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Beratungspraxis Unternehmenssteuern

Matthias Trinkaus Matthias Trinkaus

„Leitplanken“ für das Unternehmenssteuerrecht

Mit unserer Reihe „Beratungspraxis Unternehmenssteuern“ informieren wir Sie monatlich über aktuelle und praxisrelevante Themen im Bereich des nationalen Ertragsteuerrechts für Personen- und Kapitalgesellschaften. Unsere Ansprechpartner finden Sie unter den Artikeln.

Top-Thema: Aktuelle Entwicklungen bei der erweiterten Grundbesitzkürzung

Kurzhinweise: Formwechsel unschädlich für die erweiterte Grundbesitzkürzung / Zuordnung der Anteile an der Komplementär-GmbH zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II / Kein Sperrfristverstoß bei entgeltlicher Anteilsveräußerung

März 2022: Aktuelle Entwicklungen bei der erweiterten Grundbesitzkürzung – Chancen und Risiken für Immobilienunternehmen

Die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nummer 1 Sätze 2 ff. GewStG ist in der Praxis von großer Bedeutung für Immobilienunternehmen, die nur der Rechtsform nach gewerblich tätig sind. Dies gilt auch für separate Immobilieneinheiten in einer im Übrigen gewerblich tätigen Unternehmensgruppe. Die erweiterte Grundbesitzkürzung bietet Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, eine vollständige Freistellung von der Gewerbesteuer. Begünstigte Unternehmen unterliegen in diesen Fällen regelmäßig nur der Körperschaftsteuerpflicht und erhalten die Möglichkeit ihren Gewinn aus der Grundstücksverwaltung lediglich mit einem Körperschaftsteuersatz von ca. 15 Prozent zu versteuern. Die Vorschrift stand in der jüngsten Vergangenheit im Fokus von Rechtsprechung und Gesetzgebung. Wir geben Ihnen einen Überblick über die neuesten Entwicklungen.

Begünstigte Unternehmen – erweiterter Spielraum ab 2022 durch das Optionsmodell zur Körperschaftbesteuerung

Die erweiterte Grundbesitzkürzung ist nicht auf bestimmte Rechtsformen begrenzt. In der Praxis wird sie ganz überwiegend von (Immobilien-) Kapitalgesellschaften und gewerblich geprägten (Immobilien-) Personengesellschaften genutzt. Neuer Spielraum für Immobiliengesellschaften, die sich bewusst etwa aus gesellschaftsrechtlichen Gründen für die Rechtsform der GmbH & Co. KG entschieden haben, bietet die ab dem Wirtschaftsjahr 2022 gesetzlich eingeräumte Option zur Körperschaftbesteuerung gemäß § 1a KStG. Kern des Optionsmodells ist das Wahlrecht für Personengesellschaften, sich wie Kapitalgesellschaften besteuern zu lassen, um so eine rechtsformneutrale Besteuerung zu erreichen. Mit der Option zur Körperschaftsbesteuerung erfolgt ein vollständiger Abbau der Belastungsnachteile gegenüber der Kapitalgesellschaft im Fall der Gewinnthesaurierung für natürliche Personen als Gesellschafter. Das Steuersatzniveau kann im Fall einer Immobilien-GmbH & Co. KG unter Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung bei Gewinnthesaurierung von circa 45  auf circa 15 Prozent abgesenkt werden.

Unschädliche Nebentätigkeiten – Fondsstandortgesetz vom 3. Juni 2021

In der Vergangenheit herrschte regelmäßig Unsicherheit, welche Mietnebenleistungen neben der reinen Vermietung von Flächen schädlich sind und die erweiterte Grundbesitzkürzung ausschließen und welche Tätigkeiten sich noch im Rahmen der zulässigen reinen Vermietung bewegen. Zu nennen sind hierbei insbesondere die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen oder die Generierung von Einnahmen aus Stromerzeugnissen aus Photovoltaikanlagen. Diese Leistungen haben die Inanspruchnahme der erweiterten Grundbesitzkürzung grundsätzlich ausgeschlossen beziehungsweise erforderten große strukturelle Bemühungen.  

Mit dem Fondsstandortgesetz vom 3. Juni 2021 wurde mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 2021 der Katalog der unschädlichen, aber nicht begünstigten Tätigkeiten ergänzt. Nunmehr stehen dem Steuerpflichtigen zwei Bagatellgrenzen zur Verfügung, in denen separat erfasste Mietnebenleistungen zulässig und damit unschädlich für die erweiterte Grundbesitzkürzung sind. Die Einnahmen aus den folgenden Nebenleistungen sind zwar selbst gewerbesteuerpflichtig, infizieren aber nicht die Immobilienerträge:

  • Einnahmen aus der Lieferung von Strom aus erneuerbaren Energien oder dem Betrieb von E-Ladestationen in Verbindung mit dem Grundbesitz wenn sie nicht höher als 10 Prozent der Mieten sind.
  • Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes, zum Beispiel aus der Vermietung von Betriebsvorrichtungen, wenn sie nicht höher als 5 Prozent der Mieten sind.

