Die Neuerungen werden erhebliche Auswirkungen auf die Praxis haben, da der Anwendungsbereich der Zinsschranke beträchtlich ausgedehnt und die Ausnahmen für einen unbeschränkten Zinsabzug weiter eingeschränkt wurden.
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Hinweis

Bei dem Artikel handelt es sich um ein Update zu dem folgenden Beitrag:

https://www.grantthornton.de/themen/2023/steuerabzug-von-fremdfinanzierungskosten/

Hintergrund: Ursprünglich wollte der Gesetzgeber Änderungen an den bestehenden Vorschriften zur Zinsschranke im Rahmen des Wachstumschancengesetzes vornehmen. Nachdem der Bundesrat das Gesetz am 24. November 2023 auf Grund haushaltspolitischer Bedenken jedoch an den Vermittlungsausschuss überwies, ergab sich kurzfristiger Handlungsbedarf, zumal mit den Änderungen erforderliche Anpassungen an die Vorgaben der sogenannten Anti Tax Avoidance Directive vom 12. Juli 2016 ("ATAD") bezweckt waren, die bis spätestens 31. Dezember 2023 in nationales Recht umzusetzen waren.

Der Gesetzgeber hat daraufhin am 22. Dezember 2023 das Gesetz zur Förderung geordneter Kreditzweitmärkte und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2167 über Kreditdienstleister und Kreditkäufer sowie zur Änderung weiterer finanzrechtlicher Bestimmungen ("Kreditzweitmarktförderungsgesetz") verabschiedet. Dieses bringt unter anderem weitreichende Änderungen der Regelungen zur Zinsschranke mit sich.

Gemäß § 52 Abs. 8b EStG finden die angepassten Fassungen der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften (§ 4h EStG und § 8a KStG) erstmals für Wirtschaftsjahre Anwendung, die nach dem 14. Dezember 2023 beginnen und nicht vor dem 1. Januar 2024 enden.

In diesem Beitrag geben wir einen kurzen Überblick über die Neuerungen bei der Zinsschranke aufgrund des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes.

Die Zinsschranke sieht vor, dass Zinsaufwendungen eines Betriebs grundsätzlich nur bis zur Höhe der Zinserträge desselben Betriebs und desselben Wirtschaftsjahres sofort abzugsfähig sind. Darüber hinaus sind sie lediglich bis zur Höhe von 30 Prozent des sogenannten verrechenbaren EBITDA abziehbar.

  • 4h Abs. 2 EStG regelt drei Ausnahmetatbestände, wonach Zinsaufwendungen vollständig Berücksichtigung finden können:
  • Freigrenze (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG): die Nettozinsaufwendungen des Betriebs betragen weniger als drei Millionen Euro
  • Konzernklausel (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG)
  • Escape-Klausel (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG)

Unter bestimmten Voraussetzungen ist es zudem möglich, nicht genutztes Zinsabzugspotenzial als Zinsvortrag (§ 4h Abs. 1 Satz 5 EStG in künftige Wirtschaftsjahre vorzutragen.

Die relevanten Änderungen im Überblick

Ausgewählte Änderungen betreffen insbesondere die folgenden Bereiche:

