammaktien-Unternehmen mit offengelegten Beträgen im Jahr 2022 einen Rückgang gegenüber 2021, auch der durchschnittliche Transaktionswert ist rückläufig. Gründe dafür sind unter anderem die wiederkehrenden Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Blick auf das Jahr 2023

Der Bericht des 20. Parteikongresses in China weist darauf hin, dass eine qualitativ hochwertige Entwicklung die wichtigste Aufgabe beim Aufbau eines modernen sozialistischen Landes ist, und zwar auf allen Ebenen.

In dieser neuen Entwicklungsphase werden Fusionen und Übernahmen sowie Umstrukturierungen als typischer Bereich der Marktallokation von Ressourcen zu einem wichtigen Mittel der „angebotsseitigen Strukturreform“ und spielen eine unersetzliche Rolle bei der Förderung der Qualitätsverbesserung von insbesondere börsennotierten chinesischen Unternehmen.

Mit der Aufforderung an börsennotierte Unternehmen, durch Fusionen und Übernahmen zu wachsen, hat die Aufsichtsbehörde Chinas erneut ein klares Signal gesetzt.

Nach Chinas jüngst verabschiedeter „dualer Kreislaufwirtschaftsstrategie“ wird der Schwerpunkt in den nächsten Jahren mehr auf dem Binnenwachstum liegen als auf Exporten und Welthandel. Vor diesem Hintergrund muss der „äußere Kreislauf" der Wirtschaft dem inländischen Wachstum dienen (zum Beispiel durch Auslandsinvestitionen und grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen). Transaktionen zum Erwerb internationaler Marken und fortschrittlicher Technologien werden sehr wahrscheinlich von den inländischen Regulierungsbehörden gefördert und unterstützt, solange sie dem Land zusätzliche Investitionen, Konsum und Beschäftigung bringen.

Wir gehen davon aus, dass chinesische Unternehmen einen gewissen Aufschwung bei Fusionen und Übernahmen im Ausland erleben werden, und erwarten für das zweite Halbjahr 2023 einen moderaten Anstieg des Transaktionsvolumens im Vergleich zum ersten Halbjahr.

Sowohl für deutsche Unternehmen (beispielsweise als Verkäufer/Sell-Side) als auch für chinesische Unternehmen (beispielsweise als Käufer/Buy-Side) könnten bei einer M&A Transaktion folgende Aspekte von Bedeutung sein:

  • Immer mehr Unternehmen neigen dazu bei Fusionen und Übernahmen professionelle Berater einzusetzen, um Risiken frühzeitig zu erkennen und weitestgehend zu vermeiden sowie um die Transaktion effizient durchzuführen. Neben M&A Advisory bezieht sich der größte Teil der professionellen Transaktionsberatung davon auf die Due Diligence (insbesondere Financial, Tax, Legal, Operating, Commercial Due Diligence usw.).
  • Chinesische Investoren unterliegen dem Verwaltungsverfahren zahlreicher staatlicher Aufsichtsbehörden im Ausland und im eigenen Land wie zum Beispiel NDRC („National Development and Reform Commission“) und Ministry of Commerce. Es ist sinnvoll, ein erfolgreiches Verwaltungsverfahren staatlicher Aufsichtsbehörden als eine der „Closing Conditions“ in den Kaufvertrag aufzunehmen.
  • In einer späteren Phase der Transaktion wird die Überlegung einer Akquisitionsstrukturierung aus steuerlicher Sicht für den Käufer notwendig sein.