Nach Ansicht des Gerichts gilt die Ladeleistung für Elektroautos als einheitliche Lieferung von Elektrizität.

Der Beitrag wurde verfasst von unserer Expertin Ira Rave und unserem Experten Tim Pfleging.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 20. April 2023 sein Urteil in der Rechtssache Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej (C-282/22) veröffentlicht. Das Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Verwaltungsgerichtes in Polen aus 2022 betraf die umsatzsteuerliche Beurteilung von Ladeleistungen für Elektroautos. Im Detail sollte der EuGH klären, ob komplexe einheitliche Leistungen, die an Ladepunkten erbracht werden, als Lieferung von Gegenständen (hier: Elektrizität) oder sonstige Leistung angesehen werden. 

Im Zuge der Mobilitätswende hat die Bedeutung von Regelungen zu Elektro- und Hybridfahrzeugen auch im Steuerrecht stetig zugenommen. Bislang ungeklärt war die umsatzsteuerliche Einordnung von Ladevorgängen von Elektrofahrzeugen als Lieferung oder sonstige Leistung. Fraglich war dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass neben der tatsächlichen Aufladung des Fahrzeugs weitere Dienstleistungen angeboten werden; so zum Beispiel Einräumung von Nutzungsrechten am Parkraum vor der Ladesäule, Zugang zum Ladenetz, Bereitstellung von technischen Daten zur Entnahme des Ladestroms, Bereitstellung von Software zur Ladesäulenreservierung, Ladeüberwachung und Bezahlung des Ladevorgangs.

In ihren Stellungnahmen („Working Papers“) WP 969 und WP 1012 hatte das VAT Committee der Europäischen Kommission bereits die beim Ladevorgang erbrachten Leistungen als eine einheitliche Lieferung von Elektrizität eingestuft. Bindende Wirkung hatten die vorgenannten Working Papers jedoch nicht, sodass bisher jeder Mitgliedstaat seine eigene Interpretation der umsatzsteuerlichen Würdigung von Ladevorgängen hatte.

Mit dem oben genannten Urteil vom 20. April 2023 nimmt der EuGH nun zu dieser Thematik dezidiert Stellung. Auf die Vorlagefrage, ob bei einer komplexen einheitlichen Leistung im Sinne eines Ladevorgangs mit notwendigen Serviceleistungen eine Lieferung von Gegenständen oder eine Dienstleistung vorliegt, stellt das höchste Europäische Gericht klar, dass die Ladeleistung eine einheitliche Lieferung von Gegenständen darstellt.

Dies begründet der EuGH insbesondere damit, dass aus Sicht des durchschnittlichen Nutzers von Ladepunkten die Übertragung von Elektrizität den dominierenden Anteil ausmacht, da

  • die Gewährung des Zugangs zu der Ladevorrichtung nur eine minimale Dienstleistung darstellt, die notwendig mit der Lieferung von Elektrizität verbunden ist;
  • die technische Unterstützung sowie die Bereitstellung von IT-Anwendungen für Reservierungen, Umsatzauswertungen und den Erwerb von Guthaben für die Bezahlung der Aufladungen ihrerseits keinen eigenen Zweck darstellt, sondern das Mittel, um die Lieferung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Dies gilt unabhängig davon, ob das Entgelt in Kilowattstunden oder in Zeiteinheiten abgerechnet wird sowie auch dann, wenn im Entgelt neben der Menge der übertragenen Elektrizität eine Gebühr für die Abstellzeit einkalkuliert wird

Praxishinweis

Es empfiehlt sich, die Rechnungstellung hinsichtlich der Ladeleistungen in Ihrem Unternehmen zu überprüfen, insbesondere, wenn Sie Ladeleistungen in mehreren Mitgliedstaaten und im B2B-Bereich erbringen.

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