Am 17. Mai 2023 legte die Europäische Kommission (EU-Kommission) einen Vorschlag für die europäische Zollrechtsform vor. Er beinhaltet u.a. die Einführung einer zentralen EU-Zollbehörde, einer EU-Zoll-Plattform und die Abschaffung der Zollbefreiung von Waren mit geringem Wert bis 150 Euro.

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine neue EU-Zollplattform soll für mehr Transparenz und kürzere Bearbeitungszeiten bei den Zollbehörden sorgen.

  • In der Zukunft soll verstärkt mit Plattformen und KI-Einsatz gearbeitet werden.

  • Die Zollbefreiung für Waren im Wert bis 150 Euro soll abgeschafft werden.

  • Die EU-Zollreform soll ab 2028 greifen.

I. Ausgangslage und Zielsetzung

Die Beweggründe der Reform sind im Wesentlichen eine verstärkte Digitalisierung des Zollsystems, auch um der Dynamik sich stets verändernder Geschäftsmodelle, insbesondere im Onlinesegment, Rechnung zu tragen.

Mit ihrem Vorschlag erwartet die EU-Kommission eine Effizienzsteigerung der Zollbehörden sowie eine simultane Senkung der Betrugsanfälligkeit.

In den vergangenen Jahren haben sich dynamische Handelsströme und die Zunahme des elektronischen Handels (E-Commerce) zu einer großen Herausforderung für die Zollbehörden entwickelt. Gem. dem Statistischem Bundesamt haben in der EU im Jahre 2021 fast drei Viertel (74 %) der Internetnutzerinnen und -nutzer zwischen 16 und 74 Jahren in den vergangenen 12 Monaten online eingekauft.

Infolge der Abschaffung der Einfuhrumsatzsteuerbefreiung für geringwertige Wirtschaftsgüter bis zu einer Bemessungsgrundlage von 22 EUR zum 1. Juli 2021 wird jedes Paket, welches aus dem Drittland in die EU gelangt, beim Zoll angemeldet. Von der Einfuhrumsatzsteuer ist jedoch die Überprüfung der Zollbefreiung bei einer Bemessungsgrundlage bis zu 150 EUR zu unterscheiden. Der mangelnde Gleichlauf der beiden Regelungen führt zu administrativem Aufwand auf Ebene der Zollbehörden-.

Die vorstehende Gemengelage bewog die EU-Kommission nun konkrete Vorschläge zur Reformierung des Zollsystems vorzulegen.

Die Änderungen im Einzelnen

1. Neue EU-Zollplattform und neue EU-Zollbehörde

Die neue EU-Zollplattform soll es Unternehmen beim Import von Waren in die EU ermöglichen, zollrelevante Informationen über ihre Produkte und Lieferketten gebündelt auf einer einzigen Plattform an die EU-Zollbehörde zu übermitteln. Die auf der Plattform eingespeisten Daten sollen mittels künstlicher Intelligenz analysiert werden. So soll es den Zollbehörden der EU-Mitgliedstaaten erleichtert werden, zollrelevante Vorgänge zu prüfen.

Die Mitgliedstaaten werden so Zugang zu Echtzeitdaten erhalten und können Informationen bündeln, um schneller, konsequenter und wirksamer auf Risiken zu reagieren.

Wirtschaftsteilnehmer, deren Geschäftsprozesse und Lieferketten für die Zollbehörden vollständig transparent sind (sogenannte Trust & Check Händler), sollen ihre Waren ohne aktives Eingreifen des Zolls in den freien Verkehr der EU bringen können.

Im Übrigen wird Online-Plattformen bei der Erfüllung der zollrechtlichen Verpflichtungen bald eine wesentliche Rolle zukommen. Lag bislang die Verantwortung hierfür bei den einzelnen Verbrauchern und Transportunternehmen, werden zukünftig Plattformen dafür verantwortlich sein, dass Zölle beim Kaufvorgang entrichtet werden. Der Fokus der EU-Kommission auf Online-Plattformen sowie der dahinterstehenden Anbieter ist bereits im Bereich der Umsatzsteuer deutlich erkennbar.

2. Die Abschaffung der 150-EUR-Zollbefreiung

Reformiert werden soll zudem die Zollbefreiung für Waren im Wert bis zu 150 Euro, beim Versand von Waren aus einem unmittelbaren Drittland an einen Empfänger in der Europäischen Union. So möchte die EU-Kommission dem systematischen Missbrauch durch Unterbewertung in der zollrechtlichen Bemessungsgrundlage sowie der künstlichen Aufteilung von Sendungen entgegenwirken.

