Mit unserer Reihe „Beratungspraxis Unternehmenssteuern“ informieren wir Sie monatlich über aktuelle und praxisrelevante Themen im Bereich des nationalen Ertragsteuerrechts für Personen- und Kapitalgesellschaften.
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Fließen Mittel von einer Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner ist steuerlich zu prüfen, ob es sich um eine steuerbare Gewinnausschüttung oder um eine grundsätzlich steuerneutrale Einlagenrückgewähr handelt. Dafür ist im Rahmen einer Verwendungsrechnung der sogenannte „ausschüttbare Gewinn“ zu ermitteln. Er ermittelt sich wie folgt:

Eigenkapital laut Steuerbilanz zum Schluss des vorigen Wirtschaftsjahres
./. gezeichnetes Kapital zum Schluss des vorigen Wirtschaftsjahres
./. positiver Bestand des steuerlichen Einlagenkontos des Vorjahres
= ausschüttbarer Gewinn des laufenden Wirtschaftsjahres

Bei Auskehrungen ist nach der gesetzlichen Festlegung zunächst der ausschüttbare Gewinn zu verwenden. Soweit der Mittelabfluss den ausschüttbaren Gewinn übersteigt, liegt eine Einlagenrückgewähr vor. Diese ist auf Ebene des Gesellschafters grundsätzlich steuerneutral. Das heißt, dass seitens der auskehrenden Gesellschaft kein Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen ist. Bei der empfangenden Gesellschaft liegt in dem Fall kein Beteiligungsertrag vor. Es erfolgt ein Abzug von dem Beteiligungsbuchwert. Gesetzliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Einlagenrückgewährt ist aber auch, dass die leistende Kapitalgesellschaft diese dem Anteilseigner bescheinigt.

Ist für einen Mittelabfluss bis zum Tag der Bekanntgabe des erstmaligen Bescheids über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen betreffend des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des Wirtschaftsjahres der Leistung eine Steuerbescheinigung nicht erteilt worden, gilt der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0,- Euro bescheinigt. Insoweit enthält das Gesetz eine Fiktion. Deshalb ist die Verwendung des Einlagenkontos von der ausschüttenden Körperschaft zu bescheinigen. Ansonsten wird die Auskehrung auf Ebene des Gesellschafters als Gewinnausschüttung und nicht als Einlagenrückgewähr behandelt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 17.05.2022 (VIII R 14/18) entschieden, dass die Fiktion der Einlagenrückgewähr in Höhe von 0,- Euro auch dann gilt, wenn nach der oben erläuterten Verwendungsrechnung tatsächlich kein ausschüttbarer Gewinn vorliegt, und das bereits zum Zeitpunkt der Ausschüttung. Das bedeutet, dass wenn im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Feststellungsbescheids die Gesellschaft keine Bescheinigung ausgestellt hat, sämtliche Mittelabflüsse an ihre Anteilseigner als steuerbare Gewinnausschüttungen qualifiziert werden. Eines ausschüttbaren Gewinns bedarf es dann nicht. Ein Gegenbeweis ist nicht möglich.

Der BFH hat sich in dem Urteil nicht dazu geäußert, ob eine Änderung des Feststellungsbescheides (z.B. durch einen Einspruch) eine Auswirkung auf die Fiktion einer bescheinigten Einlagenrückgewähr mit 0,- Euro hat.

Die Gesellschaft ist in diesem Fall zur Abführung von Kapitalertragsteuer (KapESt) verpflichtet. Da sie im Regelfall nicht einbehalten wurde, ist sie von der Gesellschaft an das Finanzamt abzuführen und vom Gesellschafter zurückzufordern. Ohne Rückforderung stellt die abgeführte KapESt eine verdeckte Gewinnausschüttung dar. Diese verdeckte Gewinnausschüttung wäre wiederum kapitalertragsteuerpflichtig. Ein Kaskadeneffekt ist nicht auszuschließen.

Gesellschaften mit Ansässigkeit im Ausland

Auch bei Körperschaften aus dem Ausland ist eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr möglich. Jedoch gelten alle Leistungen ausländischer Körperschaften mit Ansässigkeit in der Europäischen Union/dem Europäischen Wirtschaftsraum (EU/EWR) als grundsätzlich steuerpflichtige Gewinnausschüttungen, wenn eine gesonderte Feststellung der Einlagenrückgewähr nicht erfolgt ist. Die Steuerneutralität setzt somit voraus, dass das Feststellungsverfahren bei der Körperschaft aus dem EU/EWR-Ausland durchgeführt wurde. Das gilt auch, wenn eine inländische Veranlagung der Körperschaft im Übrigen nicht erfolgen braucht. Das bedeutet, dass ausländische Körperschaften mit im Inland steuerpflichtigen Anteilseignern das deutsche Feststellungsverfahren durchlaufen müssen. Zudem müssen diese eine entsprechende Bescheinigung über die Einlagenrückgewähr ausstellen. Nur so vermeidet der im Inland steuerpflichtige Anteilseigner eine Versteuerung der Einlagenrückwähr als Gewinnausschüttung.

Auch Körperschaften, die in Drittstaaten ansässig sind, können eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr durchführen (BFH v. 13.7.2016 – VIII R 47/13). Diese führen in der Regel kein Einlagekonto nach § 27 KStG. Maßgeblich ist, ob eine Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen vorliegt. Die Nachweispflicht trifft den Anteilseigner. Die Beschaffung der erforderlichen Nachweise kann im Einzelfall zeit- und kostenintensiv sein.

