Warum eine Vergleichbarkeit der ermittelten Unternehmenswerte von Windparks mit einschlägigen Ergebnismultiplikatoren häufig schwierig ist und welche Voraussetzungen windparkspezifische Multiples erfüllen sollten.
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Der Beitrag wurde verfasst von unseren Experten Dr. Alexander Budzinski und Lukas Flick.

Die Bewertung von Erzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien wie beispielsweise Windenergieanlagen (WEA) unterscheidet sich in einigen Punkten von der klassischen Unternehmensbewertung. Dies ergibt sich insbesondere aus der dreiteiligen Struktur aus Investition, Betriebsphase und Desinvestition beziehungsweise Rückbau und einer dadurch in der Regel endlichen Laufzeit des Bewertungsobjektes.

Zwar handelt es sich bei der Bewertung von einzelnen WEA oder einer Gruppe von WEA (im Folgenden: Windparks) – wie auch bei der Bewertung von Unternehmen – jeweils um individuelle, nicht unmittelbar vollständig vergleichbare Bewertungsobjekte, gleichwohl liegt aufgrund der Homogenität des Geschäftsmodells sowie den Geschäftsrisiken eine gewisse Vergleichbarkeit der verschiedenen Windparks nahe. Eine solche Homogenität des Geschäftsmodells ist selbst bei Unternehmen innerhalb einer Branche häufig nicht gegeben.

Warum ist eine Vergleichbarkeit der ermittelten Unternehmenswerte von Windparks mit einschlägigen Ergebnismultiplikatoren (EBITDA, EBIT, etc.) dennoch häufig schwierig?

Eingeschwungener Zustand

Die marktpreisorientierte Bewertung beziehungsweise Plausibilisierung von ermittelten Unternehmenswerten mit Hilfe der gängigen Multiplikatoren ist grundsätzlich aufgrund der starken Komplexitätsreduktion in vielen Fällen nur eingeschränkt aussagefähig. Für eine größtmögliche Aussagekraft bei der Anwendung von Ergebnis- oder Umsatz-Multiples ist es wichtig, Ergebnisgrößen zu verwenden, die möglichst unverzerrt von einmaligen Effekten sind und daher einen guten Schätzer für die künftige Ertragssituation darstellen. Zudem steigt die Aussagekraft der Ergebnisgröße, wenn sich das Geschäft des Bewertungsobjekts in einem eingeschwungenen Zustand befindet und somit verlässliche Prognosen zu zukünftigen Ergebnisgrößen möglich sind. Dies ist insbesondere bei etablierten Unternehmen mit stabilen Geschäftsmodellen der Fall. In der Praxis werden für solche Unternehmen häufig Wertindikationen mit Hilfe von EBIT- oder EBITDA-Multiples durchgeführt.

Problematik bei Windparks

Doch was ist der eingeschwungene Zustand bei einem Windpark? Sobald er ans Netz angeschlossen wird? Sobald die einzelnen WEA nach in der Regel 16 Jahren abgeschrieben sind? Oder wird der eingeschwungene Zustand nur dann erreicht, wenn eine Einspeisevergütung nach § 21 EEG 2021 für 20 Jahre vorliegt? Und wenn der eingeschwungene Zustand identifiziert werden konnte, ist die Frage, wie lange dieser Zustand vor dem Hintergrund, dass WEA und folglich Windparks einen endlichen Bewertungshorizont haben, andauert.

Die – anders als bei den meisten Unternehmen – begrenzte Laufzeit und damit das Fehlen einer ewigen Rentenphase bei Windparks stellt nur dann ein Problem dar, wenn ein Vergleich eines Windparks mit einem Branchen-Multiple erfolgt. Durch die endliche Laufzeit von Windparks entfällt der Wertbeitrag der Rentenphase und es würde zwangsläufig bei sonst gleichen Annahmen zu einer Überschätzung des Wertes kommen. Wenn nur ein Vergleich von Windparks hingegen erfolgt, ist das Problem der fehlenden Rentenphase zu vernachlässigen, da sämtliche Bewertungsobjekte, die dem Multiple zugrunde liegen, ebenfalls über keine Rentenphase verfügen. Folglich würde Gleiches mit Gleichem verglichen werden. Dennoch stellt sich dem folgend weiterhin die Frage nach einem eingeschwungenen Zustand.

