Umsatzsteuer & Verrechnungspreise

EuGH bestätigt Umsatzsteuerpflicht bei Verrechnungspreisanpassungen

Benjamin Bergau
Von:
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Zusammenfassung

Die umsatzsteuerliche Behandlung von Verrechnungspreisanpassungen ist bislang nicht einheitlich in der EU geregelt. Mit Urteil vom 4. September 2025 bringt der EuGH mehr Klarheit: Bestimmte Anpassungen sind umsatzsteuerpflichtig – doch auch in Deutschland fehlt es weiterhin an eindeutigen Vorgaben.

INHALTE

Sachverhalt

Die zur Arcomet-Gruppe gehörende SC Arcomet Towercranes SRL (nachfolgend: Arcomet Rumänien) erwirbt und vermietet Kräne, um sie anschließend an ihre Kunden weiterzuverkaufen oder zu vermieten.

Die Arcomet Service NV Belgien (nachfolgend: Arcomet Belgien) übernimmt als Muttergesellschaft der Arcomet Rumänien bestimmte administrative Aufgaben wie zum Beispiel die Beschaffung von Lieferanten, die Verhandlung von Vertragsbedingungen im Namen von Arcomet Rumänien, das Flottenmanagement der verfügbaren Kräne sowie das Qualitäts- und Sicherheitsmanagement.

Zwischen den beiden Parteien wurde im Jahr 2012 ein Vertrag geschlossen, wonach die Vergütung für die Leistungen auf der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode (TNMM) gemäß OECD-Leitlinien basiert. Eine Vergleichbarkeitsstudie ergab, dass die Betriebsgewinne bzw. Betriebsergebnismarge von Arcomet Rumänien zwischen -0,71 Prozent und 2,74 Prozent liegen müsste. Der Vertrag sieht vor, dass, falls die Betriebsgewinne von Arcomet Rumänien 2,74 Prozent übersteigen, Arcomet Rumänien den übersteigenden Gewinn an Arcomet Belgien zahlt. Sollten die Verluste von Arcomet Rumänien hingegen unter -0,71 Prozent fallen, gleicht Arcomet Belgien den übersteigenden Betrag durch eine Zahlung an Arcoment Rumänien aus.

In den Jahren 2011, 2012 und 2013 überstiegen die Gewinne von Arcomet Rumänien die vereinbarte Marge. Arcomet Belgien stellte Arcomet Rumänien Rechnungen ohne Mehrwertsteuer aus und deklarierte sie als Dienstleistungen. Arcoment Rumänien versteuerte diese (teilweise) im Reverse-Charge-Verfahren und machte Vorsteuern geltend. Die rumänische Steuerbehörde verweigerte den Vorsteuerabzug mangels Nachweisen für die Leistungserbringung und deren Notwendigkeit für die Ausführung besteuerter Tätigkeiten in Rumänien.

Urteil des EuGH

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bewertet die Ausgleichszahlungen als Entgelt für eine steuerbare Dienstleistung. Nach Auffassung des EuGH hat Arcomet Belgien klar definierte Leistungen erbracht, die Arcomet Rumänien wirtschaftliche Vorteile verschafften. Die Ausgleichszahlungen stehen dabei in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den erbrachten Leistungen, da sie laut Vertrag als Vergütung für die Tätigkeiten von Arcomet Belgien vorgesehen sind. Dies gilt selbst dann, wenn die Zahlungen lediglich der Anpassung der Gewinnspanne nach dem Fremdvergleichsgrundsatz dienen.

Eine Ungewissheit hinsichtlich der Gegenleistung, die den unmittelbaren Zusammenhang aufheben könnte, sieht der EuGH nicht. Zwar sei die im Vertrag vereinbarte Vergütung variabel, da sie eine positive Gewinnspanne voraussetzt. Die Vergütung wird aber weder „aus freien Stücken gewährt, noch ist sie vom Zufall abhängig“. Vielmehr sind die Vergütungsmodalitäten im Vorfeld und anhand klarer Kriterien vertraglich geregelt und damit frei von Unwägbarkeiten. Dass sich die Zahlungsrichtung bei einer Gewinnspanne unter -0,71 Prozent umkehren würde, ist für die Beurteilung unerheblich, da dieser Fall nicht eingetreten ist.

Bezüglich des Vorsteuerabzugs stellt der EuGH klar, dass die Steuerbehörden berechtigt sind, neben der Rechnung weitere Nachweise zu verlangen, um die materiellen Voraussetzungen zu überprüfen. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob die betreffenden Eingangsleistungen tatsächlich erbracht wurden und ob sie für eigene steuerbare Umsätze verwendet wurden. Ein Nachweis über die Erforderlichkeit oder Zweckmäßigkeit dieser Leistungen darf jedoch nicht verlangt werden.

Praxishinweis – Klärung eines Sondersachverhalts

Die Bestimmung und steuerliche Behandlung von Verrechnungspreisen ist ein Dauerbrenner in Betriebsprüfungen. Bislang werden jedoch schon innerhalb der EU ganz verschiedene Ansichten zur Umsatzsteuerbarkeit von Verrechnungspreisanpassungen vertreten.

In manchen Mitgliedstaaten werden solche Anpassungen von der Verwaltung als gänzlich außerhalb des Anwendungsbereichs der Umsatzsteuer betrachtet, während andere Mitgliedstaaten hierfür nachträglich gezahlte Beträge einer sonstigen Leistung eigener Art zuordnen. In Deutschland wird oft vertreten, dass Anpassungen der Preise unabhängig von ihrer ertragsteuerlichen Veranlassung schlicht zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage für die im betroffenen Zeitraum tatsächlich erbrachten Leistungen führen.

Der EuGH stellt nun fest, dass Verrechnungspreisanpassungen jedenfalls dann der Umsatzsteuer unterliegen, wenn sie unmittelbar mit einer konkret vereinbarten (sonstigen) Leistung verknüpft sind. Damit dürfen gewinnbasierte Anpassungen nicht pauschal als umsatzsteuerlich unbeachtlich gelten.

Im Ergebnis wurde hier über einen Einzelfall geurteilt, da die Ausgleichszahlung im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags ausdrücklich als Entgelt für eine konkrete sonstige Leistung festgelegt wurde. In der Praxis sind die Sachverhalte selten so eindeutig – die zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen unterscheiden sich je nach Fallgestaltung. Nicht entschieden wurde, welche umsatzsteuerlichen Konsequenzen sich bei einer Ausgleichszahlung der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft im Falle einer zu niedrigen Marge der Tochtergesellschaft ergeben hätten. Des Weiteren wurde nicht die Problematik der Aufteilung der (regelmäßig pauschalen) Verrechnungspreisanpassung auf verschiedene Leistungen thematisiert.

Eine generelle Aussage, dass alle Verrechnungspreisanpassungen der Umsatzsteuer unterliegen, lässt sich aus diesem Urteil daher nicht ableiten. Offene Fragen im Umgang mit Verrechnungspreisanpassungen bleiben bestehen. 

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