Mit unserer Reihe „Beratungspraxis Unternehmenssteuern“ informieren wir Sie monatlich über aktuelle und praxisrelevante Themen im Bereich des nationalen Ertragsteuerrechts für Personen- und Kapitalgesellschaften.
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Gewinnausschüttungen erfolgen in der Regel an alle Gesellschafter im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft zueinander. Immer wieder besteht jedoch Anlass oder der Wunsch der Gesellschafter, von den Beteiligungsquoten abweichende Gewinnausschüttungen zu vereinbaren. Beispielsweise, wenn es darum geht, individuelle Gesellschafterbeiträge angemessen zu honorieren.

Die Finanzverwaltung steht solchen inkongruenten Gewinnausschüttungen grundsätzlich kritisch gegenüber und erkennt sie steuerlich nur an, wenn ein quotenabweichender Gewinnverteilungsmaßstab zivilrechtlich wirksam bestimmt ist und für die vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Gewinnverteilung beachtliche wirtschaftlich vernünftige außersteuerliche Gründe nachgewiesen werden. Für die zivilrechtliche Wirksamkeit sieht es die Finanzverwaltung als notwendig an, dass in der Satzung ein entsprechender vom Kapital abweichender Gewinnverteilungsmaßstab vorgesehen ist beziehungsweise diese zumindest eine Öffnungsklausel enthält, wonach mit Zustimmung der benachteiligten oder aller Gesellschafter eine abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann (BMF-Schreiben vom 17.12.2013).

BFH hat Sichtweise der Finanzverwaltung zurückgewiesen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese sehr hohen Anforderungen an die zivilrechtlichen Grundlagen der Gewinnausschüttung zurückgewiesen. Einzig entscheidend ist nach seiner Auffassung, dass die Gewinnausschüttung auf einem zivilrechtlich wirksam zustande gekommenen Ausschüttungsbeschluss beruht. Auch ein satzungsdurchbrechender Gewinnverwendungsbeschluss kann zivilrechtlich wirksam und steuerlich anzuerkennen sein, wenn es sich nur um eine punktuelle Durchbrechung (Einzelakt) des Gesellschaftsvertrages handelt - die Satzungsdurchbrechung also keinen jährlich wiederkehrenden Dauerzustand begründet - und der Gewinnerteilungsbeschluss einstimmig gefasst wird.

Im Urteilsfall hielt ein Gesellschafter die Anteile an der ausschüttenden GmbH 1 zu 50 Prozent unmittelbar und die übrigen 50 Prozent über eine GmbH 2 (Zwischenholding). Der Gesellschaftsvertrag der GmbH 1 enthielt keine Regelungen zur Gewinnverteilung. Das Finanzamt sah daher in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren gefasste Beschlüsse über inkongruente Vorabausschüttungen ausschließlich an die Zwischenholding als zivilrechtlich nichtig an und erfasste insoweit hälftige verdeckte Gewinnausschüttungen bei der Zwischenholding und dem Gesellschafter. Der BFH entschied hingegen, dass die punktuell satzungsdurchbrechenden Ausschüttungsbeschlüsse - weil einstimmig gefasst - zivilrechtlich wirksam sind und verneinte auch einen Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO). Es sei kein (definitiver) Steuervorteil entstanden, weil die Besteuerung beim Gesellschafter bei einer späteren Ausschüttung der Zwischenholding erfolge (Besteuerung nur aufgeschoben). Die inkongruenten, offenen Ausschüttungen waren danach ausschließlich der Zwischenholding zuzurechnen, sodass durch diese Gestaltung eine weitgehend steuerfreie Thesaurierung der Ausschüttungen (§ 8b KStG) auf Ebene der Zwischenholding möglich war (BFH vom 28.09.2022, Aktenzeichen VIII R 20/20).

In einem weiteren Urteil hat der BFH eine zivilrechtlich wirksame gespaltene Gewinnverwendung einer GmbH auch steuerlich anerkannt, wonach die Gewinnanteile der Minderheitsgesellschafter ausgeschüttet wurden, die des Mehrheitsgesellschafters hingegen durch Einstellung in eine gesellschafterbezogene Rücklage thesauriert wurden (BFH vom 28.09.2021, Aktenzeichen VIII R 25/19). Eine solche gespaltene Gewinnverwendung ermöglicht es nach Auffassung des BFH auch steuerlich, den Gewinnanteil einzelner Gesellschafter in der GmbH zu belassen und erst zu einem späteren Zeitpunkt mit steuerlichem Zufluss nur bei diesen Gesellschaftern auszuschütten. Dies verdeutlicht, dass die Gewinnverwendung und die Rücklagenbildung bei der GmbH sehr flexibel gestaltet werden kann, wenn dies entsprechend gesellschaftsrechtlich angelegt ist.