Die Ergebnissituation von Windparks verändert sich über die Projektdauer relativ stark. Dies ist auf der Ertragsseite durch die sich im Zeitverlauf verändernde Vergütung der erzeugten Strommengen begründet. So ist es nicht unüblich, dass einzelne Windparks über die Projektdauer nach der 20-jährigen EEG-Vergütung den erzeugten Strom sowohl via Power Purchase Agreement als auch direkt an der Strombörse vermarkten, was mitunter zu stark unterschiedlichen Preisniveaus im Zeitverlauf führt. Aufwandsseitig weisen Windparks streng genommen zwei eingeschwungene Zustände auf: Zu Beginn zeigen die Aufwendungen aufgrund der (steuerlichen) Abschreibungen ein deutlich höheres Niveau, während nach dem Auslaufen der Abschreibungen ein deutlich niedrigeres Niveau der Aufwendungen beobachtet werden kann. Diese Verwerfungen während der Laufzeit führen letztlich sowohl beim Abstellen auf das EBIT als auch auf das EBITDA zu einer sehr großen Bandbreite der Größen, beziehungsweise lassen die Identifizierung eines eingeschwungenen Zustands unmöglich werden. Eine Anwendung der gängigen Ergebnis-Multiples bei Windparks führt folglich zu keinen aussagekräftigen Ergebnissen.

Vor dem Hintergrund der genannten Problematiken lässt sich in der Unternehmenspraxis die Verwendung von Multiples, die die Kapazität als Bezugsgröße nehmen, beobachten. Hierbei wird anstelle von Ergebnisgrößen als Bezugsgröße die in einem Windpark installierte Leistung verwendet, die eine bessere Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Windparks gewährleisten soll und dabei auch die Thematik der Identifizierung eines eingeschwungenen Zustands umgeht. Gleichwohl stellt ein solcher Kapazitäts-Multiple eine statische Größe dar, da Windparks mit langem Vorlauf mit einer bestimmten Anzahl von WEA bzw. bestimmten installierten Leistung entwickelt, genehmigt und gebaut werden. Eine direkte Vergleichbarkeit ist demnach nur gegeben, sofern der vorliegende Windpark über die gleiche Restlaufzeit verfügt wie die Windparks, die zur Ermittlung des Kapazitäts-Multiples verwendet wurden. Bei Vergleich eines Windparks mit bereits geringerer Restlaufzeit als die dem Multiple zugrunde liegende Restlaufzeit würde sonst der Wert des Windparks überschätzt, da diesem eine zu hohe Anzahl an Perioden mit positiven Cashflows zugerechnet wird (vice versa). In der Praxis findet man Kapazitäts-Multiples daher bislang häufig kategorisiert nach Windparks in Planung, in Bau und bei Inbetriebnahme.

Multiple Reststromproduktion

Eine Plausibilisierung der Bewertung von Windparks, die schon mehrere Jahre in Betrieb sind, ist somit weiterhin schwierig. Um den vorgenannten Herausforderungen an einen geeigneten Multiple zur Bewertung und Plausibilisierung gerecht zu werden, ist es somit einerseits notwendig, eine energiespezifische beziehungsweise windparkspezifische Bezugsgröße zu verwenden sowie andererseits eine Komponente aufzunehmen, die die Lebensdauer und die (Rest-)Laufzeit von Windparks aufgreift. Eine solche nicht-statische Größe stellt die Reststromproduktion des Windparks dar. Die Reststromproduktion ist das Produkt aus der Jahresnettostromproduktion und der Restlaufzeit des jeweiligen Windparks. Durch die Restlaufzeit wird das fortgeschrittene Alter der WEA und damit die Fähigkeit, wie viele Perioden zur Cashflow-Generierung noch zur Verfügung stehen, eingewertet. In Zusammenhang mit der Jahresnettostromproduktion, die ein maßgeblicher Werttreiber bei WEA ist, wird somit die restliche Ertragskraft ins Verhältnis zum Unternehmenswert gesetzt, was gegenüber der statischen Kapazität eine Vergleichbarkeit von sich bereits in Betrieb befindlichen Windparks mit unterschiedlichem Alter ermöglicht.

 

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