EU-Beihilferecht

Ausgewählte Kernbereiche des CISAF im Detail

Philip Weyand
Von:
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Mit dem Clean Industrial Deal State Aid Framework (CISAF) hat die EU-Kommission einen neuen beihilferechtlichen Rahmen geschaffen, der gezielte und beschleunigte staatliche Förderungen für eine saubere, wettbewerbsfähige Industrie ermöglicht. Nachdem wir in einem separaten Insight bereits die allgemeinen Hintergründe zum Beihilferahmen für den Deal für eine saubere Industrie beleuchtet haben, gehen wir nun ins Detail: Wir werfen einen Blick auf die konkreten Inhalte des CISAF.
INHALTE

Ausgewählt haben wir hierfür mögliche Beihilfen in den folgenden Bereichen:

  • Ausbau Erneuerbare Energien und Speicherkapazitäten
  • Industriestrompreis(e)
  • Kapazitätsmechanismen
  • Produktion sauberer Technologien
  • Private Investitionen in Clean Deal Ziele

Lesen Sie nachfolgend zu den einzelnen Themen nähere Informationen. 

Zudem werden wir zu den konkreten Fördermaßnahmen in Deutschland – soweit sie umgesetzt werden – regelmäßig Updates liefern. Hinweis: Unser Insight zu den allgemeinen Hintergründen des CISAF lesen Sie hier.

1. Industriestrompreis – temporär und nur für energieintensive Sektoren mit hohem Abwanderungsrisiko  

Die EU-Kommission eröffnet erwartungsgemäß die Möglichkeit, einem begrenzten Unternehmenskreis Strompreisentlastungen befristet über Beihilfen zu gewähren („Industriestrompreis“). Dies dürfte auch der erste Anwendungsfall des CISAF in Deutschland werden, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) erarbeitet aktuell bereits eine entsprechende Beihilferegelung. 

Die EU-Kommission erkennt damit an, dass die Dekarbonisierung des unionweiten Stromsystems aktuell noch nicht umfassend zu immer wettbewerbsfähigen Strompreisen gegenüber Standorten mit geringeren Klimaschutzanforderungen führt. 

a.     Verlagerungsrisiko abwenden 

Diejenigen Unternehmen, deren Wertschöpfung in Konkurrenz zum Welthandel steht sowie gleichzeitig in hohem Maße vom Stromverbrauch abhängt, könnten aufgrund der geringeren Strompreise wirtschaftlich gezwungen sein, die Produktion an Standorte außerhalb der EU zu verlegen. Dieses Verlagerungsrisiko soll durch die befristete Entlastung – also bis auch die Strompreise im dekarbonisierten Stromsystem im globalen Wettbewerb konkurrenzfähig sind – aufgefangen werden.

Zeitlich bedeutet dies, dass die Regelungen zu etwaigen Industriestrompreisen sowohl auf drei Jahre befristet sein müssen, und unabhängig vom Startdatum Beihilfen nur bis Ende 2030 gezahlt werden dürfen. Diese Frist bedeutet übrigens nicht, dass die Kommission davon ausgeht, dass die Strompreise in den Mitgliedstaaten dann vollumfänglich wettbewerbsfähig auch im Vergleich zum globalen Markt sein werden. Vielmehr sollen die heute bewusst in Kauf genommenen, möglichen Marktverzerrungen fortlaufend überprüft werden können, eine mögliche Folgeregelung nach dem CISAF ist damit nicht völlig ausgeschlossen. Schließlich müssen die Beihilfen spätestens im Jahr nach dem tatsächlichen Stromverbrauch gewährt werden, andernfalls bestünde kein Anreiz, von einer möglichen Verlagerung abzusehen. 

b.     Nur energieintensive Industrien dürfen begünstigt werden - Kennzahlen

Nationale Regelungen dürfen Unternehmen als Begünstigte vorsehen,  

  • die jeweils eine Handels- und Stromintensität von mindestens 5 Prozent auf Unionsebene vorweisen,
  • die Multiplikation dieser unionsweiten Handels- und Stromintensität pro Unternehmen mindestens 2 Prozent ergibt und
  • die in einem Wirtschaftszweig tätig sind, der dem globalen Wettbewerb ausgesetzt ist, und damit ein Verlagerungsrisiko aufgrund günstigerer Strompreise außerhalb der EU birgt. 

