article banner
Jetzt lesen

Beratungspraxis Unternehmenssteuern

„Leitplanken“ für das Unternehmenssteuerrecht

Mit unserer Reihe „Beratungspraxis Unternehmenssteuern“ informieren wir Sie monatlich über aktuelle und praxisrelevante Themen im Bereich des nationalen Ertragsteuerrechts für Personen- und Kapitalgesellschaften. Unsere Ansprechpartner finden Sie unter den Artikeln.

Unsere Themen:

Inhalt:

BFH zu inkongruenten Gewinnausschüttungen einer GmbH

Kurzhinweise: Steuerliche Abzinsung verfassungsgemäß? – Formwechsel nach Einbringung von Kapitalgesellschaftsbeteiligung – Gewerbliche Infizierung bei Freiberuflergesellschaft – Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung

Februar 2022: Inkongruente Gewinnausschüttungen - (k)eine Frage offen?

Inkongruente beziehungsweise disquotale Gewinnausschüttungen sind Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften an ihre Anteilseigner, die nicht im Verhältnis der Geschäftsanteile vorgenommen werden. In verschiedensten Konstellationen besteht in der Praxis das Bedürfnis für solche inkongruenten Gewinnausschüttungen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn unterschiedliche Kapitalbeiträge der einzelnen Gesellschafter oder unterschiedliche Gewinnverwendungsziele berücksichtigt werden sollen.

Die steuerliche Anerkennung von derartigen Ausschüttungen führ(t)e zu kontroversen Diskussionen in der Fachliteratur, Rechtsprechung und mit der Finanzverwaltung. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem jüngst veröffentlichen Urteil vom 28. September 2021 (Aktenzeichen VIII R 25/19) hierzu ausführlich Stellung genommen und der Auffassung der Finanzverwaltung in Teilen deutlich widersprochen.

Auffassung der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung erkennt inkongruente Gewinnausschüttungen grundsätzlich an und folgt entsprechenden Gewinnausschüttungsbeschlüssen auch für die Besteuerung der Anteilseigner, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. BMF-Schreiben vom 17.12.2013):

  • Bei GmbHs muss im Gesellschaftsvertrag gemäß § 29 Absatz 3 Satz 2 GmbHG ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile festgesetzt werden oder
  • der Gesellschaftsvertrag enthält anstelle eines konkreten Verteilungsmaßstabes eine sogenannte Öffnungsklausel. Das ist eine Klausel, nach der Jahr für Jahr individuell entweder mit Zustimmung des beeinträchtigten Gesellschafters oder einstimmig über eine disquotale Gewinnverwendung beschlossen werden kann und ein solcher Beschluss tatsächlich gefasst worden ist.

Darüber hinaus fordert die Finanzverwaltung mit Blick auf einen möglichen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) einzelfallabhängig den Nachweis, dass für die vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Gewinnverteilung beachtliche wirtschaftlich vernünftige außersteuerliche Gründe nachgewiesen werden. Dieses unkonkrete Erfordernis eines Nachweises ist häufig Aufhänger für intensive Erörterungen.

Urteilsfall

Im Urteilsfall konnte die Gesellschafterversammlung einer GmbH mit einfacher Mehrheit eine abweichende Gewinnausschüttung beschließen (sogenannte Öffnungsklausel). Wurde der Gewinn eines Gesellschafters nicht ausgeschüttet, war dieser nach dem Gesellschaftsvertrag dem Gesellschafter auf einem personenbezogenen Rücklagenkonto gutzuschreiben. In späteren Jahren kann dann mittels Gesellschafterbeschluss diese personenbezogene Rücklage aufgelöst und einseitig an den betreffenden Gesellschafter ausgeschüttet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass nicht das Vorliegen eines Bilanzverlustes eine Ausschüttung sperrt.

Die Gesellschafterversammlung beschloss im Streitjahr, dass an die Minderheitsgesellschafter eine quotale Ausschüttung erfolgte, während die Gewinnanteile des geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters „nicht ausgeschüttet und den personenbezogenen Rücklagen zugeführt“ wurden. Die Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, dass (auch) dem geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters Einkünfte zugeflossen seien.

Auffassung des BFH

Der BFH führt in seinem Urteil aus, dass eine gesellschaftsrechtlich wirksam beschlossene inkongruente Gewinnverteilung grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen ist. Wie bei einer vollständigen Thesaurierung besteht kein Grund, den Beschluss der Gesellschafter über eine partielle, nach Gesellschaftern differenzierende Thesaurierung steuerlich nicht anzuerkennen. Somit kommt es im Streitfall bei dem Mehrheitsgesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen.

Dies steht nach Auffassung des urteilenden Achten Senats des BFH auch im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Zuflusszeitpunkt beim beherrschenden Gesellschafter. Ein (früherer) steuerlicher Zufluss von Gewinnanteilen im Fall einer Fälligkeitsbestimmung bedarf eines Gewinnausschüttungsbeschlusses in Bezug auf den beherrschenden Gesellschafter. Dieser lag im Urteilsfall jedoch nicht vor. Die Ausschüttung eines Gewinnanteils oder eines sonstigen Bezugs an den Kläger kann nach Überzeugung des BFH auch nicht fingiert werden.