Die Finanzverwaltung hat in Kürze die Veröffentlichung gleich lautender Ländererlasse zur Klarstellung der Anwendung des Fondsstandortgesetzes in Aussicht gestellt. Gegenwärtig befindet sich der Entwurf zur Abstimmung bei den Verbänden. Insbesondere von Interesse wird hierbei die finale Auffassung der Finanzverwaltung zur Einbeziehung von Gewinnen aus der Veräußerung von Photovoltaikanlagen und sonstigen Betriebsvorrichtungen sein.    

Änderung der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung – BFH-Urteil vom 16. September 2021

Wird betrieblicher Grundbesitz separat von dem operativen Betrieb gehalten, diesem aber zur Nutzung überlassen, ist stets zu prüfen, ob aus steuerlicher Sicht eine sogenannte Betriebsaufspaltung vorliegt. Eine Betriebsaufspaltung wird angenommen, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen wie eine Immobilie für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden („sachliche Verflechtung“) und die hinter beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben („personelle Verflechtung“). Hauptkonsequenz ist dann, dass die Überlassung des Grundbesitzes selbst nicht als rein vermögensverwaltende Tätigkeit gesehen wird, sondern insoweit eine originäre gewerbliche Tätigkeit begründet wird, die die erweiterte Grundbesitzkürzung ausschließt.

Nach bisheriger Rechtsprechung führte eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft nur an der Betriebsgesellschaft zur Betriebsaufspaltung. Eine solche mittelbare Beteiligung an der Besitzgesellschaft über Kapitalgesellschaften erfüllte bisher nicht die Voraussetzungen der Beherrschung der Besitz- und Betriebsgesellschaft, da die zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft hier eine Abschirmwirkung (Durchgriffsverbot) hatte. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) sieht mit Urteil vom 16. September 2021 (Aktenzeichen IV R 7/18) nun aber keine sachlichen Gründe mehr für diese von der bisherigen Rechtsprechung bei der Beantwortung der Frage einer personellen Verflechtung vertretene Unterscheidung zwischen einer mittelbaren Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft am Betriebsunternehmen und einer solchen am Besitzunternehmen. Vielmehr sei zur Beurteilung einer personellen Verflechtung die mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an einer Besitz-Personengesellschaft gleich zu behandeln mit einer mittelbaren Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an einer Betriebsgesellschaft. Somit kann in diesem Fall (auch) die Herrschaft über das Besitzunternehmen mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt und damit eine personelle Verflechtung begründet werden.

Dies bedeutet, dass Strukturen, bei denen bislang mittels Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft eine unmittelbare Beteiligung an der Besitzgesellschaft die Annahme einer steuerlichen Betriebsaufspaltung vermieden wurde, von der Rechtsprechung nicht mehr akzeptiert werden. Vielmehr wird in diesen Fällen nach der geänderten Rechtsprechung eine steuerliche Betriebsaufspaltung begründet. Bestehende Strukturen mit einer Besitzpersonengesellschaft sollten vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechungsänderung überprüft werden.

Positiv zu bewerten ist, dass der I. Senat des BFH keine Divergenz zu seiner Entscheidung zum Durchgriffsverbot im Rahmen einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung gesehen hat. In den Fällen einer Betriebsaufspaltung zweier Schwester-Kapitalgesellschaften dürfte die erweiterte Grundbesitzkürzung folglich weiterhin gewahrt sein.

Keine erweiterte Kürzung bei unterjährigem Grundstückserwerb – BFH-Urteil vom 27.10.2021

Streitig war, ob die erweiterte Grundbesitzkürzung auch bei erstmaliger Aufnahme der Grundstücksverwaltung im Laufe des Erhebungszeitraums in Anspruch genommen werden kann. Im konkreten Fall wurde das Grundstücksunternehmen in der Rechtsform der GmbH als Vorratsgesellschaft errichtet und in das Handelsregister eingetragen. Den Grundbesitz hatte die GmbH erst im weiteren Verlauf des Jahres erworben.

Der BFH hat entschieden, dass die GmbH die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nummer 1 Satz 2 GewStG im Gründungsjahr nicht beanspruchen kann. Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Kürzung sei, dass der Unternehmer ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalte und nutze. Der Unternehmer müsse während des gesamten Erhebungszeitraums der gemäß § 9 Nummer 1 Satz 2 GewStG begünstigten Tätigkeit nachgehen. Diese Voraussetzung sei nach Ansicht des BFH nicht erfüllt, da der Erhebungszeitraum mit der Eintragung der GmbH in das Handelsregister begann und die GmbH erst im weiteren Verlauf des Jahres Grundbesitz erstmals verwaltete.  

Gleiches gilt im Übrigen, insofern ein Unternehmen nach dem Verkauf des letzten oder einzigen Grundstücks bis zum Ende des Erhebungszeitraums nicht mehr der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes nachgeht. Auch in diesem Fall scheidet die erweiterte Grundbesitzkürzung (im Jahr der Veräußerung) aus. Insofern bedarf es einer hohen Sorgfalt beim Vertragsabschluss über den Verkauf des letzten Grundstücks und der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums zum Ende des Erhebungszeitraums.

