Am 7. März 2025 haben die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) und der Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) dem Gesetzgeber im Rahmen eines Maßnahmenkatalogs Vorschläge zur Reform des Umsatzsteuerverfahrensrechts präsentiert. Ein eigenständiger § 23 UStG soll verfahrensrechtliche Lücken bei der Umsatzsteuer schließen. Ziel ist ein effektiver Bürokratieabbau, mehr Rechtssicherheit sowie die Stärkung des Neutralitätsprinzips.
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Der Grundsatz der Umsatzsteuerneutralität 

Im Umsatzsteuerrecht gilt das unionsrechtliche Neutralitätsprinzip: Bei einem Leistungsaustausch zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern wird die Umsatzsteuer vom Leistenden an das Finanzamt abgeführt. Sie wird durch den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers in der Gesamtbetrachtung neutralisiert. Unabhängig von der Anzahl der Wertschöpfungsstufen bleibt die Umsatzsteuer ein Durchlaufposten und belastet lediglich den Endverbraucher am Ende der Leistungskette.

Das Problem der Verletzung des Neutralitätsprinzips im Umsatzsteuerverfahren

Die vorgenannte Umsatzsteuerneutralität erfordert eine kongruente Steuerfestsetzung auf Grundlage eines einheitlich bewerteten Sachverhalts. In der Praxis gelingt das oft nicht. Da führt zu unzutreffenden Umsatzsteuerbelastungen und wettbewerbswidrigen Benachteiligungen. Die Ursache liegt in den verfahrensrechtlichen Vorgaben der Abgabenordnung. Sie ist auf das zweiseitige Steuerschuldverhältnis zwischen Steuerschuldner und Steuergläubiger (Finanzverwaltung) ausgerichtet. In der Umsatzsteuer besteht hingegen ein Viereck-Verhältnis zwischen Leistendem, Leistungsempfänger und deren jeweiligen Steuergläubigern. Das Mehrparteienverhältnis ist mit der Abgabenordnung nicht vereinbar. Das kann zu widersprüchlichen Steuerfestsetzungen führen, weshalb eine eigenständige verfahrensrechtliche Regelung für die Umsatzsteuer erforderlich ist.

Praxisbeispiele für eine inkongruente Umsatzsteuerfestsetzungen

a) Zwei Unternehmer, X und Y, gehen bei der Übertragung eines Geschäftes davon aus, dass es sich um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) gem. § 1 Abs. 1a UStG handelt. Der übertragende Unternehmer X weist auf seiner Ausgangsrechnung keine Umsatzsteuer aus und führt sie auch nicht ab. Jahre später stellt die Betriebsprüfung des Veräußerers X fest, dass die Voraussetzungen einer GiG nicht vorlagen. Gleichzeitig lehnt das für Y zuständige Finanzamt die Korrektur ab – es bleibt bei der Belastung.

b) Der Unternehmer M aus Deutschland liefert an den ebenfalls in Deutschland ansässigen Unternehmer N. N wiederum liefert an den italienischen Unternehmer O. Das Reihengeschäft wird in Deutschland und Italien unterschiedlich beurteilt – mit dem Risiko doppelter Besteuerung.

c) Ein im Ausland ansässiges Unternehmen stellt seinem in Deutschland wohnhaften Mitarbeiter einen Dienstwagen zur Verfügung. Der nutzt diesen auch für private Zwecke. Sowohl das Ausland als auch Deutschland nehmen eine Besteuerung vor – ohne Abstimmung.

Die Beispiele zeigen: Ohne verfahrensrechtliche Lösung wird das Neutralitätsprinzip der Umsatzsteuer regelmäßig durchbrochen. Das führt zu finanziellen Risiken.

§ 23 UStG als Lösungsansatz für ein modernes Umsatzsteuerverfahrensrecht 

§ 23 UStG soll folgende Reformelemente abdecken: 

  • Neutralitätsprinzip als gesetzliches Leitprinzip bei der Umsatzsteuerfestsetzung (Vgl. § 23 Abs. 1 UStG-E)
  • Möglichkeit des Antrags auf verbindliche Auskunft oder verbindliche Zusage (je nach Status der Verwirklichung des Sachverhalts) unter Hinzuziehung der anderen Beteiligten und Bindungswirkung für die jeweiligen Steuerfestsetzungen (Vgl. § 23 Abs. 2 UStG-E)
  • Einführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens auf Antrag des Unternehmers oder von Amts wegen, um eine zweifelsfreie und verbindliche Feststellung des Steuerschuldners sowie der Besteuerungsgrundlagen zu ermöglichen (Vgl. § 23 Abs. 3 UStG-E)
  • Möglichkeit einer korrespondierenden Änderung der Steuerfestsetzung sowohl beim Leistenden als auch beim Leistungsempfänger in Anlehnung an § 174 AO, um so das Neutralitätsprinzip der Umsatzsteuer zu wahren (Vgl. § 23 Abs. 4 UStG-E)
  • Einräumung der Option zur Beiladung bzw. Hinzuziehung des jeweils anderen Unternehmers, um widerspruchsfreie und korrespondierende Entscheidungen des Finanzamtes zu gewährleisten (Vgl. § 23 Abs. 5 UStG-E)
  • Unionsrechtlicher Direktanspruch des Leistungsempfängers auf Erstattung gegenüber dem Finanzamt bei unrechtmäßiger Besteuerung, um Rückabwicklungsprobleme infolge von Insolvenz oder Verjährung des Leistenden zu vermeiden (Vgl. § 23 Abs. 6 UStG-E)

Was sollten Unternehmen jetzt tun?

Unternehmen sollten die Entwicklungen rund um § 23 UStG-E genau beobachten.

Wir analysieren die Auswirkungen für Ihr Unternehmen und stehen Ihnen bei rechtlichen Fragen zur Seite. Sprechen Sie uns gerne an!

Dieser Beitrag wurde von unseren Experten Fabian Greco und Tim Haumann verfasst.