Mit Urteil vom 27.11.2024 (Az. I R 23/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass auch rein geschäftsleitende Holding-Personengesellschaften als Organträger im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft fungieren können – selbst dann, wenn keine entgeltlichen konzerninternen Dienstleistungen erbracht werden. Diese Entscheidung stellt eine deutliche Erweiterung des Verständnisses der gewerblichen Tätigkeit im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG und § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG dar.
INHALTE

Ausgangsfall: keine entgeltlichen Leistungen – dennoch Organträgerin

Im vorliegenden Fall hatte eine GmbH ihre Tochtergesellschaften im Rahmen einer Umstrukturierung auf eine neu gegründete Kommanditgesellschaft (KG) übertragen. Diese KG übernahm auch den Ergebnisabführungsvertrag mit einer Organgesellschaft. Obwohl die KG keine Arbeitnehmer beschäftigte und keine klassischen konzerninternen Dienstleistungen erbrachte, wurde die Körperschaftsteuererklärung unter Annahme einer fortbestehenden Organschaft abgegeben.

Das Finanzamt verweigerte die Anerkennung der Organschaft. Nach Auffassung der Verwaltung liegt ohne entgeltliche Dienstleistungen keine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vor. Entsprechend wurde auf das BMF-Schreiben vom 10.11.2005 verwiesen.

BFH: Aktive Geschäftsleitung reicht für gewerbliche Tätigkeit

Sowohl das FG Nürnberg als auch der BFH widersprachen dieser restriktiven Sichtweise. Entscheidend sei die tatsächliche Ausübung einer unternehmerischen Leitung. Die KG habe planmäßig Einfluss auf die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft genommen. Das wurde unter anderem durch Protokolle regelmäßiger Geschäftsführersitzungen belegt, in denen konkrete betriebliche Maßnahmen erörtert worden waren.

Der BFH stellt klar, dass keine entgeltlichen Leistungen gegenüber Tochtergesellschaften erforderlich sind, solange die Holdinggesellschaft aktiv in die Unternehmensleitung eingreift. Reines Halten von Beteiligungen reicht hingegen nicht aus.

Bedeutung des Urteils für die Praxis

Das Urteil stärkt die steuerliche Anerkennung geschäftsleitender Holding-Personengesellschaften als Organträger. Für bestehende Organschaftsstrukturen bedeutet das: Wer dokumentiert aktiv Einfluss nimmt, erfüllt auch ohne Dienstleistungsvertrag die Anforderungen an eine gewerbliche Tätigkeit.

Noch offen bleibt, ob für die Organträgereigenschaft mindestens zwei Beteiligungen erforderlich sind oder ob bereits eine Beteiligung ausreichen kann. Eine schriftliche Dokumentation der Geschäftsführungstätigkeit bleibt in jedem Fall essenziell.

Einordnung in den internationalen Kontext

Das Urteil betrifft das Jahr 2008. Ab 2012 ist zusätzlich erforderlich, dass Organbeteiligungen einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet sind (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sätze 4–6 KStG). Ob die im Urteil beschriebene Tätigkeit für diese Zuordnung genügt, hat der BFH nicht entschieden.

Relevanz für Wegzugsfälle

Die Einbringung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen in eine gewerbliche KG ist ein gängiges Mittel zur Vermeidung der Aufdeckung stiller Reserven bei Wegzug. Ob die hier beschriebene Tätigkeit der KG bereits zur Begründung einer inländischen Betriebsstätte genügt, bleibt ungeklärt. Steuerpflichtige sollten sich weiterhin an die Vorgaben der Finanzverwaltung halten.

Aktuelle Beratungshinweise – kurz notiert

FG Köln, Urteil vom 30.01.2025 – 10 K 101/21: Aufwendungen für Incentive-Reisen und Shoppinggutscheine an Versicherungsvermittler sind abzugsfähige Betriebsausgaben

Die im Rahmen eines Vertriebswettbewerbs anfallenden betrieblichen Aufwendungen für Incentive-Reisen und Shoppinggutscheine sind uneingeschränkt nach § 8 Abs. 1 S. 1 KStG i. V. m. § 4 Abs. 4 EStG zum Betriebsausgabenabzug als Sachprovision zugelassen. Im vorliegenden Urteilssachverhalt waren diese Leistungen im Rahmen eines Vertriebswettbewerbs im Vorfeld als zusätzlich ausgelobte Vergütung zwischen den Parteien vereinbart. Die von der Finanzverwaltung angeführten Abzugsverbote des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 EStG finden keine Anwendung: Die erhaltenen Leistungen stehen nämlich in einem unmittelbaren wirtschaftlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Vermittlung von Umsatzerlösen. Damit entsprechen sie einem Leistungsaustausch. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung bei den Versicherungsvermittlern die erhaltenen Vorteile als steuerpflichtige Einnahmen qualifizieren wird.