Praxishinweis

Die dargestellte Rechtsprechung des BFH eröffnet weitere steuerliche Gestaltungsspielräume bei Gewinnausschüttungen. Leider hat sich die Finanzverwaltung bisher zu den Urteilen noch nicht geäußert. Es bleibt zu hoffen, dass das BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2013 entsprechend überarbeitet wird. Um Diskussionen mit der Finanzverwaltung zu vermeiden, erscheint zumindest einstweilen die Aufnahme einer entsprechenden Öffnungsklausel für inkongruente Gewinnausschüttungen in die Satzung weiterhin empfehlenswert.

Bei quotenabweichenden Gewinnausschüttungen sollten zudem die außersteuerlichen, wirtschaftlichen Motive beziehungsweise ein in diesem Zusammenhang eventuell vereinbarter Nachteilsausgleich dokumentiert werden, um für spätere diesbezügliche Nachfragen der Finanzverwaltung gerüstet zu sein. Schließlich ist zu beachten, dass inkongruente Ausschüttungen als freigebige Zuwendungen zwischen den Gesellschaftern schenkungsteuerlich relevant sein können, wenn Gesellschafter ohne beachtliche wirtschaftliche Motive zugunsten von Mitgesellschaftern ohne Nachteilsausgleich auf Ausschüttungen verzichten und damit ein Vermögensvorteil zugewandt werden soll; dies kann insbesondere der Fall sein, wenn bei Familiengesellschaften nahe Angehörige Mitgesellschafter sind. 

Unsere Experten beraten Sie gerne hinsichtlich steuerlicher Gestaltungsoptionen im Rahmen der Gewinnverteilung.

 

Aktuelle Beratungshinweise - kurz notiert

  • Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen: Nach Auffassung des BFH bestehen gegen die Höhe von Säumniszuschlägen im Falle verspäteter Zahlungen von 1 Prozent für jeden angefangenen Monat der Säumnis keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Steuerzinsen gemäß § 233a AO ließe sich nicht auf Säumniszuschläge übertragen (BFH vom 15.11.2022; Aktenzeichen VII R 55/20).
  • Teilabzugsverbot nach § 3c Absatz 2 EStG für Konzernabschlusskosten sowie allgemeine Verwaltungskosten einer Holding: Nach der Rechtsprechung des Finanzgerichts (FG) Köln stehen Aufwendungen einer Holding-Personengesellschaft (vermögensmäßig beteiligte Gesellschafter sind natürliche Personen), die ausschließlich Einnahmen aus Kapitalgesellschaftsbeteiligungen erzielt, in wirtschaftlichem Zusammenhang mit partiell steuerfreien Einnahmen und sind daher nur zu 60 Prozent abzugsfähig (§ 3c Absatz 2 EStG). Neben dem Konzernabschluss seien – mit Ausnahme der Haftungsvergütung – auch Kosten der allgemeinen Verwaltung von dem (Teil-)Abzugsverbot betroffen. (FG Köln, vom 25.08.2022, Aktenzeichen 3 K 999/20; Revision eingelegt, Aktenzeichen BFH: IV R 25/22).
  • Keine Berücksichtigung des Ergebnisses von Kurssicherungsgeschäften bei Ermittlung des begünstigten Veräußerungsgewinns gemäß § 8b KStG: Der BFH hatte zuvor mit Urteil vom 10. April 2019 (Aktenzeichen I R 20/16) entschieden, dass auch der Ertrag aus dem Kurssicherungsgeschäft Teil des gemäß § 8b KStG begünstigten Veräußerungsgeschäfts sei, wenn aus Sicht des Veräußerers der Zweck des Sicherungsgeschäfts ausschließlich auf die Minimierung des Währungsrisikos in Bezug auf den konkret erwarteten Veräußerungserlös ausgerichtet und deshalb hierdurch veranlasst ist. Der BFH hatte die Sache an das FG Berlin-Brandenburg zur Prüfung zurückverwiesen, ob ein entsprechender Veranlassungszusammenhang zwischen Grundgeschäft (Aktienerwerb) und dem Sicherungsgeschäft (Kurssicherung beabsichtigter Aktienveräußerungserlös) vorgelegen habe. Das FG konnte einen solchen Veranlassungszusammenhang nicht feststellen, unter anderem weil der Umtausch des US-Dollar-Erlöses unter Einsatz des Währungssicherungsgeschäfts erst einige Bankarbeitstage nach Gutschrift der US-Dollar-Beträge erfolgte (teilweise 3 Wochen später). (FG Berlin-Bandenburg vom 16.11.2022, Aktenzeichen 11 K 12212/13; Nichtzulassungsbeschwerde erhoben)

 



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