Fazit

Die erweiterte Grundbesitzkürzung stellt weiterhin ein geeignetes Mittel für Immobilienunternehmen zur erheblichen Reduzierung ihrer Ertragsteuerbelastung dar. Die Vorschrift hat in der jüngsten Vergangenheit eine dynamische und – im Wesentlichen einengende - Fortentwicklung durch Gesetzgebung und Rechtsprechung erfahren. Insbesondere bedürfen bestehende Strukturen einer regelmäßigen Überprüfung. Wir beraten Sie gerne!

 

Kurzhinweise

Erweiterte Grundbesitzkürzung: Auslegung der Begriffe „Überführung“ beziehungsweise „Übertragung“ in § 9 Nummer 1 Satz 5 Nummer 2 GewStG bei Formwechsel: Die erweiterte Grundbesitzkürzung gilt grundsätzlich sowohl für laufende Mieterträge als auch für Veräußerungsgewinne der relevanten Immobilien. Hier gilt jedoch eine Einschränkung: Gemäß § 9 Nummer 1 Satz 5 Nummer 2 GewStG scheidet die erweiterte Grundbesitzkürzung aus, soweit der Gewerbeertrag Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven aus dem Grundbesitz enthält, der innerhalb von drei Jahren vor der Aufdeckung der stillen Reserven zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs überführt oder übertragen worden ist, und soweit diese Gewinne auf bis zur Überführung oder Übertragung entstandenen stillen Reserven entfallen. Im Falle eines Formwechsels einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft nimmt der BFH in seinem Urteil vom 27. Oktober 2021 (Aktenzeichen I R 39/19) zwar eine Vermögensübertragung im Sinne des § 9 Nummer 1 Satz 5 Nummer  2 GewStG an, rechnet jedoch die (im Urteilsfall mehr als drei Jahre betragende) Besitzzeit der Personengesellschaft der Kapitalgesellschaft über § 4 Absatz 2 Satz 3 UmwStG zu, so dass es im Ergebnis zu keiner (für die erweiterte Grundbesitzkürzung schädlichen) Anwendung von § 9 Nummer 1 Satz 5 Nummer  2 GewStG kommt.

Grundsätzlich keine Zuordnung der Kapitalbeteiligung des Kommanditisten zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II bei eigenem Geschäftsbetrieb der Kapitalgesellschaft von nicht ganz untergeordneter Bedeutung: Gemäß dem Urteil vom 21. Dezember 2021 (Aktenzeichen IV R 15/19) hat der BFH entschieden, dass die (Mehrheits-)Beteiligung eines Kommanditisten an einer Kapitalgesellschaft, die neben ihren geschäftlichen Beziehungen zur KG oder neben ihrer Geschäftsführertätigkeit als Komplementär-GmbH für die KG einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhält, in der Regel nicht dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen II zuzuordnen ist. Dies gilt auch dann, wenn die einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhaltende Komplementär-GmbH wirtschaftlich mit der GmbH & Co. KG verflochten ist und die Geschäftsbeziehungen aus Sicht der GmbH & Co. KG nicht von geringer Bedeutung sind (zum Beispiel entgegen Verfügung der OFD Nordrhein-Westfalen vom 17.06.2014). Die Entscheidung ist vor allem auch relevant bei der Frage der Erfassung und Abgrenzung aller sogenannten wesentlichen Betriebsgrundlagen bei steuerneutralen Einbringungen.

Kein rückwirkender Teilwertansatz nach § 6 Absatz 5 Satz 6 EStG bei vollentgeltlichem Erwerb unter Aufdeckung der stillen Reserven: Streitig war, ob die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils (enthielt gemäß § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer  1 EStG zu Buchwerten übertragene Wirtschaftsgüter) an eine andere Mitunternehmerschaft, an der wiederum Körperschaften beteiligt sind, einen rückwirkenden Teilwertansatz im Sinne des  § 6 Absatz 5 Satz 6 EStG begründet. Der BFH hat in seinem Urteil vom 18. August 2021 (Aktenzeichen XI R 43/20) das Gebot des rückwirkenden Teilwertansatzes nach § 6 Absatz 5 Satz 6 EStG entgegen dem Gesetzeswortlaut teleologisch eingeschränkt. Ein rückwirkender Ansatz von Teilwerten bei einer Einbringung zu Buchwerten wegen eines Sperrfristverstoßes im Sinne des  § 6 Absatz 5 Satz 6 EStG ist danach ausgeschlossen, wenn die vollentgeltliche Übertragung von Anteilen durch den Einbringenden innerhalb der Sperrfrist im Ergebnis zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in den zuvor eingebrachten Wirtschaftsgütern führt. Dies hat zur Konsequenz, dass die Gewerbesteuerbelastung auf die stillen Reserven bei der veräußerten Mitunternehmerschaft entsteht (und nicht rückwirkend beim Einbringenden).

 

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