Im vergangenen Navigator haben wir mit Themen zur Nachhaltigkeitsstrategie die Aktivitäten aus der ersten Phase eines systematischen Umgangs mit Nachhaltigkeit im Unternehmen vorgestellt. Mit dem Nachhaltigkeitsmanagement widmet sich dieser Artikel der Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmenssteuerung.

Nachhaltigkeitsthemen systematisch angehen

Den Umgang mit der Vielzahl an Nachhaltigkeitsthemen haben wir in vier Kategorien eingeteilt, die sich auch als aufeinanderfolgende Phasen in der Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit interpretieren lassen. Nach dem Umgang auf (1) strategischer Ebene folgt die Einbettung der Themen in ein (2) Nachhaltigkeitsmanagement. Gemeinsam bilden diese Schritte die Basis für die (3) Berichterstattung im Bereich Nachhaltigkeit, welche zunehmend reguliert wird. Zudem lassen sich verschiedene (4) Anwendungsfälle von Nachhaltigkeit zusammenfassen, etwa Themen aus dem Bereich Sustainable Finance, wie ESG-Rating Readiness oder Sustainable Bonds. Nachdem unser Beitrag im vergangenen Branchennavigator die Aktivitäten auf strategischer Ebene beleuchtet hat, widmet sich dieser Beitrag dem Nachhaltigkeitsmanagement.

Quelle: Grant Thornton Germany

Auf- und Ausbau von Governance-Strukturen und -Systemen

Governance stellt für das Management von Unternehmen ein ganz zentrales Thema dar. Dabei geht es darum, die Strukturen und Prozesse im Unternehmen so auszugestalten, dass Unternehmensziele gesetzt und bestmöglich verfolgt und kontrolliert werden können. Governance ist bereits ein bekanntes Thema. Es stellt die Schnittmenge zwischen den beiden Konzepten ESG (Environmental – Social – Governance) und GRC (Governance – Risk Management – Compliance) dar. Im Kontext der Nachhaltigkeit spielt Governance zum einen eine Rolle, weil es den langfristigen, „nachhaltigen“ Unternehmenserfolg sicherzustellen gilt. Zum anderen geht es darum, Themen, mit denen sich das Unternehmen im Rahmen von Nachhaltigkeitsüberlegungen neu auseinandersetzt (etwa aus den Bereichen Umwelt und Soziales), in bestehende Governance-Systeme zu integrieren.

So sind etwa Verantwortlichkeiten für ESG-Themen zu identifizieren und in den Organisationsstrukturen zu verankern. Hier haben sich in der Praxis bisher sehr unterschiedliche Ansätze herausgebildet, an welchen Stellen im Organigramm eine oder mehrere ESG-Einheiten aufgehängt sind – etwa Stabsstellen unterhalb des Vorstands, Einheiten im Rahmen von Kommunikation oder IR, Steuerung durch den Bereich Finance etc.

Neben der Verortung von ESG in der Aufbaustruktur sind Prozesse und Kontrollmechanismen zu entwickeln, die die Umsetzung der Unternehmensziele sicherstellen. Einen bereits etablierten Rahmen bildet hier das Three Lines Model (ehemals „Three Lines of Defense“) des Institute of Internal Auditors (IIA). Für eine erfolgreiche Einbettung von ESG-Themen braucht es die enge Abstimmung, Zusammenarbeit und gegenseitige Kontrolle zwischen den obersten Unternehmensleitungsgremien, dem (produkt- und servicebezogenen) Management und der internen Revision.

Auch die Incentivierung der handelnden Personen, insbesondere auf Ebene der Führungsgremien spielt dabei eine zentrale Rolle. Um die Umsetzung strategisch wichtiger Nachhaltigkeitsziele sicherzustellen, sollte die Zielerreichung in der Vergütung der verantwortlichen Personen entsprechend berücksichtigt werden.

Erhebung von ESG-Daten und Entwicklung von Steuerungskennzahlen und -tools

Beim Umgang mit ESG-Daten sind zwei Ebenen zu unterscheiden. Zum einen ist die Ebene der Performancedaten zu betrachten. Nicht nur über die drei Bereiche E, S und G, sondern auch innerhalb der Bereiche herrscht hier eine große Heterogenität, allein schon mit Blick auf die Maßeinheiten der zu erhebenden (Roh-)Daten: von Strom- und Wasserverbräuchen oder CO2-Emissionen im Bereich Umwelt über Unfallzahlen oder Trainingsstunden im Bereich Soziales bis zur Anzahl an Korruptionsfällen oder Geldbeträgen für Lobbyaktivitäten im Bereich Governance. Bei der erstmaligen Auseinandersetzung mit der Steuerung und Berichterstattung von ESG-Themen stellen sich hier viele Umsetzungsfragen: Welche Daten werden konkret benötigt? Wo finde ich diese? Wer kann mir dazu Auskunft geben? Existiert dazu bereits eine Dokumentation? Häufig sind hier ganz neue Erhebungsprozesse zu entwickeln.