  • Erhebliche Ausweitung des Zinsbegriffes: Im Zuge der Angleichung an die sogenannte ATAD-Richtlinie wurde der sachliche Anwendungsbereich der Zinsschranke erheblich ausgeweitet, nachdem künftig auch „wirtschaftlich gleichwertige Aufwendungen und sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital“ als Zinsaufwendungen zu qualifizieren sind, soweit sie den maßgeblichen Gewinn gemindert haben (§ 4h Abs. 3 Satz 2 EStG). Über einen expliziten Verweis auf Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie finden künftig zudem zahlreiche Regelbeispiele Eingang in das Gesetz. Dies steht im klaren Widerspruch zu der jüngst ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH - Beschluss vom 22.3.2023, Aktenzeichen XI R 45/19), wobei unter Zugrundelegung eines engen Zinsbegriffs zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden wurde, dass „Arrangement Fees“ keine Zinsaufwendungen im Sinne der Zinsschranke darstellen. § 4h Abs. 3 Satz 3 EStG sieht eine spiegelbildliche Anpassung des Begriffs der Zinserträge vor. Infolge des Auseinanderfallens der relevanten Schuldentgeltbegriffe wird es künftig vermehrt zu Fallkonstellationen kommen, wonach Zinsaufwendungen in den Anwendungsbereich der Zinsschranke fallen, nicht jedoch gleichzeitig der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG unterliegen.
  • Daneben sieht § 4h Abs. 6 EStG die Förderung von langfristigen öffentlichen Infrastrukturprojekten vor, indem relevante Zinspositionen vom Anwendungsbereich der Zinsschranke explizit ausgenommen sind. Voraussetzung ist insbesondere, dass die Projekte nach allgemeinen Förderbedingungen vergeben und mittelbar oder unmittelbar durch im Gesetz näher bestimmte Mittel aus öffentlichen Haushalten finanziert werden. Ferner ist hinsichtlich der durch das Projekt geschaffenen Vermögenswerte, des Projektbetreibers sowie der Besteuerung der Einkünfte aus dem Infrastrukturprojekt ein Bezug zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erforderlich.
  • Gesetzliche Verschärfungen beim EBITDA-Vortrag und Zinsvortrag: § 4h Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 EStG n.F. regelt nunmehr ausdrücklich, dass es in Wirtschaftsjahren mit positivem Zinssaldo zu keinem EBITDA-Vortrag kommt. Abweichend von der bisherigen Rechtslage können die Ausnahmetatbestände des § 4h Abs. 2 EStG zudem nicht mehr in Anspruch genommen werden, soweit Zinsaufwendungen auf Grund eines Zinsvortrags erhöht wurden (§ 4h Abs. 1 Satz 7 EStG n.F.). Schließlich sieht § 4h Abs. 5 Satz 4 EStG n.F. vor, dass bei Aufgabe oder Übertragung eines Teilbetriebs ein nicht verbrauchter EBITDA und Zinsvortrag anteilig untergehen, wobei § 15 Abs. 3 UmwStG entsprechend anzuwenden ist. Nach der Gesetzesbegründung ist die Aufteilung nach den Verhältnissen der gemeinen Werte der Teilbetriebe vorzunehmen, wobei klargestellt wird, dass auch das Ausscheiden einer Organgesellschaft aus dem Organkreis als Teilbetriebsaufgabe zu sehen ist. Ungeachtet der bereits bestehenden verfassungsrechtlichen Problematik werden sich Zinsaufwendungen damit künftig erst zeitlich verzögert beziehungsweise in vielen Fällen überhaupt nicht einkommensmindernd auswirken.
  • Änderungen bei den Ausnahmetatbeständen: Der Begriff der Konzernklausel wurde neu gefasst, wobei § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG nunmehr erfüllt ist, sofern der Steuerpflichtige keiner Person im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG nahesteht und über keine Betriebsstätte außerhalb des Staates verfügt, in dem sich sein Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, Sitz oder seine Geschäftsleitung befinden. Weitere Änderungen betreffen punktuelle Anpassungen der Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG sowie § 8a KStG, der für Körperschaften bereits bislang weitergehende Einschränkungen hinsichtlich der Anwendung von Konzern- und Escape-Klausel vorsah.

