Mit unserer Reihe „Beratungspraxis Unternehmenssteuern“ informieren wir Sie monatlich über aktuelle und praxisrelevante Themen im Bereich des nationalen Ertragsteuerrechts für Personen- und Kapitalgesellschaften.
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Die ertragsteuerliche Organschaft setzt neben der finanziellen Eingliederung (Beteiligung an der Organgesellschaft >50%) voraus, dass Organträger und Organgesellschaft einen Ergebnis- beziehungsweise Gewinnabführungsvertrag (GAV) abschließen und sich hierin für die Mindestdauer von fünf Jahren verpflichten, Gewinne an den Organträger abzuführen beziehungsweise Verluste der Organgesellschaft auszugleichen. 

Für die ertragsteuerliche Anerkennung der Organschaft reicht es allerdings nicht aus, dass der GAV „nur“ abgeschlossen wird, sondern er muss während seiner gesamten Geltungsdauer auch tatsächlich durchgeführt werden. Das Merkmal der tatsächlichen Durchführung ist dabei durch den Steuergesetzgeber nicht weiter konkretisiert und in der Praxis mithin oft Streitgegenstand im Rahmen von Betriebsprüfungen und Rechtsbehelfsverfahren. 

BFH konkretisiert Merkmal der tatsächlichen Durchführung

Nach der BFH-Rechtsprechung setzt die tatsächliche Durchführung des GAV voraus, dass er entsprechend der vertraglichen Vereinbarung vollzogen wird, das heißt dass das nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) ermittelte handelsbilanzielle Ergebnis tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt wird. Mit zwei aktuellen Urteilen vom 2. November 2022 (Aktenzeichen I R 37/19 und I R 29/19) hat der Bundesfinanzhof (BFH) das Kriterium der tatsächlichen Durchführung nun weiter konkretisiert. Hiernach ist auf erster Ebene Voraussetzung, dass die Ansprüche aus dem Organschaftverhältnis als Forderung beziehungsweise Verbindlichkeit in den betreffenden Jahresabschlüssen von Organträger und Organgesellschaft gebucht werden müssen. Die unterlassene Bilanzierung der Ansprüche führe selbst dann zu einer Nicht-Durchführung des GAV, wenn im Anschluss ein tatsächlicher Ausgleich durch Zahlung erfolgt. Eine schädliche Nicht-Durchführung liegt nach Ansicht des BFH ferner dann vor, wenn ein vorläufiger Jahresabschluss der Organgesellschaft aufgrund Insolvenz nicht mehr korrigiert werden kann und das nach den GoB ermittelte handelsbilanzielle Ergebnis im endgültigen Jahresabschluss anders ausgefallen wäre.

Neben einer zutreffenden bilanziellen Abbildung stellt sich auf zweiter Ebene die Frage, in welcher Form und in welchem Zeitraum die Ansprüche aus dem Organschaftsverhältnis zwischen den Parteien auszugleichen sind. In Betracht kommen dabei der Ausgleich durch tatsächliche Zahlung oder Leistung an Erfüllungs statt (zum Beispiel Abtretung einer werthaltigen Drittforderung) aber auch die Aufrechnung mit einer werthaltigen Gegenforderung sowie die Novation in ein (verzinsliches) Darlehen. In der Praxis häufig anzutreffen ist die Abwicklung des GAV über ein Verrechnungskonto beziehungsweise einen konzerninternen Cash-Pool. Nach einer aktuellen Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Köln vom 21. Juni 2022 (Aktenzeichen 10 K 1406/18, Revision eingelegt: Aktenzeichen beim BFH: I R 37/22) sollte die tatsächliche Durchführung mittels Verrechnungskonto jedenfalls dann anzuerkennen sein, wenn ein regelmäßiger Ausgleich der Salden stattfindet und das Verrechnungskonto darüber hinaus nicht allein der Abwicklung des GAV dient.

Zeitraum für Ausgleich der Ansprüche aus Organschaftsverhältnis bleibt ungeklärt

Die Frage des Zeitraums für den Ausgleich der Ansprüche aus dem Organschaftsverhältnis ist bislang höchstrichterlich ungeklärt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sollen die Ansprüche nach Fälligkeit innerhalb einer angemessenen Zeit ausgeglichen werden. Die Auffassungen im Fachschrifttum reichen von einem sofortigen Ausgleich nach Bilanzaufstellung über einen Ausgleich innerhalb eines Zeitraums von drei bis zwölf Monaten bis hin zu einem Ausgleich der Ansprüche bis (spätestens) zum Ende der Organschaft. Das FG Köln hat sich in seiner aktuellen Entscheidung der Finanzverwaltung angeschlossen und einen Ausgleich innerhalb angemessener Zeit gefordert. Der Ausgleich des im zugrunde liegenden Sachverhalt verwendeten Verrechnungskontos erst nach einem mehrjährigen Zeitraum wurde jedenfalls als organschaftsschädlich eingeordnet. Sinnvoll kann es sein, die Fälligkeit des Ausgleichs im GAV zu regeln. Insoweit muss die Regelung fremdüblich ausgestaltet sein und auch tatsächlich durchgeführt werden.

