Deutschlands höchstes Finanzgericht hat heute entschieden, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlages für die Streitjahre 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig ist. Was das für die Praxis bedeutet.
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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat heute, am 30. Januar 2023, seine Entscheidung vom 17. Januar 2023 in dem viel beachteten Verfahren verkündet: Deutschlands höchste Finanzrichter halten die Erhebung des Solidaritätszuschlages für die Streitjahre 2020 und 2021 noch nicht für verfassungswidrig (Aktenzeichen IX R 15/19).

Hintergrund für die Klage von zwei Eheleuten ist, dass der Solidaritätszuschlag eine sogenannte Ergänzungsabgabe zur Abdeckung besonderen Finanzbedarfs ist. Er wird seit 1995 erhoben, um im Rahmen des Solidarpakts II die deutsche Einheit zu finanzieren. Der Solidarpakt II ist 2019 ausgelaufen und eine „Umwidmung“ der Einnahmen insbesondere für Kosten der Corona-Pandemie, des Ukraine-Kriegs oder des Klimawandels ist nicht erfolgt. Zudem wird der Solidaritätszuschlag seit 2021 nur noch gegenüber Einkommensteuerpflichtigen mit einem Jahreseinkommen ab etwa 62.000 für Ledige und 125.000 für Ehepaare erhoben, sodass auch der Gleichheitssatz verletzt sein könnte. Der Solidaritätszuschlag wird auch bei allen Körperschaftsteuerpflichtigen erhoben.

Der BFH anerkennt weiterhin bestehenden Finanzbedarf für die deutsche Einheit. Insbesondere bestehe in den Bereichen Rentenversicherung und Arbeitsmarkt ein fortbestehender Bedarf, mit der Wiedervereinigung zusammenhängende Kosten zu decken. Der Solidaritätszuschlag verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Zwar werden ab dem Jahr 2021 aufgrund der erhöhten Freigrenzen nur noch die Bezieher höherer Einkommen mit Solidaritätszuschlag belastet. Die darin liegende Ungleichbehandlung sei aber gerechtfertigt, da bei Steuern, die wie die Einkommensteuer und damit auch der Solidaritätszuschlag an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig ist.

Die Kläger, die ein „Musterverfahren“ führen, werden voraussichtlich beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Verfassungsbeschwerde zwecks Überprüfung einlegen, so dass aller Voraussicht nach noch nicht „das letzte Wort gesprochen ist“. Im Übrigen ist aktuell beim BVerfG auch diesbezüglich bereits das Verfahren mit dem Aktenzeichen 2 BvR 1505/20 anhängig; dieses haben verschiedene Bundestagsabgeordnete angestoßen.

Die Finanzverwaltung hatte verfügt, dass bei sämtlichen Steuerfestsetzungen des Solidaritätszuschlages ein Vorläufigkeitsvermerk vorzunehmen ist, sodass die Einlegung von Einsprüchen zur Offenhaltung des Verfahrens nicht erforderlich ist (zuletzt BMF-Schreiben vom 30. August 2021). Der Vorläufigkeitsvermerk eröffnet eine spätere Änderung der Bescheide und dies auch zeitlich unabhängig von einem etwaigen Eintritt der Festsetzungsverjährung für den Bescheid.

Praxishinweis

Betroffene Steuerpflichtige sollten aufmerksam verfolgen, ob die Finanzverwaltung nach der heutigen BFH-Entscheidung den Vorläufigkeitsvermerk im Hinblick auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlages auch für künftige Bescheide setzt. Es ist davon auszugehen, dass der Solidaritätszuschlag bei einer Anrufung und bis zu einer Entscheidung des BVerfG weiterhin erhoben werden wird. Wir halten Sie über den Fortgang des Verfahrens auf dem Laufenden.

 

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