Zur Bestimmung der betroffenen Wirtschaftszweige wird auf den bereits bekannten Anhang 1 Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen („KUEBLL“ - s. Mitteilung der Kommission 2022/C 80/01, Abl. C 80/1) zurückgegriffen. Diese bergen laut Kommission regelmäßig ein relevantes Verlagerungsrisiko. Wenn Mitgliedstaaten weitere derart energieintensive Unternehmen aus nicht dort gelisteten Wirtschaftszweigen berücksichtigen wollen, müssen sie unter anderem auch das Abwanderungsrisiko durch Sachverständigengutachten – vergleichbar der KUEBLL-Regelung – nachweisen. 

c.     Höhe der Förderung begrenzt

Die Beihilfen dürfen den durchschnittlichen jährlichen Großhandelspreis der Gebotszone des Empfängers um höchstens 50 Prozent ermäßigen und maximal die Hälfte des jährlichen Stromverbrauchs des Empfängers betreffen. Absolut darf der ermäßigte Preis aktuell nicht unter EUR 50/MWh liegen. 

d.     Unternehmen müssen ökologische Gegenleistungen erbringen

Schließlich müssen die Begünstigten auch beachtliche Gegenleistungen in Form von Investitionen erbringen. Diese Investitionen müssen anhand der Errichtung neuer Anlagen oder Modernisierung bestehender Infrastruktur dem Ziel der Kostensenkung des Stromsystems dienen, ohne den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu erhöhen. Der nicht abschließende Beispielkatalog im CISAF sieht etwa Investitionen etwa in Kapazitäten zur Entwicklung erneuerbarer Energien, Energiespeicher, Entwicklung von Elektrolyseuren zur Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff oder auch die Erhöhung der nachfrageseitigen Flexibilität als relevante Gegenleistung vor. Das Investitionsvolumen in die Gegenleistungen muss mindestens 50 Prozent des Beihilfebetrags betragen und die entsprechenden Investitionen müssen grundsätzlich nach spätestens 48 Monaten in Betrieb genommen werden. 

Die Kommission eröffnet den Mitgliedstaaten also für die Ausgestaltung sogenannter ökologischer Gegenleistungen einen Umsetzungsspielraum, der sich von den KUEBLL-Vorgaben unterscheidet. Inwieweit das BMWE zum Beispiel auch produktionsferne Investitionen als Gegenleistung verallgemeinern wird, bleibt abzuwarten.

2. Förderung Ausbau Erneuerbare Energien & Speicherkapazitäten (Strom, Wärme, erneuerbare Kraftstoffe)

Die Vorgaben für Beihilferegelungen zu Investitionen in Energien aus erneuerbaren Quellen, Speicherung von (u.a.) erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs sowie Investitionen in Strom- und Wärmespeicherung sind prominent zu Beginn in einem ersten Hauptbereich aufgeführt. Die Mitgliedstaaten dürfen im Rahmen der jeweils aufgeführten Vorgaben diese Technologien fördern, auch wenn sie nicht unter die bislang aufgestellten Beihilfeleitlinien passten. 

a.     Frist zur Vorhabenumsetzung maximal 48 Monate

Neben den spezifischen Vorgaben gilt für alle aufzusetzenden Beihilfeprogramme (mit wenigen Ausnahmen), dass die geförderten Vorhaben innerhalb von 48 Monaten nach Beihilfegewährung abgeschlossen und betriebsfähig sein müssen – ein entsprechender Sanktionsmechanismus muss in den Beihilferegelungen enthalten sein. 

b.     Investitionsbeihilfen und Preisstützungssysteme

Beihilferegelungen zur Förderung für Erneuerbare Energien sind zum Beispiel als Investitionsbeihilfen oder als direkte Preisstützungssysteme im Rahmen des CISAF möglich. Nur Förderung für Strom- und Wärmespeicherung darf ausschließlich über Investitionsbeihilfe gewährt werden.

Werden Investitionsbeihilfen gewährt, hängt die mögliche Beihilfehöhe von der Art der Vergabe (Ausschreibung oder Direktvergabe) ab. Bei vorheriger wettbewerblicher Ausschreibung sind grundsätzlich die gesamten Investitionskosten bis zur Grenze des Ergebnisses der Ausschreibung förderfähig. Bei direkten Zuschüssen können grundsätzlich bis zu 45 Prozent der beihilfefähigen Kosten gefördert werden, wobei sich der Satz je nach Unternehmensgröße um bis zu 20% erhöhen kann.

Investitionsbeihilfen in EE-Vorhaben sind grundsätzlich nur nach wettbewerblicher Ausschreibung zu vergeben, außer es handelt sich um Demonstrations- oder kleine Vorhaben (u.a. Windkraft bis 6 MW im Eigentum von KMU). 