Der Verwaltungsaufwand wird sich besonders für E-Commerce-Händler bei der Berechnung des anwendbaren Zolls erhöhen. Um diesen Effekt für diese abzufedern, soll für den elektronischen Handel die Möglichkeit eingeführt werden, eine vereinfachte zolltarifliche Behandlung auf der Grundlage eines fünfstufigen Cluster-Systems anzuwenden. Dabei soll jedes Clustermit mit einem anderen Zollsatz für die an den Endverbraucher verkauften Waren verbunden sein. Für Waren, für die derzeit ein Zollsatz von 0 Prozent gilt, wird weiterhin der Nullzollsatz gelten.

Das Cluster-System soll sich auf die bestehenden Vertragsbeziehungen zwischen dem elektronischen Händler und seinem Kunden beziehen. Die Ursprungseigenschaft der Waren soll nicht berücksichtigt werden.

Gleichzeitig soll für die Händler die Anwendung des zolltariflichen Standardverfahrens weiter möglich sein, sofern sie die Ursprungseigenschaft der Waren gegenüber dem Zoll nachweisen können.

Von dem vereinfachten Zolltarifverfahren generell ausgeschlossen werden sollen

  • Waren, die Antidumping-, Antisubventions- und Schutzmaßnahmen unterliegen,

  • Eisen- und Stahlerzeugnisse (Kapitel 73 der Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union),

  • vollständige Fabrikationsanlagen (Kapitel 98 der Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union),

  • Waren, die unter besonderen Umständen ein- oder ausgeführt werden (z.B. an Schiffe und Luftfahrzeuge gelieferte Waren, an Besatzungsmitglieder von Offshore-Anlagen oder zum Betrieb von Motoren, Maschinen und sonstigen Geräten der Offshore-Anlage gelieferte Waren; Kapitel 99 der Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union).

II. Wer ist wann betroffen?

Die Einführung der EU-Zoll-Plattform wird in der folgenden Staffelung erfolgen:

  • 2028: Verpflichtender Zugang zur EU-Zoll-Plattform für E-Commerce-Händler

  • 2032: Freiwilliger Zugang zur EU-Zoll-Plattform für sonstige Händler

  • 2038: Verpflichtender Zugang zur EU-Zoll-Plattform für alle Händler

Die Abschaffung der 150-Euro-Schwelle soll von den Mitgliedstaaten der EU spätestens bis zum 31. Dezember 2027 auf nationaler Ebene umgesetzt werden und ab dem 1. März 2028 in der EU Anwendung finden.

Die Legislativvorschläge sind in einem ersten Schritt dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union zur Einigung und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Konsultation übermittelt worden.

III. Unsere Handlungsempfehlung

Die Einführung der EU-Zoll-Plattform soll der Digitalisierung des globalen Handels Rechnung tragen.

Besonders für Plattformbetreiber wird die avisierte EU-Zollreform eine erhebliche Zunahme an zollrechtlichen Verpflichtungen bedeuten. Die bislang bei den Verbrauchern und Transportunternehmen liegende Verantwortung zur Zollabführung soll auf die Plattformen übergehen.

Zudem wird die Abschaffung der 150-Euro-Schwelle für den globalen Handel einen nicht unwesentlichen Kostenfaktor bilden. Die Höhe der Mehrbelastung für die Händler durch zusätzliche Zollkosten wird – nicht zuletzt aufgrund der Komplexität der Zolltarifberechnung und auch infolge der schwer kalkulierbaren sog. gesetzlichen zolltariflichen Vereinfachung – schwer abzuschätzen sein.

Preissteigerungen, die schließlich beim Verbraucher ankommen werden, sind nicht auszuschließen.

Auch wird die Einführung des vereinfachten Zoll-Tarifsystems zunächst einen höheren Verwaltungsaufwand für die Unternehmen bei der Zoll-Anmeldung bedeuten.

Wir empfehlen v.a. elektronischen Händlern und Plattformbetreibern, ihre Systeme und Vertragsbeziehungen mit Blick auf die anstehenden Reformen zu überprüfen und ggf. anzupassen. Gerne unterstützen wir Sie hierbei.