Nach Auffassung des BFH ist es nicht verfassungswidrig, dass inländische Anteilseigner einer Drittstaatenkapitalgesellschaft eine Einlagenrückgewähr nachweisen können, während inländischen Anteilseignern einer EU/EWR-Kapitalgesellschaft diese Möglichkeit nicht eröffnet ist (BFH v. 27.10.2020 VIII R 18/17). Jedoch äußert der BFH Bedenken, ob dies gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt (BFH v. 04.05.2021 – VIII R 14/20). Bisher ist hierzu kein Verfahren vor dem EuGH anhängig.

Praxishinweis

Bei Beschlüssen der Gesellschafterversammlung, dass Mittel der Gesellschaft an die Gesellschafter auszuzahlen sind, muss die Gesellschaft prüfen, ob und inwieweit eine Pflicht zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer besteht. Das gilt zum Beispiel für eine Ausschüttung oder eine Auskehrung aus der Kapitalrücklage. Die Gesellschaft sollte sofort neben der Kapitalertragsteueranmeldung und den Zahlungspflichten, dem Anteilseigner eine Bescheinigung nach dem amtlichen Muster ausstellen. Das gilt auch im Falle einer reinen Einlagenrückgewähr. So werden sowohl die anrechenbare Kapitalertragsteuer (zzgl. SolZ) als auch Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto bescheinigt. Das gilt auch, wenn Empfänger ein ausländischer Gesellschafter ist, für den diese Bescheinigung völlig irrelevant ist.

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Aktuelle Beratungshinweise - kurz notiert

Vororganschaftliche Mehrabführung bei unterlassener Teilwertabschreibung (FG Hamburg 6-K-40/21 Urteil vom 30.06.2022): Eine Teilwertabschreibung, die handelsbilanziell in Jahren vor der Organschaft unterlassen wurde, kann bei Nachholung eine vororganschaftliche Mehrabführung zur Folge haben. Auch wenn die Mehrabführung erst in organschaftlicher Zeit "realisiert" wird, kann sie vororganschaftlich veranlasst sein. Das gilt zum Beispiel, wenn der Geschäftsvorfall, auf den die Differenz zurückgeht, in einer Handels- oder Steuerbilanz vor Wirksamwerden des Ergebnisabführungsvertrages zu bilanzieren war. Für die Beurteilung, ob eine vororganschaftliche Mehrabführung vorliegt, darf eine fiktive Handelsbilanz mit der Steuerbilanz verglichen werden. Es darf nicht privilegiert werden, wer eine unkorrekte Bilanzierung vornimmt, im Vergleich zu dem, der handelsrechtlich korrekt bilanziert. Der zuletzt Genannte müsste die vororganschaftliche Mehrabführung nämlich als Gewinnausschüttung versteuern, während der unkorrekt Bilanzierende in den Genuss der Rechtsfolgen der Organschaft käme.

Zur Berechnung der Gebühr für eine verbindliche Auskunft in Umwandlungsfällen (FG Müns-ter Urteil vom 26.07.2022 ,13 K 1563/20 AO; Rev. BFH Az. I R 30/22): Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (AEAO zu § 89 AO Tz. 4.1.2) ist in dem Fall, dass verbindliche Auskünfte in Umwandlungsfällen einheitlich erteilt werden, nicht für jeden Antrag auf verbindliche Auskunft eine gesonderte Gebühr festzusetzen. Zudem ist nicht jeder abgebende, übernehmende oder entstehende Rechtsträger eigenständig zu beurteilen. Wenn eine einheitliche Gebühr für mehrere Antragsteller festzusetzen ist, müssen die Gegenstandswerte aller gestellten Anträge zusammengerechnet werden.

Zufluss von Kapitalerträgen beim beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapi-talgesellschaft (BFH v. 14.02.2022, VIII R 32/19): Dem beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft fließt ein Gewinnanteil im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses zu, wenn die Gesellschaft zahlungsfähig ist und er nach Maßgabe des ausländischen Rechts zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich über den Gewinnanteil verfügen kann. Wenn das ausländische Recht der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des beherrschenden Gesellschafters über den Ausschüttungsbetrag entgegensteht, ist noch kein Zufluss bei ihm gegeben.

Gewerbesteuerpflicht einer Immobilien-GmbH bzw. Betriebsstätte bei Einschaltung einer Dienstleistungsgesellschaft (BFH v. 23.03.2022, III R 35/20): Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Räumlichkeiten dann eigene Betriebsstätten i. S. des § 12 Satz 1 AO sein, wenn es sich um die einer eingeschalteten Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft handelt.  Das gilt auch, wenn kein vertraglich eingeräumtes eigenes Nutzungsrecht besteht. Allerdings gilt es nur, wenn die fehlende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung oder Anlage des Dritten durch eine eigene unternehmerische Tätigkeit vor Ort ersetzt wird (beispielsweise Identität der Leitungsorgane, fortlaufende nachhaltige Überwachung in den Räumlichkeiten des Auftragsnehmers). Allein die Übertragung von auch umfassenden Aufgaben ohne gleichzeitig eigene betriebliche Tätigkeiten vor Ort macht die Betriebsstätte der eingeschalteten Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft nicht zu einer eigenen Betriebsstätte des Auftraggebers. In diesem Ausnahmefall ist es möglich, dass eine GmbH mangels inländischer Betriebsstätte nicht der Gewerbesteuer unterliegt.

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