
Ausgangssituation
Gegenstand des Urteils ist der im Oktober 2018 erfolgte Erwerb von Anteilen an einer GmbH durch eine andere GmbH (Klägerin), die dadurch zur alleinigen Gesellschafterin wurde. Diese Anteilsübertragung führte zu einem Change of Control und damit zu einem schädlichen Beteiligungserwerb im Sinne des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG, der grundsätzlich zum Untergang steuerlicher Verluste führt. Anschließend wurde die GmbH rückwirkend auf den 30. September 2018 auf ihre Gesellschafterin verschmolzen (Upstream-Merger).
Die GmbH hatte bis Ende September 2018 einen Verlust erwirtschaftet. Für 2017 war bereits ein den Verlust übersteigendes positives zu versteuerndes Einkommen veranlagt. Die Finanzverwaltung wertete die Verluste der GmbH als nicht berücksichtigungsfähig und stellte keinen verbleibenden Verlust fest. Die Klägerin argumentierte jedoch, dass § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG nicht regelt, ob ein Verlustrücktrag ausgeschlossen ist, und dass der Zweck der Norm — die Verhinderung des „Verlusthandels“ — durch einen Rücktrag nicht berührt sei.
Das Finanzgericht (FG) Köln gab der Klägerin Recht (Urteil vom 08.12.2022, 13 K 198/20). Gegen dieses Urteil legte die Finanzverwaltung Revision ein.
Hintergrund
Bei einem Gesellschafterwechsel, der zu einem Change of Control führt, gehen nach § 8c Abs. 1 KStG grundsätzlich Verlustvorträge aus Vorjahren sowie Verluste des laufenden Jahres bis zum schädlichen Beteiligungserwerb unter. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll dies auch für Verlustrückträge gelten (BMF-Schreiben vom 28.11.2017, Rz. 2 und 31 Satz 2).
Von diesem Verlustuntergang existieren jedoch Ausnahmen, unter anderem:
- § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG (Konzernklausel)
- § 8c Abs. 1a KStG (Stille-Reserven-Klausel)
- § 8d KStG (fortführungsgebundener Verlustvortrag)
Diese Ausnahmetatbestände waren im konkreten Fall jedoch nicht einschlägig.
§ 8c KStG beschränkt nur Verlustnutzung mit zukünftigen Gewinnen – Verlustrücktrag bleibt möglich
Der BFH hat die Revision der Finanzverwaltung als unbegründet zurückgewiesen. Die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb entstandenen laufenden Verluste dürfen in vorangegangene Jahre zurückgetragen werden. Ein Verlustrücktrag ist damit nicht von § 8c KStG erfasst.
Der BFH führt unter anderem aus:
- § 8c KStG bezweckt, die Nutzung von Verlusten durch neue Anteilseigner auszuschließen – nicht jedoch den Abzug durch denjenigen, der die Verluste tatsächlich erlitten hat.
- Beim Verlustrücktrag wird ein Verlust nicht in die Zeit nach dem schädlichen Beteiligungserwerb übertragen, sondern ausschließlich in vergangene Perioden.
- Der Gesetzeswortlaut („bis zum schädlichen Beteiligungserwerb“) setzt keine Verlustfeststellung zum Jahresende voraus.
Damit bestätigt der BFH, dass unterjährige Verluste vor einem Change of Control trotz § 8c KStG rücktragsfähig bleiben.
§ 8c KStG bei ertragsteuerlichen Organschaften
Das BFH-Urteil fügt sich in die aktuelle Rechtsprechung ein. Erst kürzlich entschied das FG Düsseldorf (09.12.2024, 6 K 1772/20 K,G,F), dass bei Organschaftsverhältnissen unterjährige Verluste der Organgesellschaft zunächst mit dem Ergebnis des Organträgers verrechnet werden dürfen – erst danach greift § 8c KStG beim Organträger.
Praxishinweise bei geplanten Anteilsübertragungen
Bei bevorstehenden Anteilserwerben oder Umstrukturierungen, die zu einem Change of Control führen, sollten Unternehmen zum einen prüfen, ob Verluste bis zu einem Change of Control entstanden sind und zum anderen, ob eine entsprechende Dokumentation des Zeitpunktes des Anteilserwerbs sowie eine genaue Ermittlung oder Abgrenzung der bis dahin entstanden Verluste möglich ist. Für bereits ergangene Bescheide, bei denen ein Verlustrücktrag aufgrund § 8c KStG verweigert wurde, sollten die möglichen Verfahrensschritte überprüft werden. Gern sind wir Ihnen bei dieser Überprüfung behilflich.
Verfassungsmäßigkeit des § 8c KStG weiterhin ungeklärt
Die Verfassungsmäßigkeit des § 8c KStG ist beim Bundesverfassungsgericht nach wie vor anhängig (Az. 2 BvL 19/17). Die Kritik richtet sich insbesondere gegen die sehr weit gefasste Verlustvernichtung ohne Differenzierung zwischen missbräuchlichen und nicht missbräuchlichen Gestaltungen. Unternehmen sollten entsprechende Festsetzungen verfahrensrechtlich offenhalten.
Aktuelle Beratungshinweise – kurz notiert
Steuerfreiheit für Sanierungsertrag im Sonderbetriebsvermögen
Der BFH (Urteil vom 21.08.2025, IV R 23/23) entscheidet, dass § 3a EStG auch für Sanierungserträge im Sonderbetriebsvermögen gilt – vorausgesetzt, die Sanierung dient dem Fortbestand der gesamten Mitunternehmerschaft. Dokumentation ist entscheidend.
Buchwertfortführung bei Formwechsel in vermögensverwaltende Personengesellschaften
Das FG Hessen (Urteil vom 24.06.2025, 7 K 1188/21) widerspricht der Finanzverwaltung: Eine Buchwertfortführung bei einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft (vermögensverwaltend) ist auch möglich, wenn die Buchwerte aufgrund stiller Lasten über den gemeinen Werten liegen. Revision beim BFH (IX R 15/25) ist anhängig.