In einem äußerst praxisrelevanten Urteil vom 8. Dezember 2022 (C-378/21, P GmbH) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt, dass es in manchen Fällen des unrichtigen bzw. unberechtigten Steuerausweises gem. § 14c Abs. 1 bzw. Abs. 2 UStG nicht zwingend einer Korrektur der falsch ausgestellten Rechnungen bedarf, um die Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt berichtigen zu dürfen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn keine Gefahr für das Steueraufkommen besteht, z.B. weil der Leistungsempfänger Endverbraucher ist und somit aus der Rechnung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

In dem genannten Paragrafen geht es darum, dass ein Unternehmer, der einen unrichtigen oder unberechtigten Umsatzsteuerausweis tätigt, diese Steuer schuldet, obwohl sein Leistungsempfänger kein korrespondierendes Recht auf Vorsteuerabzug hat. Grundsätzlich sieht § 14c UStG entsprechende Korrekturschritte vor – unter anderem die Ausstellung einer berichtigten Rechnung –, die Voraussetzung dafür sind, dass der leistende Unternehmer diese Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt berichtigen darf (d.h. diese erstattet bekommt). In der Praxis ist diese Regelung insbesondere dann problematisch, wenn gegenüber (vielen) Endverbrauchern Leistungen erbracht werden, da die Identität der Leistungsempfänger regelmäßig unbekannt ist und eine nachträgliche Berichtigungsmöglichkeit damit faktisch unmöglich ist.

Wie der EuGH nun zu dem ihm vorgelegten Fall betont hat, stellt die analoge unionsrechtliche Norm des Art. 203 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie jedoch maßgeblich auf eine abstrakte Gefährdung des Steueraufkommens ab. Eine solche besteht nach Ansicht des EuGH jedoch gerade nicht, wenn feststeht, dass die Leistungen ausschließlich gegenüber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Endverbrauchern erbracht wurden. Insoweit bleibt für die Anwendung dieser Norm bei fehlender Gefahr für das Steueraufkommen kein Raum und die Erforderlichkeit einer Rechnungsberichtigung entfällt.

Die Rechtsprechung des EuGH widerspricht insoweit der bisherigen deutschen Rechtsanwendung, da § 14c UStG keine derartige Einschränkung kennt und folglich dahingehend strenger ist als das Unionsrecht. Hintergrund dieser restriktiven Ansicht war bislang, dass man den Endverbraucher schützen wollte, da dieser einen Bruttopreis mit einem Unternehmer vereinbart und sich der Unternehmer im Nachhinein einen Teil der darin enthaltenen Umsatzsteuer von dem Fiskus zurückholt, ohne dass der Endverbraucher eine entsprechende nachträgliche Entlastung erfährt. Mit dieser jüngsten EuGH-Entscheidung wird diese Haltung jedoch nicht länger aufrechterhalten werden können. Sofern nun von Seiten der Finanzverwaltung keine unionsrechtskonforme Auslegung dieser Regelung erfolgt, wird sich der Steuerpflichtige im Zweifel unmittelbar auf das für ihn günstigere Unionsrecht berufen müssen. Beachtet werden sollte, dass der nun auch ohne entsprechende Korrektur vorhandene Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen wohl für den Veranlagungszeitraum der ursprünglichen Rechnungsausstellung entsteht, sodass – dieser Logik folgend – zusätzlich zu den Umsatzsteuerbeträgen auch Erstattungszinsen zu erwarten sind.

Problematisch werden in diesem Zusammenhang solche Fälle sein, in denen Unternehmer nicht ausschließlich an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Abnehmer geleistet haben, da sich hier die Frage der Beweislast bzw. der Nachweismöglichkeiten stellt. Unter Umständen wird man sich mit der Finanzverwaltung auf eine Lösung im Schätzwege einigen müssen.