Zum anderen geht es darum, die erhobenen Rohdaten dann für Steuerungs- und Berichtszwecke aufzubereiten. Hier gilt es, die Daten zu aussagekräftigen Kennzahlen zu kombinieren – etwa, indem man sie zu einer anderen Größe, zu einem Zielwert oder zu einem Vergangenheitswert in Relation setzt oder indem man verschiedene Daten zu einem übergeordneten Wert aggregiert. So lassen sich beispielsweise die Unfallzahlen mit den gearbeiteten Stunden im Berichtszeitraum zu einer Unfallhäufigkeitsrate (LTIFR) kombinieren. Zur Aggregation der Daten zu einem Gesamt-Performance-Score bieten sich beispielsweise Scoring-Modelle an, die von den heterogenen Maßeinheiten abstrahieren. Auch andere aus dem traditionellen Controlling bekannte Tools lassen sich auf den ESG-Kontext übertragen. Zusätzlich finden sich auch neue Ansätze. So versucht beispielsweise der Ansatz der Value Balancing Alliance (VBA), die Performance in unterschiedlichen Bereichen aus E, S und G jeweils in monetäre Werte umzurechnen und so vergleichbar zu machen.

Implementierung von IT-Tools und -Systemen

Diese neue Komplexität an Daten und Kennzahlen muss auch systemseitig abgebildet werden. Dafür können sich je nach Unternehmensgröße und -komplexität unterschiedliche Lösungen anbieten. Häufig beginnen Unternehmen mit selbstentwickelten Tools, etwa in MS Excel. Zur Berücksichtigung der gerade zu Beginn häufig notwendigen Flexibilität und/oder bei insgesamt überschaubarer Komplexität kann das durchaus ein gangbarer Weg sein. Zudem stellen mittlerweile in verschiedenen Fällen auch die Regulatoren (oder von diesen beauftragte oder ihnen nahestehende Dritte) Tools zur Verfügung, um die Umsetzung ihrer Anforderungen zu unterstützen.

Aber diese Art von Lösungen stößt häufig an ihre Grenzen, wenn ein gewisser Komplexitätsgrad überschritten ist (zum Beispiel im Bereich der Konsolidierung der Daten) oder wenn es darum geht, die Daten zu verschiedenen Anforderungen an die Berichterstattung in ein System zu integrieren. Der Markt für ESG-Software ist deshalb groß, dynamisch und daher nicht zuletzt auch recht unübersichtlich. Er bietet jedoch zugleich auch unterschiedliche Lösungen für die individuellen Anforderungen der Unternehmen – je nach Themenstellung, Branche, Größe etc.

Für Unternehmen, die (künftig) unter die EU-Berichtsanforderungen (CSRD, Taxonomie) fallen, sind hohe Ansprüche zu berücksichtigen. Diese ergeben sich zum Beispiel aus der vorgesehenen Pflicht zur externen Prüfung der Berichterstattung oder auch aus dem elektronischen Berichtsformat (ESEF). Die IT-Systeme sollten hierfür eine belastbare Lösung bieten. Die EU betont immer wieder, dass sie die Nachhaltigkeitsberichterstattung künftig als gleichwertig mit der Finanzberichterstattung sieht. Das bedingt auch eine vergleichbare Verlässlichkeit der dahinterstehenden Systeme. Es kann sich durchaus anbieten, Finanz- und ESG-Daten über eine gemeinsame unternehmensweite ERP-Lösung abzubilden.

Ermittlung des Status Quo und von anstehenden Schritten auf Basis einer Gap-Analyse

Da der Umsetzungsstand der ESG-Implementierung zwischen verschiedenen Unternehmen sehr unterschiedlich ist, empfiehlt sich in vielen Fällen als einer der ersten Schritte eine Status-Quo- und Gap-Analyse. Das umfasst die hier und in der vergangenen Ausgabe beschriebenen Themen rund um ESG-Strategie und Management – vom Vorhandensein der Rahmenbedingungen für eine Wesentlichkeitsanalyse und Strategie über organisatorische Voraussetzungen und Steuerungs- beziehungsweise Berichtsprozesse. Zudem können in diesem Zusammenanhang auch die Voraussetzungen und Lücken für die Compliance mit bestehenden und künftigen Berichtsanforderungen (siehe dazu den Beitrag im kommenden Newsletter) analysiert werden. Daraus lässt sich eine konkrete ESG-Agenda ableiten, die bei der Vielzahl an anstehenden Anforderungen eine hilfreiche Leitlinie darstellen kann.

Gern beantworten wir Ihre Fragen rund um das Management von Nachhaltigkeitsthemen, die Entwicklung von Prozessen zur Steuerung und Datenerhebung sowie zu den dazu passenden IT-Lösungen. Wir unterstützen Sie dabei, den passenden Ansatz für Ihr Unternehmen zu finden und zu implementieren.