Scheitert die tatsächliche Durchführung des GAV bereits während der fünfjährigen Mindestlaufzeit, entfällt die ertragsteuerliche Anerkennung (rückwirkend) für den gesamten Zeitraum der Organschaft. Hieraus resultiert in der Regel ein nicht unerhebliches Steuerrisiko für Organträger und Organgesellschaft. Neben einer sorgfältigen Prüfung und Formulierung des Vertrags ist daher auch in der Folgezeit eine fortlaufende und lückenlose Überwachung der bilanziellen Abbildung und tatsächlichen Durchführung des GAV zwingend geboten. Um Diskussionen beziehungsweise einen Aufgriff durch die Finanzverwaltung zu vermeiden, sollte der Ausgleich der Ansprüche aus dem Organschaftsverhältnis mittels (Cash-) Zahlung oder einer der oben genannten Alternativen dabei so früh wie möglich nach Feststellung des betreffenden Jahresabschlusses der Organgesellschaft erfolgen. 

Die Experten von Grant Thornton beraten Sie zu allen Fragestellungen rund um den Abschluss und die Durchführung des GAV. Sprechen Sie uns gerne an.

Aktuelle Beratungshinweise – kurz notiert

Keine Bildung einer Pensionsrückstellung bei Zusage unter Vorbehalt: Mit Urteil vom 6. Dezember 2022 (Aktenzeichen IV R 21/19) hat sich der BFH zur steuerrechtlichen Zulässigkeit einer Pensionsrückstellung geäußert, wenn die Pensionszusage unter Vorbehalt gewährt wird. Enthält eine Pensionszusage einen Vorbehalt, demzufolge die Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann, ist die Bildung einer Pensionsrückstellung nach Ansicht des BFH steuerrechtlich nur zulässig, wenn der Vorbehalt positiv – das heißt ausdrücklich – einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand normiert, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gestattet.

Bewertung eines GmbH-Anteils mit stark disquotal ausgestalteten Rechten: Bleiben die Gewinnbezugs- und Stimmrechte, mit denen ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft ausgestattet ist, erheblich hinter dem Anteil am Nominalkapital zurück, ist dies nach einer aktuellen Entscheidung des BFH bei der Ermittlung des gemeinen Werts des Anteils regelmäßig wertmindernd zu berücksichtigen, sofern die Liquidation der Gesellschaft nicht konkret absehbar ist (BFH vom 16. November 2022, Aktenzeichen X R 17/20). Das Urteil ist im Hinblick auf die Bewertung einer Sacheinlage nach Maßgabe des § 10b Absatz 3 EStG ergangen.

Wirtschaftliches Eigentum an einem GmbH-Anteil bei einem Unter-Unterbeteiligungsverhältnis: Mit Urteil vom 23. November 2022 (Aktenzeichen I R 36/19) hat der BFH klargestellt, dass die Veräußerungsgewinnbefreiung nach § 8b Absatz 2 KStG dem wirtschaftlichen Inhaber eines GmbH-Anteils zusteht. Im Falle eines gestuften Unterbeteiligungsverhältnisses müssen alle mit der Beteiligung verbundenen Rechte an den Unter-Unterbeteiligten weitergeleitet werden, damit dieser als wirtschaftlicher (Mit-) Inhaber qualifiziert werden kann. 

Das BMF hat mit Bearbeitungsstand vom 27. Februar 2023 einen Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung und anderer Steuergesetze an die Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG-Steueranpassungsgesetz) vorgelegt. Mit dem Gesetzentwurf sollen – ebenfalls mit Wirkung ab dem 1. Januar 2024 – die Abgabenordnung sowie weitere Steuergesetze, unter anderem das KStG, an die mit dem MoPeG eintretenden Rechtsänderungen angepasst werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat zur rückwirkenden Einführung einer körperschaftsteuerlichen Regelung betreffend vororganschaftliche Mehrabführungen (Beschluss vom 14. Dezember 2022, Aktenzeichen 2 BvL 7/13, 2 BvL 18/14) sowie zur Übergangsregelung vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren im Jahressteuergesetz 2010 (Beschluss vom 24. November 2022, Aktenzeichen 2 BvR 1424/15) entschieden.

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