Konsequenzen für die Praxis

Durch die vorgenommenen Anpassungen wird der Anwendungsbereich der Zinsschranke sowohl in persönlicher als auch sachlicher Hinsicht erheblich ausgeweitet. In persönlicher Hinsicht beschränkt sich die Zinsschranke künftig nicht mehr nur auf konzernangehörige Gesellschaften. Durch Verweis auf den Begriff der nahestehenden Person im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG sind die Regelungen der Zinsschranke unter anderem bereits dann zu beachten, wenn ein Gesellschafter mittelbar oder unmittelbar zu 25 Prozent an der Gesellschaft (Betrieb) beteiligt ist. Betroffene Unternehmen sollten daher prüfen, ob die Zinsaufwendungen künftig aufgrund anderer einschlägiger Ausnahmeregelungen (zum Beispiel 3 Millionen-Euro-Freigrenze, Eigenkapital-Escape) abzugsfähig bleiben. Vor dem Hintergrund der Ausweitung des Zinsaufwandsbegriffs sind bei der steueroptimierten Gestaltung und Implementierung von Finanzierungsstrukturen künftig auch Gebühren im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital ins Kalkül zu ziehen. Hierzu zählen beispielsweise auch sog. Arrangement Fees (anders noch BFH vom 22. März 2023, Aktenzeichen: XI R 45/19). Betroffen sind dabei besonders solche Bereiche, die eine substanzielle Aufnahme von Fremdkapital erfordern, zum Beispiel im Kontext von Unternehmenstransaktionen. Bestehende und künftige Finanzierungsstrukturen sollten im Hinblick auf die Auswirkungen der Neuregelungen überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Die Experten von Grant Thornton beraten Sie gerne zu den diesbezüglichen Fragestellungen. 

Aktuelle Beratungshinweise - kurz notiert

Buchwertübertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften: Mit Beschluss vom 28. November 2023 (Aktenzeichen: 2 BvL 8/13) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, soweit eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) zum Buchwert ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 eine Neuregelung zu treffen. Bis zum Inkrafttreten dieser Neureglung bleibt § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG mit der Maßgabe weiterhin anwendbar, dass die Vorschrift auch für unentgeltliche Übertragungen von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nach dem 31. Dezember 2000 anzuwenden ist.

„Finanzielle Eingliederung“ bei qualifizierten Mehrheitserfordernissen: Mit Urteil vom 9. August 2023 (Aktenzeichen: I R 50/20) hat der BFH entschieden, dass in denjenigen Fällen, in denen laut Satzung der Organgesellschaft für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung generell eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, der Organträger über diese qualifizierte Mehrheit verfügen muss, um die Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG) für Zwecke der ertragsteuerlichen Organschaft zu erfüllen. Ausdrücklich offen gelassen hat der BFH die Frage, ob die finanzielle Eingliederung auch dann eine qualifizierte Mehrheit erfordert, wenn diese nur für bestimmte Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung der Organgesellschaft vorgesehen ist.

Überentnahmen in einer doppelstöckigen Personengesellschaftsstruktur: Mit Urteil vom 27. September 2023 (Aktenzeichen: IV R 8/21) hat der BFH entschieden, dass die betriebsbezogene Betrachtung im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG auch bei mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen gilt. Nach Ansicht des BFH ist eine betriebsübergreifende konzernbezogene Betrachtung des Entnahmebegriffs abzulehnen und die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs im Falle von Überentnahmen ausschließlich betriebsbezogen auszulegen. Die Übertragung eines Gewinns nach § 6b EStG auf einen anderen Rechtsträger führt ferner mangels einlagefähigen Wirtschaftsguts für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG nicht zu einer ‑ überentnahmemindernden ‑ Einlage beim übertragenden Rechtsträger.

Teilwertansatz bei börsennotierten „hybriden“ Anleihen: Mit Urteil vom 23. August 2023 (Aktenzeichen XI R 36/20) hat der BFH entschieden, dass bei börsennotierten verzinslichen Wertpapieren ohne feste Laufzeit, die von den Gläubigern nicht gekündigt werden können, eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt und damit eine Teilwert-AfA zulässig ist, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 Prozent der Anschaffungskosten bei Erwerb überschreitet.  

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