Zu Fragen des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) in Fällen der inkongruenten Gewinnausschüttung findet der urteilende Senat deutliche Worte. Inkongruente Gewinnausschüttungen dienen nach der Urteilsbegründung der Innen- bzw. Selbstfinanzierung der Gesellschaft und beruhen auf anzuerkennenden wirtschaftlichen Gründen. Es ist nach Auffassung des urteilenden Senats weder untypisch noch unangemessen, dass Gesellschafter unterschiedliche Interessen an der Ausschüttung von Gewinnen haben und die Gesellschafterversammlung demgemäß entscheidet, dass nur bestimmte Gesellschafter Ausschüttungen erhalten, während der Gewinn im Übrigen vorerst einbehalten wird.

Fazit

Die dargestellte BFH-Rechtsprechung ermöglicht vor allem bei unterschiedlichen zeitlichen Vorstellungen zum Erhalt einer Gewinnausschüttung verschiedener Gesellschafter dies mit steuerlicher Wirkung durch Einstellung in und Auskehrung aus gesellschafterbezogenen Gewinnrücklagen zu steuern. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung diese Entscheidung über den Streitfall hinausgehend anwenden wird und damit ihre bislang restriktive Position im oben genannten BMF-Schreiben aufgibt. Wir sehen für die Praxis nun auf Basis dieser Rechtsprechung deutlich größere Gestaltungsspielräume. Wichtig ist allerdings stets, dass die inkongruente Gewinnverwendung zivilrechtlich wirksam ist, also der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel vorsieht. Wir beraten Sie im Bedarfsfall gerne.

 

 

Kurzhinweise

Höhe des Zinssatzes von 5,5 Prozent zur Abzinsung von betrieblichen Verbindlichkeiten und Rückstellungen für das Streitjahr 2013 verfassungsgemäß – Finanzgericht (FG) Münster vom 18. Januar 2022, Aktenzeichen 2 K 700/18 G, F, vorläufig nicht rechtskräftig. Das FG Münster bestätigt erneut, dass die Höhe des Zinssatzes von 5,5 Prozent gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 3 Satz 1 und Nummer 3a Buchstabe e Satz 1 EStG jedenfalls im Streitjahr 2013 keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen soll. Anders hatte das FG Hamburg in seinem Beschluss vom 31.1.2019, Aktenzeichen 2 V 112/18, EFG 2019, 525) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes geäußert. Das FG Münster hat die Revision zugelassen; abzuwarten bleibt, ob diese eingelegt werden wird und damit diese Frage dem BFH vorgelegt wird.

§ 21 UmwStG: Formwechsel der eingebrachten Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft löst Einbringungsgewinn II aus - FG Münster vom 30. Dezember 2021, 4 K 1512/15 F, Revision beim BFH (Aktenzeichen noch unbekannt). Nach der Entscheidung des FG Münster löst ein auf einen qualifizierten Anteilstausch nach § 21 Absatz 1 Satz 2 UmwStG taggleich nachfolgender Formwechsel der Kapitalgesellschaft, deren Anteile im Rahmen des Anteilstausches eingebracht wurden, in eine Personengesellschaft einen steuerpflichtigen Einbringungsgewinn II im Sinne des § 22 Absatz 2 UmwStG aus. Damit bestätigt das FG die Ansicht der Finanzverwaltung und folgt nicht der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum. Abzuwarten bleibt das nun anhängige Revisionsverfahren.

Gewerbliche Infizierung einer zahnärztlich tätigen Partnerschaftsgesellschaft durch Konzentration von Organisation-, Verwaltungs- und Leitungsaufgaben bei einem der approbierten Zahnärzte - FG Rheinland-Pfalz vom 16. September 2021, Aktenzeichen 4 K 1270/19, vorläufig nicht rechtskräftig. Das FG Rheinland-Pfalz hat die Revision wegen grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen, ob bei freiberuflichen Personen- oder Partnerschaftsgesellschaften eine Arbeitsteilung zwischen mehreren Berufsträgern so weit gehen kann, dass ein einzelner Berufsträger in einer zahnärztlich tätigen Mitunternehmerschaft nur in (allenfalls) marginalem Umfang Behandlungsleistungen an Patienten vornimmt, in der weit überwiegenden Vielzahl der Fälle und bezogen auf den allergrößten Teil der Umsatzerlöse der Gesellschaft aber keinerlei eigenen Betrag zur unmittelbaren Ausübung der Zahnheilkunde durch andere Berufsträger leistet und seine sonstigen Tätigkeiten für die Personengesellschaft zur mittelbaren Förderung der Berufsausübung der anderen Freiberufler auch nicht in einer Weise wahrnimmt, dass dies noch eigenverantwortlich und leitend erfolgt.

Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung (BMF vom 22.02.2022, Aktenzeichen IV C 3 -S 2190/21/10002 :025). Mit dem aktualisierten Schreiben des BMF, welches das bisherige Schreiben vom 26. Februar 2021 ersetzt, ergänzt die Finanzverwaltung ihre Rechtsauffassung, dass für bestimmte Computerhardware und immaterielle Wirtschaftsgüter eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden kann, insbesondere in Einzelfragen zur praktischen Umsetzung und Dokumentierung der Abschreibung der Wirtschaftsgüter. Das Schreiben findet erstmals Anwendung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2020 enden. Sprechen Sie uns gern insbesondere zu Fragen der praktischen Umsetzung und die Auswirkungen auf Ihren Jahresabschluss an.

 

 

list item with text on the right

GUT INFORMIERT!
Abonnieren Sie unsere kostenlosen Newsletter und Webinare

Jetzt anmelden!