Wenn ein Vertragspartner in Schieflage gerät, besteht häufig der Wunsch, sich von geschlossenen Verträgen zu lösen. Viele auf Dauer abgeschlossene Verträge wie Liefer- oder Vertriebsverträge enthalten sog. insolvenzabhängige Lösungsklauseln für solche Fälle. Ob eine Vertragsbeendigung auf eine solche Klausel gestützt werden kann, muss im Einzelfall untersucht werden. Wir informieren hier über die rechtlichen Anforderungen solcher Klauseln.
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Insolvenzabhängige Lösungsklauseln

Regelungen, wonach der Vertrag außerordentlich kündbar ist oder automatisch endet, wenn ein Vertragspartner in Zahlungsschwierigkeiten gerät oder insolvent ist, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nur wirksam, wenn für die Regelung ein sachlicher Grund vorliegt. 

Hintergrund ist, dass die Insolvenzordnung dem Insolvenzverwalter aus Gründen des Gläubigerschutzes ein Wahlrecht einräumt. Es greift hinsichtlich der Erfüllung solcher Verträge des Insolvenzschuldners, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht vollständig erfüllt sind. Zudem, so der BGH, besteht die privatautonom begründete Bindung an einen gegenseitigen Vertrag grundsätzlich auch in der wirtschaftlichen Krise fort. Das steht einem anlasslosen Lösungsrecht entgegen, so der BGH. 

Grundsätze des BGH

Der BGH hat allgemeine Grundsätze dazu aufgestellt, in welchen Fällen geforderte sachliche Gründe für eine insolvenzabhängige Lösungsklausel vorliegen. 

Vorliegen eines sachlichen Grundes

Ein sachlicher Grund liegt danach in der Regel in folgenden Fällen vor. Auf diese kann eine Vertragsbeendigung in der Regel gestützt werden. 

  • Wenn die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, des Insolvenzantrags oder der Insolvenzeröffnung vorliegenden Gründe nicht darauf abzielen, dass die Parteien mit der Lösungsklausel allein das Wahlrecht des Insolvenzverwalters unterlaufen und so über die Interessen der Insolvenzgläubiger disponieren wollen. Entscheidend ist bei dieser Beurteilung allein die Sicht vor bzw. bei Vertragsschluss sowie die objektive Sachlage. Subjektive Vorstellungen des Einzelfalls sind unerheblich. 
  • Die Vertragsparteien verfolgen innerhalb der vertragsautonomen Gestaltung der Verhältnisse nach der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Interessenlage eine insolvenzrechtlich gerechtfertigte Zielsetzung. Beispielhaft nennt der BGH den Fall, dass der Vertrag, der die Lösungsklausel enthält, als Teil einer Sanierung des Insolvenzschuldners zustande kommt und die Klausel dazu dient, die Risiken eines Scheiterns der Sanierung abzumildern. 
  • Die Beendigungsklausel lehnt sich eng an eine gesetzliche Lösungsmöglichkeit, insbesondere, weil sie nicht an insolvenzspezifische Umstände anknüpft, sondern etwa an den Verzug oder an sonstige Vertragsverletzungen.
  • Das Gesetz lässt eine Kündigung aus wichtigem Grund zu, und die Einordnung des Insolvenzantrags oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als wichtiger Grund ist gerechtfertigt. Das ist z.B. dann der Fall, wenn das mit der Insolvenz einhergehende Risiko die weitere Vertragserfüllung gefährden würde. Das wäre etwa beim privaten Bauvertrag, wo die Zuverlässigkeit des Unternehmers wesentlich ist für die Erreichung des Vertragszwecks sowie für die spätere Durchsetzung etwaiger Mängelrechte des Auftraggebers, der Fall.

Nichtvorliegen eines sachlichen Grundes

Laut BGH liegt in folgenden Fällen in der Regel kein sachlicher Grund vor, so dass eine Vertragsbeendigung regelmäßig nicht auf eine entsprechende Lösungsklausel gestützt werden kann:

-      In der betreffenden Lösungsklausel liegt eine Umgehung des zwingenden Wahlrechts des Insolvenzverwalters. Dies ist der Fall, wenn  

o    der insolvenzabhängige Umstand (und gerade nicht andere Umstände wie z.B. Verzug oder eine sonstige Pflichtverletzung) für sich allein die Lösung vom Vertrag ermöglicht. So beschränkt sich der Zweck der Klausel bei objektiver Betrachtung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses darauf, den Vertragspartner von den vertraglichen Bindungen zu befreien und somit, das Wahlrecht des Insolvenzverwalters zu vereiteln. Letztlich disponieren die Vertragsparteien dadurch nicht über ihre eigenen Interessen, sondern allein über diejenigen der Insolvenzgläubiger. 

o    die Klausel von gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten abweicht, ohne dass für diese Abweichungen bei objektiver Betrachtung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses berechtigte Gründe bestehen. Das ist z.B. der Fall, wenn die Klausel geringere Anforderungen an die Vertragsbeendigung stellt als das Gesetz. Der BGH nennt hier die Kündigungssperre für Vermieter und Verpächter. Danach kann ein Miet-/Pachtvertrag nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wegen eines vor dem Antrag eingetretenen Zahlungsverzugs gekündigt werden. 

-      Die Lösungsklausel soll dem Geldleistungsgläubiger – also dem Schuldner der Sachleistung – zugutekommen, der durch den betreffenden Vertrag zur fortlaufenden Lieferung von Waren verpflichtet ist. Der Geldleistungsgläubiger ist jedoch durch die ihm zustehenden gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechte hinreichend geschützt, wonach er seine Leistung bis zur Zahlung verweigern kann. Sollte er zur Vorleistung verpflichtet sein, kann er seine Leistung verweigern, wenn nach Abschluss des Vertrages erkennbar wird, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des anderen Teils gefährdet wird.

-      Es fehlt an einem schutzwürdigen Interesse des Kündigungsberechtigten, oder die schutzwürdigen Belange des Insolvenzschuldners überwiegen das Interesse des Ausübungsberechtigten, so dass er ausnahmsweise an der Ausübung des ihm an sich zustehenden Lösungsrechts gehindert ist. So nimmt der Kündigungsberechtigte z.B. keine berechtigten Belange wahr, wenn er die Insolvenz dazu nutzt, höhere Preise durchzusetzen. Das gilt auch, wenn ersich durch die Kündigung anlässlich der Insolvenz von einem Vertrag lösen will, dessen Durchführung durch die Insolvenz nicht weiter erschwert wird.

Individuelle Betrachtung von Verträgen im Krisenfall

Es kommt bei der Wirksamkeit von insolvenzabhängigen Lösungsklauseln auf den Einzelfall an. Maßgebliche Kriterien für die abschließende Beurteilung sind insbesondere 

  • der Vertragstyp, 
  • die objektiven Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und
  • die Interessen der Parteien. 

Ob das die Rechtssicherheit erhöht, darf bezweifelt werden – zumal ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer auf eine insolvenzabhängige Lösungsklausel gestützten Kündigung – und damit über die Rechtswirksamkeit der Lösungsklausel – unter Umständen Jahre dauert.

Sollten Sie hierzu Fragen haben, sprechen Sie uns gerne an.