Direkte Preisstützungssysteme können grundsätzlich frei gewählt werden, solange die finanzielle Vergütung unmittelbar von der erzeugten Menge abhängt. Lediglich beispielhaft werden für direkte Preisstützungssysteme Differenzverträge oder Einspeiseprämien im CISAF genannt. Will der Mitgliedstaat hingegen die Stromerzeugung direkt fördern, dürfen abweichend aber ausschließlich zweiseitige Differenzverträge mit einer maximalen Laufzeitbegrenzung von 25 Jahren als Fördervehikel gewählt werden. 

Insgesamt müssen die Preisstützungssysteme derart ausgestaltet sein, dass es nicht zu einer übermäßigen Verzerrung des effizienten Funktionierens des Marktes kommt. Betriebsanreize müssen erhalten bleiben. Insbesondere dürfen Beihilfen grundsätzlich nicht gezahlt werden, solange der Marktwert der Produktion negativ ist. Für kleinere Anlagen können Ausnahmen vorgesehen werden. Insgesamt sind grundsätzlich alle erwartbaren Nettokosten förderbar.

Der CISAF enthält darüber hinaus auch detaillierte Regelungen zur Förderung der nicht-fossilen Flexibilität sowie zur Beschleunigung einer verstärkten Nutzung kohlenstoffarmer Brennstoffe, auf die wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen.

3. Förderung von Produktion sauberer Technologien

Die EU strebt danach, bis 2030 mindestens 40 Prozent der Fertigungskapazitäten sowie Lieferketten von sogenannten Netto-Null-Technologien innerhalb des europäischen Binnenmarkts anzusiedeln. Ein weiteres Herzstück des CISAF soll daher die Ankurbelung der mitgliedstaatlichen (Re-)Industrialisierung für diese „sauberen“ Technologien sein. 

Die Mitgliedsstaaten dürfen also Fertigungskapazitäten für bestimmte saubere Technologien fördern. In Anhang II des CISAF werden diese Technologien abschließend gelistet. Förderfähig sind danach zum Beispiel Technologien für Solar, Windkraft und Batteriespeicherung, Wärmepumpen, CO2-Speicherung, Stromnetze (u.a. Umspannwerke, Verteilertürme aber auch Ausrüstung für Stromversorgung von Elektrofahrzeugen), Kernspaltung, Wasserstoff und weitere. 

Die Förderfähigkeit ist nicht nur an (i) Endprodukte, sondern auch (ii) an deren wichtigste Bauteile oder auch (iii) an die jeweils dafür erforderlichen kritischen Rohstoffe geknüpft.

Die Förderungen können entweder auf Grundlage von Investitionsbeihilferegelungen, im Rahmen einer Einzelprojektförderung („Ad-Hoc-Beihilfe“) oder in Form von Beihilferegelungen zu beschleunigten Abschreibungen erfolgen. 

a)     Investitionsbeihilferegelungen können sowohl für materielle Vermögenswerte (Anlagen, Grundstücke, Maschinen etc.) als auch für immaterielle Vermögenswerte (zum Beispiel Patente oder sonstiges geistiges Eigentum) gewährt werden. Die Beihilfehöhe bestimmt sich zunächst danach, ob die Investition in sogenannten Fördergebieten erfolgt:

  • In Nichtfördergebieten dürfen[WS3] [PW4]  maximal 15 Prozent der beihilfefähigen Kosten sowie höchstens EUR 150 Mio. je Projekt gefördert werden,
  •  in sogenannten C-Fördergebieten maximal 20 Prozent der beihilfefähigen Kosten sowie höchstens EUR 200 Mio. je Projekt, sowie
  • in sogenannten A-Fördergebieten maximal 35 Prozent der beihilfefähigen Kosten sowie höchstens EUR 350 Mio. pro Projekt.

Kleine und mittlere Unternehmen können von einer nochmaligen Anhebung um 10 bzw. 20 Prozent profitieren. Insgesamt müssen die Antragstellenden einen Eigenbetrag von mindestens 25 Prozent stellen, der keinerlei öffentliche Förderung enthält. 

Die Investitionsförderungen müssen mit durchaus bereits bekannten Bedingungen versehen werden. So müssen etwa die Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen fünf (KMU: drei) Jahre nach Abschluss des Projekts im Fördergebiet garantiert werden, sowie ebenfalls dass die Beihilfe nicht zu einer reinen Verlagerung der Produktion innerhalb des EWR zur geförderten Betriebsstätte verwendet wird. 

b)     Ad-Hoc-Beihilfen, also insbesondere die Förderung einzelner Vorhaben außerhalb eines Förderprogramms, dürfen nur dann erfolgen, wenn im Rahmen einer kontrafaktischen Szenarioprüfung plausibilisiert werden kann, dass die Investition ohne Beihilfe nicht im EWR getätigt würde. 