Kurzhinweise

Abzug ausländischer Steuern im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis (BFH vom 16. Oktober 2024, Aktenzeichen I R 16/20)

Ein isoliert gewerbesteuerlicher Betriebsausgabenabzug von ausländischen Quellensteuern ist bei körperschaftsteuerlicher Freistellung von Streubesitzdividenden nicht möglich. 

Neues BMF-Schreiben zur Begünstigung nicht entnommener Gewinne nach § 34a EStG 

Am 12. März 2025 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ein Anwendungsschreiben zur Einkommensteuertarifbegünstigung nicht entnommener Gewinne von Personengesellschaften und konkretisiert wesentliche Punkte. Es ersetzt das alte BMF-Schreiben vom 11. August 2008 und ist ab dem Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden.

Tantiemenzahlungen an den Minderheitsaktionär als verdeckte Gewinnausschüttungen? (BFH vom 24. Oktober 2024, Aktenzeichen I R 36/22)

Eine Vergütungsvereinbarung zwischen einer Aktiengesellschaft und einem Vorstandsmitglied, das zugleich Minderheitsaktionär der Aktiengesellschaft ist, führt nur dann zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn die Umstände des Einzelfalles eindeutig darauf schließen lassen, dass sich der Aufsichtsrat bei der Vergütungsvereinbarung einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds ausgerichtet hat.

BFH-Urteil vom 27.11.2024 – I R 19/21: Steuerrechtliche Behandlung eines Gesellschafterdarlehens, das einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft gewährt wird 

Ein Gesellschafterdarlehen, das einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft gewährt wird, ist steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Das gilt, wenn

  • die Darlehensverbindlichkeit der Gesellschaft ihrem Gesellschafter nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung steuerrechtlich zuzurechnen ist, und 
  • es zur steuerrechtlichen Anerkennung an der erforderlichen Personenverschiedenheit von Gläubiger und Schuldner fehlt (BFH-Urteile vom 18.05.2004 – IX R 42/01, BFH vom 07.06.2006 – IX R 14/04). 

Das Darlehensverhältnis führt in diesem Umfang weder beim Darlehensnehmer zu abzugsfähigen Werbungskosten noch beim Darlehensgeber zu Einnahmen aus Kapitalvermögen. Es ist als eine steuerneutrale Einlage zu behandeln.

Kurzhinweise

Abzug ausländischer Steuern im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis (BFH vom 16. Oktober 2024, Aktenzeichen I R 16/20)

Ein isoliert gewerbesteuerlicher Betriebsausgabenabzug von ausländischen Quellensteuern ist bei körperschaftsteuerlicher Freistellung von Streubesitzdividenden nicht möglich. 

Neues BMF-Schreiben zur Begünstigung nicht entnommener Gewinne nach § 34a EStG 

Am 12. März 2025 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ein Anwendungsschreiben zur Einkommensteuertarifbegünstigung nicht entnommener Gewinne von Personengesellschaften und konkretisiert wesentliche Punkte. Es ersetzt das alte BMF-Schreiben vom 11. August 2008 und ist ab dem Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden.

Tantiemenzahlungen an den Minderheitsaktionär als verdeckte Gewinnausschüttungen? (BFH vom 24. Oktober 2024, Aktenzeichen I R 36/22)

Eine Vergütungsvereinbarung zwischen einer Aktiengesellschaft und einem Vorstandsmitglied, das zugleich Minderheitsaktionär der Aktiengesellschaft ist, führt nur dann zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn die Umstände des Einzelfalles eindeutig darauf schließen lassen, dass sich der Aufsichtsrat bei der Vergütungsvereinbarung einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds ausgerichtet hat.

Dieser Beitrag wurde von unseren Expertinnen und Experten Karin Deuringer, Michael Faulhaber und Daniel Reichert verfasst.