Diese Beihilfen sind ebenfalls gedeckelt und dürfen den niedrigeren der folgenden Beträge nicht übersteigen: 

  • der Betrag, den das Unternehmen nachweislich für ein ähnliches Projekt in einem Land außerhalb der EWR bekommen könnte,
    oder
  • der Betrag, den das Unternehmen mindestens benötigt, damit es die Investition innerhalb des EWR und nicht außerhalb tätigt („Finanzierungslücke“).

Der Zuwendungsbescheid sollte ebenfalls einen Rückforderungsmechanismus enthalten, um etwaige, zum Plausibilisierungszeitpunkt nicht ersichtliche Gewinne, rückfordern zu können. 

c)     Beschleunigte Abschreibungen dürfen als Beihilfe nur betreffend die Fertigung von Endprodukten, also nicht für wichtige Bauteile oder Rohstoffe, gewährt werden. Darüber hinaus müssen die geförderten Vermögenswerte neu, überhaupt abschreibungsfähig, zu marktgerechten Bedingungen erworben und auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen sein. Schließlich müssen die geförderten Werte auch mindestens fünf (KMU: drei) Jahre vom Unternehmen verwendet werden.

4. Förderung von Kapazitätsmechanismen (Stromversorgung)

Die Förderung von Kapazitätsmechanismen wird durch den CISAF zumindest für zwei Zielmodelle deutlich vereinfacht. Die Kommission hat einen klaren Kriterienkatalog (Anhang 1 CISAF) aufgelegt, im Rahmen dessen Mitgliedstaaten prüfen können, ob die Vorhaben entweder einer strategischen Reserve oder einem marktweiten Mechanismus im Sinne des CISAF entsprechen. Dann dürfen diese Modelle insbesondere der Stromanbieter für maximal zehn Jahre gefördert werden.   

Die Kommission adressiert durch klar definierte Zielmodelle gleich zwei bislang bestehende Hürden betreffend Bereitschaftskapazitäten im Strommarkt. Zunächst erlaubt der klare Zielkatalog des CISAF deutlich schnellere und wohl auch entschlackte beihilferechtliche Prüfungen. Darüber hinaus dürften die klaren Zielvorgaben sowie deren beihilferechtlichen Vorteile zu einer möglichen Harmonisierung der Kapazitätsmöglichkeiten innerhalb der EU beitragen – für den marktweiten Mechanismus wird auch ausdrücklich eine Öffnung für die grenzüberschreitende Teilnahme gefordert.

5. Förderung privater Investitionen in Clean Deal Technologien 

Die Kommission hat ebenso das Ziel vor Augen, großflächig privates Kapital für Investitionen in Clean Deal Technologien zu heben. Daher sieht der CISAF vor, dass Mitgliedstaaten mögliche Investitionsrisiken anteilig über beihilferelevante Maßnahmen verringern dürfen. 

Mitgliedstaaten dürfen daher Beihilferegelungen verabschieden, auf deren Grundlage staatliches Beteiligungskapital, Darlehen (auch nachrangig) oder Garantien für spezielle Fonds, die das Portfolio geförderter Vorhaben halten, die Risiken privater Investoren verringert. Soweit etwa als Fördervehikel ein Fonds gewählt wird, darf der maximale Nominalbetrag einer Investition nicht mehr als 200 Mio. EUR betragen. 

Förderfähige Vorhaben sind nicht alle CISAF-Bereiche, sondern primär Beihilfen zu 

  • Erneuerbaren Energien,
  • Investitionen in Fertigungskapazitäten sauberer Technologien,
  • Kreislaufwirtschaftsunterstützung,
  • der verstärkten Nutzung kohlenstoffarmer Brennstoffe,
  • dem Ausbau der nichtfossilen Flexibilität, sowie
  • der Dekarbonisierung der Industrie.

Die Mitgliedstaaten müssen die entsprechenden Fonds-Transaktionen über einen Finanzintermediär oder eine betraute Einrichtung durchführen. Diese werden zu Due-Diligence-Prüfungen betreffend Wirtschaftlichkeit und Risikodiversifizierungspolitik verpflichtet. Auch auf dieser Grundlage werden dann die privaten Investoren ausgewählt. Hier dürfte insgesamt eine sehr enge Abstimmung möglicher Investoren mit den Intermediären zu erwarten sein. 

Sie haben Fragen zur Anwendung des CISAF oder den darauf aufbauenden Fördermöglichkeiten? 

Sprechen Sie uns gerne an – unsere Teams aus dem Öffentlichen Wirtschaftsrecht, Energierecht, Public Sector, Advisory und Tax beraten gerne umfassend und interdisziplinär.